Ich war mit zwei Polizisten am Electric Love Festival

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Ich war mit zwei Polizisten am Electric Love Festival

2 Cops, 1 Festival: Der Sänger einer bekannten österreichischen Anti-EDM-Band war für uns beim Electric Love Festival. Mit zwei Polizisten.

Aus offensichtlichen Gründen bleiben der Autor und die beiden Polizisten anonym. Alle Fotos vom Autor.

Es gab eine Zeit, da hat ein gewisser Freund von mir immer mal wieder "The MF Point of Perfection" von Headhunterz angemacht – und ihr kennt das, der gewisse "Freesytler"-Effekt (Rock the microphone … tschicke, tschicke). Man kann einfach nicht anders, als den Track zu feiern. Das war mein erster Kontakt mit Hardstyle. Ein paar Jahre später habe ich Cop 1 kennengelernt und wir hatten wirklich nichts gemeinsam – unabhängig davon, dass er mich wegen so mancher Dinge eigentlich direkt ins Gefängnis stecken könnte. Vor allem aber beim Musikgeschmack. Tja, außer HEADHUNTERZ.

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Und wie das Leben so spielt, hatten wir ausgemacht, wenn besagter Bass-Künstler nach Österreich kommt, geh ich mit und schieß mich mit Cop 1 und seinem besten Freund (Cop 2) aufs unfreundlichste zu Hardstyle ab. Dieses Jahr war es dann so weit – beim Electric Love Festival bei Salzburg. Und Headhunterz als Headliner.

Nach einigen harten Schnäpsen im Hotel (Hotel!!!), ging es mit dem Festival-Shuttle Richtung Bass. Und schon dort fand ich mich in einer Melange aus vielleicht-gerade-mal-20-Jährigen und einmal-im-Jahr-geb-ich-mir-mit-meinen-Homies-brutal-die-Kante-weil-ich-sonst-nichts-mehr-unternehme-Kandidaten. Alle Mädels in kurzen Jeans-Shorts und die Kerle in Electric-Love-Shirts von 2011. Meine Taktik war: Vollsuff. Und mein Pfeifenkraut hatte ich ja auch noch dabei. Falls alle Stricke reißen.

"Übrigens halten beide nicht viel davon, dass Gras illegal ist. Viel mehr Arbeit."

Die zwei Kanten mit Dienstmarke (natürlich im Hotel gelassen) flankierten mich ungewollt die ganze Nacht und niemand hat mich auch nur dumm angeschaut. Die meisten dachten wohl, ich bin Artist und mit meinen Securitys unterwegs, die ähnlich wanken wie ich. Übrigens gibt es unter Polizisten nichts Schlimmeres, als von einem anderen Kiberer notiert zu werden.

Das erste Kapitel waren die Noise-Controllers und wir natürlich vorne mit drin. Ich schätze, ich bin jetzt circa beim sechsten Drink. Die Jungs trinken natürlich Großteils Vodka-Bull, nicht mein Favorit. Aber heute muss ich stark sein. Auch meinen Marihuana-Konsum musste ich etwas an die Jungs anpassen, die beiden waren natürlich brav.

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Too much hardstyle. Cannot compute.

Schnell war geklärt, wenn die Dienstmarke nicht dabei ist, ist ihnen alles wurscht. Ich wurde nur mit einem wichtigen Tipp betraut: "Wenn du erwischt wirst, hau das Zeug hin und dann renn weg!". Übrigens halten beide nicht viel davon, dass Gras illegal ist. Viel mehr Arbeit. So kam das Gespräch auf Drogen. Jetzt weiß ich, dass es bald überall diesen Test gibt, der nur "Ja" oder "Nein" angibt – und nicht zwischen Crystal Meth und einem Zug am Joint unterscheidet. "So Leute wie du sind dann am Arsch."

Aber weiter im Festivalprogramm. Bam, bam, bam, Fäuste in der Luft, alle springen und schütten sich und alle im Umkreis an. Scheißegal, alle sind auf einem Nenner heute: Hardstyle. Unfassbar, wie viele Menschen auf so einen Lärm stehen. Aber irgendwie geil, man muss sich nur schneller als sonst bewegen. Das ist der Trick. Kleine Schnapspause, dann ab ins Ringelspiel. Fuck, was für eine scheiß Idee. Aber meine Cop-Jungs lieben das Ringelspiel und falls was passiert, treffen wir uns dort.


VICE Video: Am Electric Love waren wir schonmal. Mit Kamera.


Den weiteren Abend verbringe ich in einem Zustand, als wäre ich verprügelt und danach nochmal verprügelt worden. Und die "Schnapspausen" machten es nicht besser. Aber entweder Cop 1 oder Cop 2 bestanden immer wieder darauf. Jegliches politisches Thema, über das wir sonst rege diskutieren, war verpufft – wir sind nun alle eine springende, besoffene Masse fernab von irgendwelchen G20 Gipfeln zwischen Laserstrahlen und immer und immer wiederkehrenden Songs. Wahnsinn, alle DJs hauen ständig dieselben Tracks raus – vielleicht ein anderer Edit. Egal, ob es der zwölfte Remix von "Frozen" oder das 16. Chart-Lied mit Hardstyle-Banger-Part ist. Aber meinen Cops geht es gut, das war das Wichtigste. Trap gefällt ihnen aber gar nicht. Pech.

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Herr Hardstyle höchstpersönlich

Ich war auf vielen Festivals und habe viele Festival-Leichen in ihrem eigenen Erbrochenen gesehen. Aber das war hier wenig zu entdecken. Irgendwie waren alle ganz gut drauf – und auch die beiden betrunkenen Leibwächter an meiner Seite konnten mir bestätigen, dass ihrer Ansicht nach kaum jemand vom "Drogenmissbrauch" gezeichnet ist. Die Handvoll kauender Fratzen wurden mir einfach aus der Bildfläche geschoben und wenn da ein paar Mädels zu viert aufs Klo gehen, dann "ist das halt so heute" (Cop 2). Obwohl ich schlimmeres erwartet habe, kam es nicht mal zu einer Rauferei. Dann eben "Schnapspause". Ich hab ja zwei Paar starke Schultern neben mir. Ach übrigens haben die Jungs ihre Polizisten-Kapperln für den nächsten Tag ("widerrechtlich") schwarz beschmiert, da wollen sie mal richtig einen drauf machen.

Auch als es während Headhunterz aus Kübeln zu schiffen beginnt, wird es nicht assiger – alle springen, tanzen, saufen. Aber wo sind die Assis? Dafür wurde ich immer assiger, ich sag nur "Schnapspause". Zwischendrin gibt es dann mal wieder eine Pizza. Also nächste Jahr fahr ich nur wegen der Essens-Standerln hin. Da können sich andere Festivals eine Scheibe abschneiden. Die Hälfte meiner Token (so heißt die Währung jetzt dort, mega Zukunft!) hab ich quasi in den Pizza-Ofen geschmissen. Und ein Electric Love-Shirt hab ich mir auch gegönnt – aber nur, weil mein anderes klatschnass war. Übrigens heißt es bei meinen Begleitern: Pro Tag 100 Euro zum Saufen auf die Karte. Ambitioniert.

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Als Project One noch für eine halbe Stunde ihre Bretter (ein paar habe ich davor schon auf anderen Stages gehört) rausgehauen haben, kam ich mir schon klinisch tot vor. Nicht mal der Vodka-irgendein-neues-Red-Bull konnte daran etwas ändern. Zum ersten Mal musste ich zur "Schnapspause" so etwas Ähnliches wie "Nein" lallen. Auf einmal waren meine Begleiter böse Cops. Gut, einen trink ich noch. Und um mich herum, sprangen immer noch alle. Bam, bam, bam, irre! Alles so schnell! Zwischen wackeligen Dance-Moves zeigen mir die beiden, wie ich am einfachsten jemanden ausknocke, ohne dass mein Getränk dabei runterfällt. Zwei Getränke landen am Boden.

Es geht dem Ende zu. Cop 2 schläft an der Schulter von Cop 1 und dieser hat nun stolz meinen Pressepass an und gibt sich bei einem Mädchen als Artist aus. Ich spiele halbherzig den Manager. Bis es uns beiden zu dumm war. Alle saßen ruhig da und unterhielten sich. Was ist denn los? Irgendwie will man doch auch auf ein Festival, weil dann Ausnahmezustand bei allen herrscht. Wo sind die in Kotze getränkten Menschen, die dich umarmen wollen? Gut, nächstes Jahr bügle ich mein Polo und mach es genauso. Und nächstes Mal gehe ich auch eher zu Chase & Status oder Flux Pavillion, statt die ganze Nacht vor der Hardstyle-Stage zu verbringen. Dann hätte ich auch mitbekommen, dass es nicht nur Hardstyle spielt. Aber dafür erwische ich mich heute noch dabei, wie ich hektisch zu irgendeinem Bam-Bam-Bam-Sound in meinem Kopf nicke.

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