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Immer dieses Internet!

Massenpanik bei Lidl: Wenn der Focus Satire zu ernst nimmt

Weil ein irischer Supermarkt zu lange nur eine Kasse besetzt hatte, wurden schließlich 30 Menschen verletzt. Eine irre Geschichte, die der Focus da erzählt. Sie hat nur einen Haken.
Foto: Thomas Schlosser via photopin

„Eine gefühlte Ewigkeit mussten die Kunden in einer Lidl-Filiale im irischen Dunboyne darauf warten, dass endlich eine zweite Kasse geöffnet wurde. Was dann geschah, ist schier unglaublich."

So begann der Text auf Focus Online. Und was danach kam, das war wirklich—na ja, unglaublich? Laut dem Online-Magazin brach dann nämlich ein so unkontrollierter Ansturm auf die zweite Kasse aus, dass am Ende mehr als 30 Menschen verletzt am Boden lagen. Mein Gott, diese schnäppchenhungrigen Iren!

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Das Problem an der Geschichte ist nur, dass sie leider frei erfunden ist. Allerdings nicht vom Focus, sondern von der irischen Satire-Seite Waterford Whispers News. Im Original-Artikel ist eigentlich auch ziemlich deutlich zu erkennen, dass es nicht ganz ernst gemeint sein kann. Wie man zum Beispiel an dieser Passage hätte erkennen können:

„Ich hatte Glück, da lebend herauszukommen", erzählte die Ortsansässige Sheila Mannion, die die Zeit vor dem Ansturm damit verbracht hatte, rumzumeckern, dass sie nur einen Brotlaib habe und die Leute mit vollen Einkaufswagen sie ja ruhig mal vorlassen könnten. „Wir standen ewig an, als sich eine Mitarbeiterin näherte. Jeder wartete, um sicher zu sein, an welche Kasse sie sich setzen würde. Und dann brach die Hölle los." - WWN

An den gehetzten Focus-Leuten ist die Ironie offenbar vorbeigegangen, und so wurde dann in Deutschland eine echte Meldung draus. Vom Bildblog erntete Focus Online dafür die Bezeichnung „Recherche-Discounter".

Mittlerweile hat man den Fehler bemerkt und den Artikel kurzerhand durch einen neuen mit der Überschrift „ Fast 25.000-mal geteilt: Satirebericht über Massenpanik in Lidl-Filiale begeistert das Netz" ersetzt. Darin heißt es unter anderem: „Auch wenn die Meldung nüchtern und nachrichtlich aussieht—sie ist nur erfunden." Was schon ziemlich wie ein Rechtfertigungsversuch klingt. Am Ende des Textes kann man dann in Klammern lesen, dass in „einer früheren Version des Artikels" der Hinweis gefehlt habe, dass es sich um Satire gehandelt hätte.

Ganz so, als seien es die Leser, die zu dumm waren, die Satire zu erkennen.


Foto: Einkaufswagen via photopin (license)