Die ‘Bild am Sonntag’ behauptet, dass dieser Abgeordnete Merz wählt – doch der widerspricht

Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer

Am kommenden Freitag und Samstag wählt die CDU auf dem Parteitag die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzende. Die größten Chancen werden Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz eingeräumt. 1.001 Delegierte, die sich aus den Landes- und Auslandsverbänden sowie den Ehrenvorsitzenden zusammenstellen, werden in einer geheimen Wahl abstimmen.

Geheim ist natürlich etwas, das der Bild-Zeitung gar nicht gefällt. Deshalb war sie nach eigenen Angaben schwer investigativ tätig: In der aktuellen Ausgabe der Bild am Sonntag (BamS) enthüllt sie, “wer Merkels Erbe verteilt”. Die BamS hat dafür die Namen der CDU-Delegierten recherchiert und sie außerdem befragt, für wen sie denn tatsächlich stimmen wollen. Das Ergebnis der Bild-Recherche: 269 Delegierte hätten eine klare Aussage getroffen, und unter ihnen stimmten 144 für Friedrich Merz.

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Einer, der angeblich für Merz stimmt, ist Matthias Hauer, Bundestagsabgeordneter aus Essen. Das behauptet jedenfalls die BamS. Das Problem: Es stimmt nicht, wie Hauer am Sonntag auf Twitter schrieb: “Nein, liebe BILDamSONNTAG, ich werde NICHT Friedrich Merz wählen – auch wenn Ihr das falsch so berichtet.” Daraufhin meldeten sich noch weitere Delegierte auf Twitter und Facebook, deren Präferenz von der BamS entweder falsch berichtet wurde – oder die gar nicht erst kontaktiert wurden.

Wir haben mit Matthias Hauer gesprochen und ihn gefragt, was er von dem Vorgehen der Zeitung hält.

VICE: Herr Hauer, was mussten Sie gestern in der Bild am Sonntag lesen?
Matthias Hauer: Mir wurde gestern der Leitartikel aus der Bild am Sonntag weitergeleitet. Diesem musste ich entnehmen, dass ich angeblich für Friedrich Merz bei der Wahl zum nächsten CDU-Parteivorsitzenden auf dem kommenden Parteitag stimmen werde. Ich war daraufhin irritiert und auch verärgert, weil das nicht meinem beabsichtigten Wahlverhalten entspricht.

Weil Sie nicht für Friedrich Merz stimmen werden.
Ich schätze alle drei Kandidaten, die zur Wahl stehen. Es ist gut, dass sich die CDU nun personell breiter aufstellt und auch die Parteispitze erneuert. Von der neuen Führung erwarte ich eine konsequente Politik als “Volkspartei der Mitte”. Mit abgrenzbaren Positionen und klarer Kommunikation gilt es, liberale, konservative und christlich-soziale Wähler gleichermaßen anzusprechen. Und das traue ich eher Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer zu. Auch Friedrich Merz ist ein starker Kandidat, aber für mich steht er eben nur an dritter Stelle.

Wie erklären Sie sich den Fehler in der BamS?
Ich war in der Redaktion ja nicht dabei, als der Artikel entstanden ist. Aber schon auf den ersten Blick konnte man mehrere Fehler sehen. Und weil ich auch einige der Delegierten kenne, weiß ich: Manche, bei denen das angebliche Votum abgedruckt war, hatten sich gegenüber Bild am Sonntag gar nicht geäußert und bei Anderen ist es einfach falsch. Ich will der Zeitung nun keine böse Absicht unterstellen oder behaupten, dass hier Stimmung in eine Richtung gemacht wird. Aber der Artikel ist journalistisch klar unsauber recherchiert.

Es gibt noch andere Delegierte, bei denen die Angabe nicht stimmt?
Man spricht ja mit den Kollegen und vieles stimmt nicht, was in dem Artikel der Bild am Sonntag steht. Auch in den Sozialen Medien haben sich noch weitere Delegierte geäußert. Ich kann natürlich nicht für 1.001 Delegierte sprechen, aber zumindest für mein Umfeld. Und bei drei von vier Delegierten der CDU Essen ist die Angabe des beabsichtigten Wahlverhaltens falsch.

Hatte die Bild am Sonntag Sie vorab kontaktiert?
Ich hatte im Vorfeld diverse Anrufe und E-Mails von Mitarbeitern der Bild am Sonntag bekommen, die mein Votum beim Parteitag abfragen wollten. Ich wollte mich dazu nicht äußern und habe es auch nicht getan. Andere Kollegen wurden beispielsweise einfach auf dem Handy angerufen – woher auch immer sie die Nummer hatten.

Sehen Sie das kritisch?
Es ist jedem freigestellt, der Bild am Sonntag seine Wahlentscheidung mitzuteilen. Wer das möchte, um damit etwa für einen Kandidaten Werbung zu machen, kann das gerne tun. Auch das ist legitim. Nur finde ich es problematisch, wenn man versucht, die Wahl vorwegzunehmen, und der Öffentlichkeit suggeriert, dass man das Wahlverhalten der Delegierten in irgendeiner Form ausrechnen kann. Es gibt gute Gründe, dass die Wahl eines Parteivorsitzenden geheim stattfindet, und durch solch eine Berichterstattung – über jeden einzelnen Delegierten samt beabsichtigter Wahlentscheidung – wird das ad absurdum geführt.

Inwiefern?
Es gibt Regionalkonferenzen, es gibt die Vorstellungsreden auf dem Parteitag, öffentliche Debatten zu verschiedenen Themen. Es kann noch viel passieren bis zum Parteitag. Dass die BamS nun jeden Delegierten ausforscht und vielleicht irgendwelche Äußerungen in eine Richtung deutet, finde ich unseriös. Ich sehe es als Auftrag der Bild am Sonntag, das Wahlverfahren zu begleiten. Es ist nicht ihre Aufgabe, es mitzugestalten. Aber genau so wirkt es, wenn man das so abdruckt und die CDU dann auch noch dafür kritisiert, nicht alle Daten aller Delegierten herauszugeben.

Gab es eine Reaktion aus der Bild-Redaktion?
Marion Horn, die Chefredakteurin der Bild am Sonntag, hat sich etwa zweieinhalb Stunden nach meinem Tweet entschuldigt. Als ich dann nicht sofort reagiert habe, hat sie nach 46 Minuten geschrieben, dass Matthias Hauer ihre Bitte um Entschuldigung nicht annehme. Ich bin ja schon oft am Handy, aber auch nicht permanent. Die Entschuldigung habe ich dann angenommen und es soll wohl in der nächsten Ausgabe eine Richtigstellung folgen. Aber der Parteitag ist dann gelaufen. Die falsche Information ist jetzt in der Welt und es ist ärgerlich, in einem so auflagestarken Blatt falsch wiedergegeben zu werden.

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