Es scheint jeder eine leidenschaftliche Meinung dazu zu haben, ob Katzen oder Hunde die besseren Haustiere sind. Die Frage, ob man eine Hunde- oder Katzenperson ist, ist eine ideologische und beeinflusst zum großen Teil die Partnerwahl. Es gab eine Zeit, da dominieren Katzen komplett die Online-Fauna: Cat Content, lolcat, Grumpy Cat—die Celebrities der Haustier-Szene findet man überwiegend unter der Katzenspezies.
Von Seiten der Hundefreunde-PR gibt es seither immer noch keinen Gegenschlag. Es hat fast den Anschein, als wären Hunde aus irgendeinem Grund im Prä-Internet-Zeitalter steckengeblieben: Auf Hits wie Lassie, Susi und Strolchi und Ein Hund namens Beethoven folgte lange Zeit nichts.
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Aber der Katzen-Hype der letzten Jahre ist kein Zufall, sondern spiegelt unsere gesellschaftlichen Zustände wider. Meiner Meinung nach leiden Katzenbefürworter unter verzerrter Wahrnehmung und Persönlichkeitsstörungen. Hier ist, warum.
Krankhafte Selbstbezogenheit
Katzen sind selbstbezogen. Während ein Hund auf die Türglocke aufmerksam macht oder bei Feuer Alarm schlägt, interessiert sich die Katze nicht für neue Gäste und beim Feuer ist sie die erste, die flüchtet. Hunde stellen darüber hinaus eine unverzichtbare Hilfe in der Bergrettung oder für Menschen mit Beeinträchtigungen dar. Sie sind empathisch, hilfsbereit und solidarisch. In der Katzenbefürworter-Welt wird das jedoch als „gefügig” bezeichnet. Das Argument lautet: Hunde tun alles, was man ihnen sagt, Katzen hingegen haben eine Persönlichkeit. Dem möchte ich folgendes entgegensetzen:
Hunde sind lernfreudig. Sie sind dankbar, wenn man ihnen etwas beibringt. Dafür muss man eben auch einmal machen, was einem jemand, der einem etwas beibringen kann, sagt. Wenn eine Professorin auf meinem Interessensgebiet mir sagt, ich solle doch diesen Artikel lesen, der könnte mir bei meiner Arbeit weiterhelfen, wäre ich doch dumm, wenn ich es nicht machen würde? Letztes Semester habe ich einen Trampolinspringkurs gemacht und wollte coole Moves und Abfolgen lernen, ohne mich dabei zu verletzen. Wie hätte ich das machen sollen, ohne dass ich ausgeführt hätte, was mir der Lehrer gesagt hat?
Katzenbefürworter, die dieses Argument der „Obrigkeitshörigkeit” benutzen, haben in ihrem bisherigen Lebensverlauf auch das gemacht, was ihnen ihre Eltern, Lehrer oder Freunde gesagt haben und tun es häufig immer noch—ob ihnen das bewusst ist oder nicht.
Vielleicht zahlen sie sogar regelmäßig selbst dafür, dass ihnen jemand sagt, wie sie ihr Leben besser meistern sollen. Ich verstehe also nicht, wieso „tun, was man gesagt bekommt” an sich etwas Negatives und Entwertendes darstellen soll.
Was sagt das über unsere Gesellschaft und über Katzenbefürworter aus, wenn Egozentrik und mangelndes Interesse an der Befindlichkeit unserer Bezugsperson als „eine Persönlichkeit haben” bewertet werden? Katzen haben nicht mehr Persönlichkeit als Hunde, sie sind einfach nur selbstbezogener. Womit wir beim nächsten Punkt wären.
Katzen werden von Narzissten als Symbol der Verehrung gehalten. Im Wissen um ihre Ängste vor Trennung und Hilflosigkeit und um ihr brüchiges Selbst meiden narzisstische Persönlichkeiten Nähe und Partnerschaften. Stattdessen tendieren Narzissten zur Idealisierung—laut dem Psychologen Arno Gruen das Gegenteil von Liebe—und Bewunderung.
Dass sich der Narzisst eine Katze hält, die er wie ein Groupie verehren kann, wertet sein geringes Selbstwertgefühl auf. Er findet im offen ausgelebten Narzissmus des Tieres, ähnlich wie der Fan im Star, ein besseres Selbst, ein Ersatz-Selbst. Die falsche Gefügigkeit gegenüber dem verehrten Subjekt, der Katze, birgt große Gefahren. Ein Freund von mir leidet zum Beispiel darunter, dass seine Katze ihn nicht mag, obwohl er versucht, es ihr so angenehm wie möglich zu gestalten. Dieser krankhafte Versuch, von seiner eigenen Katze geliebt zu werden, bringt mich zum nächsten Punkt.
Angst vor bedingungsloser Liebe
In dem US-amerikanischen Film Hachiko – Eine wunderbare Freundschaft, der auf einer wahren Begebenheit basiert, wird Richard Gere aka Universitätsprofessor Hidesaburō Ueno jeden Tag vom Bahnhof in Shibuya von seinem Hund Hachikō abgeholt. Nach dessen Tod kommt Hachikō zehn weitere Jahre lang jeden Tag zum Bahnhof, um auf sein Herrchen zu warten. Diese Geschichte ist für viele Menschen deshalb so berührend, weil ihnen bewusst wird, dass sie diese Form der bedingungslosen Lieben und Treue nie erfahren haben und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nie erfahren werden.
Die meisten Menschen haben nie so viel Anerkennung und Liebe von ihren Eltern bekommen, wie sie es sich gewünscht hätten. Das regelmäßige Buhlen um Zuwendung ohne Erfolg sind sie von klein auf gewohnt. Aus diesem Grund führen sie dieses Muster mit der Katze weiter. Ein Hund würde mit seiner Herzlichkeit, Aufmerksamkeit und Treue nur darauf aufmerksam machen, dass sie diese Form der Zuwendung nie bekommen haben. Da ihre Persönlichkeit aber darauf ausgelegt ist, diese Tatsache zu verdrängen, da sie sonst daran zerbrechen würden, lehnen sie den Hund an sich ab.
Verblendete Wahrnehmung von Ausgelassenheit
Du bist zu komplexbehaftet, kontrollorientiert oder zu sehr mit deiner Außendarstellung beschäftigt, um ausgelassen zu sein und versteckst das hinter dem Label Coolness? Du findest, manche Menschen sind einfach ein bisschen oberflächlicher und körperlicher und du bist eher so tiefgründig und geistig? Kein Wunder, dass du nichts mit Hunden anfangen willst.
Genauso, wie dich ausgelassen tanzende Menschen in Clubs an deine eigene Unfähigkeit loszulassen erinnern und du deshalb lieber mit abgeklärtem Gesichtsausdruck an der Bar stehst, machen das auch wild spielende und vor Lebensfreude strotzende Hunde.
Ich vermute, manche Menschen versuchen, der Dog Culture mit so viel Leidenschaft zu widerstehen, um den damit verbundenen Kitsch und das Melodrama zu vermeiden.
John Homans schreibt dazu: „Ich vermute, manche Menschen versuchen, der Dog Culture mit einer derartigen Leidenschaft zu widerstehen, um den damit verbundenen Kitsch und das beängstigende Melodrama zu vermeiden: Sobald man sich hingibt, ist man in einem Narrativ gefangen, das man nicht kontrollieren kann.”
Die kognitive Verknüpfung von „Hund dumm” und „Katze klug” kommt nicht von irgendwo. Dieses Image wurde und wird medial genau so propagiert. Die Katze wird seit langer Zeit als Asset von tiefgründigen, unverblendeten, introvertierten Kunstschaffenden hochstilisiert. Analoge schwarzweiß Fotografien von alleinstehenden Literatinnen mit ihrer Katze oder Katzenkalender-Sprüche in Buchhandlungen gibt es wie Sand am Meer.
Abschlussplädoyer
Liebe Katzenbefürworter, lasst euch nicht zu Spielfiguren von Image-Kampagnen machen. Spaß und Ausgelassenheit sind nicht dumm. Wenn man klug ist, muss man auch nicht andauernd ruhige, tiefgründige Gespräche führen und die Schwere der Welt in jedem Moment auf den Schultern tragen. Hunde symbolisieren auch nicht den Imperalismus der Spaßkultur im 21. Jahrhundert. Lasst einfach einmal los.
Ich bin generell kein Fan von binären Diskussionen. Aber wenn die Frage „Katze oder Hund” nur zwei Antworten kennt, dann muss die Antwort Hund lauten. Zum Abschluss möchte ich ein Zitat von Mary Oliver bringen: „Die überschwängliche Freude, die Hunde verbreiten, färbt direkt auf uns ab. Das ist kein kleines Geschenk.”
Titelbild: Tony Webster | flickr | cc by 2.0