Es ist bekannt, dass der Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in etwa so kritikfähig ist wie ein unausgeschlafener Klaus Kinski. Man sollte sich also hüten, ihm ohne guten Grund kriminelle Energie zu unterstellen. Andererseits: Was treibt jemanden an, der etwas tut, obwohl ihm das gerichtlich untersagt wurde? Genau.
Im aktuellen Fall hatte das Landgericht Frankfurt am Main bereits im Dezember letzten Jahres eine einstweilige Verfügung gegen die Bild-Medien wegen zwei Fotos erlassen, berichtet Bildblog. Die Bild-Zeitung und Bild.de hatten Fotos von den G20-Protesten in Hamburg veröffentlicht, auf denen eine Frau im pinkfarbenen Shirt zu sehen ist, angeblich während sie einen Drogeriemarkt plündert.
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Dabei bezeichneten Bild und Bild.de die Frau vorverurteilend als “G20-Plünderin”. Nach der einstweiligen Verfügung hätte Bild die Fotos nicht mehr zeigen dürfen. Das war den Leuten dort aber offenbar sehr, sehr egal.
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In einer pubertären Trotzreaktion hat der Verlag etwa einen Monat später einfach ein paar andere Bilder aus der Serie veröffentlicht, auf denen die Frau ebenso zu erkennen war. Das Gericht hatte mit seiner Entscheidung aber weder Julian Reichelt, noch die Pressefreiheit mobben wollen. Es gab einen guten Grund für das Verbot.
Die Frau hatte laut Frankfurter Landgericht keinen Landfriedensbruch begangen. Sie habe “geringwertige Sachen” gestohlen, die sie vor der zerstörten Drogerie von der Straße auflas, schrieb das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Trotzdem hatte Bild, ein Medium, das über seine verschiedenen Kanäle Millionen Menschen erreicht, öffentlich zur Fahndung aufgerufen – ohne irgendwelche behördlichen Maßnahmen abzuwarten. So als ob man nur oft genug behaupten müsste, eine Richterin zu sein, um wirklich Leute verurteilen zu dürfen.
Den Verantwortlichen bei Bild war es aber offensichtlich schnurzpiepegal, dass sich in einem Rechtsstaat alle an Gerichtsentscheidungen halten müssen. Sie besaßen sogar noch die Dreistigkeit, sich als Kämpfer für die gute Sache zu inszenieren: “Bild zeigt die Fotos dennoch, ohne die Personen zu verfremden – weil die Abbildung von Straftaten, gerade im Zusammenhang mit schweren Krawallen, Plünderungen und Landfriedensbruch bei einem so wichtigen Ereignis wie dem G20-Gipfel, zum Auftrag der Presse gehört”, hieß es in dem Artikel, in dem Bild zum zweiten Mal Fotos aus der Serie veröffentlicht hatte. Wie gesagt: Die Frau hatte weder an schweren Krawallen teilgenommen, noch geplündert oder schweren Landfriedensbruch begangen.
Offenbar hatten die Richterinnen und Richter am Landgericht in Frankfurt irgendwann genug von den eigenmächtig handelnden Trotzheinis bei Bild.de. Deshalb hat das Gericht die Zeitung jetzt zu einem Ordnungsgeld von 50.000 Euro verdonnert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es könnte aber ohnehin nicht das letzte bleiben. In einem weiteren Verfahren klagt die abgebildete Frau gegen Bild, weil das Foto von ihr erneut gezeigt wurde.
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Dieser Artikel erschien zuerst bei VICE Deutschland.