Umgedrehte Kreuze, die verkohlten Gerippe christlicher Kirchen, Schweineblut und Ziegenschädel—das sind Symbole, mit denen teuflische Black Metal-Bands ihre Treue „zum Fürsten, der in der Luft herrscht (Epheser 2:2)“ kundtun. Der Pakt zwischen Black Metal und dem Beelzebub reicht zurück bis in die Entstehungsgeschichte des Genres, allerdings herrscht eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was Black Metal-Bands als satanisch sehen, und dem, wofür zum Beispiel die Church of Satan steht. Reverend Bill M. moderiert wöchentlich die Sendung Devil’s Mischief im Internetradio und ist seit 1997 Mitglied der Church of Satan. Wir haben uns mit ihm unterhalten, um einige der bekannteren Referenzen im Metal an Luzifer ins rechte Licht zu rücken. Es sei schon mal so viel verraten: Am Ende sehen Bands wie Watain wie ein Haufen Poser aus.
Nach ihrer eigenen Definition spielen Watain „rock and roll as the Devil once intendend“ und wie wenige andere Bands scheinen sie ihre eigene Ansage auch wirklich ernst zu nehmen. Bei ihrem Konzert in Brooklyn vor ein paar Monaten zum Beispiel präsentierte die Band mitten im Set einen Ziegenschädel gefüllt mit Schweineblut und begann dann ebendieses Schweineblut über dem anwesenden Publikum auszukippen. Ein paar Leute schrien, andere mussten sich übergeben, wieder andere zeigten keinerlei Regung und akzeptierten das Schauspiel als etwas, das für eine Band, die ihre Shows als „Ritual“ bezeichnet, einfach dazu gehört. In den Augen von Reverend Bill könnte diese theatralische Darbietung aber nicht weiter vom wahren Satanismus entfernt sein.
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„Die Church of Satan praktiziert weder Tieropfer, noch macht sie irgendetwas anderes mit Blut“, klärt er uns auf. „Für uns geht es im Satanismus darum, die fleischliche Natur des Menschseins zu akzeptieren, und das Opfern von Tieren steht dem entgegen.“
Wenn du also bei einem solchen Konzert dabei warst und ein paar Spritzer Schweineblut abbekommen hast, dann heißt das keineswegs, dass du einem authentischen satanischen Ritual beigewohnt hast (sorry, Watain). Reverend Bill gab uns allerdings ein paar Beispiele dafür, wie eine von der Church of Satan anerkannte Zeremonie aussehen könnte.
„Was kultische Gegenstände angeht, gibt es oft eine Anordnung aus schwarzen Kerzen oder ein Pentagramm“, erklärt er. „Rituale können auch ein Schwert oder eine Altarglocke beinhalten, aber definitiv nichts, was in irgendeiner Weise mit Tieren zu tun hat. Wir sehen Rituale als psychologisches Hilfsmittel für die Katharsis und dementsprechend kann schon der Auftritt einer Band, die ihre Darbietung für irgendeine Form von Befreiung verwendet, ein Ritual für sich sein. Ein satanisches Ritual ist ein Ventil für Emotionen.“
Mit dem Mythos von Satanisten, die Tiere opfern und Blut für ihre Zeremonien verwenden, hat Reverend Bill also schnell aufgeräumt, was ist aber mit den legendären Rückwärtsbotschaften? Led Zeppelin, Motörhead und Darkthrone—ihnen allen wurde schon vorgeworfen, diese Technik verwendet zu haben, um sublime satanische Botschaften in die Köpfe ihrer Hörer zu pflanzen. Cradle of Filth gingen dann 2001 auf ihre Bitter Suites to Succubi EP noch eine Schritt weiter. Der Song „Dinner at Deviant’s Palace“ besteht aus einem rückwärts vorgetragenen Vaterunser, begleitet von sinisteren Ambientklängen und Donnergrollen.
„Das ist durchaus etwas, das immer mal wieder auftaucht“, so Reverend Bill. „Es gibt da ein älteres Ritual, Die Schwarze Messe, das schon vor mehreren Jahrhunderten praktiziert wurde. Es handelt sich dabei mehr um eine Parodie des katholischen Gottesdienstes, also sagt man das Vaterunser rückwärts auf und stellt das Kreuz auf den Kopf. Es waren vor allem gelangweilte Aristokraten auf der Suche nach Entschuldigungen für ihr blasphemisches Handeln, die diese Zeremonie praktizierten.“
„Wir rezitieren das Vaterunser allerdings nicht rückwärts. Diese Zeremonie wird nur einmal in LaVeys Buch, Die Satanischen Rituale erwähnt“, klärt er uns auf. „Also, ja, es gibt Die Schwarze Messe und dort kommt diese Handlung vor. Der einzige Sinn und Zweck besteht jedoch darin, sich emotional vor jedweder vorherigen religiösen Indoktrination zu befreien.“
Auch die norwegische Black Metal-Band Darkthrone nahm auf ihrem 1994er Album Transilvanian Hunger eine Rückwärtsnachricht auf. Wenn man den Song „As Flittermice as Satans Spys“ rückwärts spielt, hört man die Message: „In the name of God, let the churches burn“. Der Song entstand in der produktivsten Phase der norwegischen Black Metal-Szene, die nicht nur von der Veröffentlichung legendärer Alben, sondern auch zahlreichen Straftaten geprägt war—darunter auch die Brandstiftung an diversen norwegischen Gotteshäusern. Reverend Bill erklärt uns jedoch, dass das Anzünden von Kirchen nicht im Einklang mit den Richtlinien der Church of Satan steht.
„Nein, wir sind strikt gegen Vandalismus oder jede andere Tat in dieser Richtung. Wir glauben daran, dass Menschen die Freiheit haben, an das zu glauben, woran auch immer sie glauben wollen—solange sie es niemand anderem aufdrängen. Das Grundstück von jemand anderem abzufackeln, hat nichts Satanisches.“
„Ich würde sagen, dass Satanismus viel mehr als nur eine Rebellion gegen das Christentum ist. Satanismus ist gleichermaßen gegen Buddhismus, das Judentum, das Christentum und alle anderen Religionen. Es ist nicht gerade schlau, Kirchen anzuzünden, weil es nicht einfach nur darum geht, das Christentum umzudrehen. Die Church of Satan ist ein Zusammenschluss von Atheisten und für uns stellt Satan ein Symbol dar.“
Was Reverend Bill angeht, gibt es keinen Hinweis darauf, dass es vor 1966, dem Gründungsjahr der Church of Satan, schon Bands gab, die sich selbst als satanistisch bezeichnet haben. Und auch wenn es Teufelsanbetung schon seit Jahrhunderten gibt, macht es für ihn keinen Sinn, den gleichen Terminus, Satanismus, für die Praktiken und Symbole zu verwenden, die Black Metal-Bands benutzen, die aber grundlegend dem widersprechen, worfür die Church steht.
„Nachsichtigkeit, Stolz und Humor sind in meinen Augen sehr satanische Elemente, die in der satanischen Ideologie allerdings schnell verloren gehen“, sagt er. „Ja, es hat in den letzten Jahren durchaus Bands gegeben, die Dinge nur aus Schockwert gemacht haben und sich einfach Symbole wie das Siegel Baphomets angeeignet haben. Im Gegensatz dazu habe ich nicht allzu viele Menschen gesehen, die tatsächlich Ideologien des Satanismus übernommen haben. In den meisten Fällen ist es lediglich eine Antihaltung gegen das Christentum.“
Reverend Bill erklärt weiter, dass die Church of Satan anstatt umgedrehter Kreuze Pentagramme, Baphomet und Ziegenköpfe als Symbole bevorzugt. Man möchte sich eben lieber über das definieren, wofür man steht, und nicht über das, wofür man nicht steht.
Lasst die Kleinen in Ruhe | Foto: Hühnerauge / Flickr | CC By 2.0
„Typischerweise sind Ziegen ein Symbol für Nonkonformität—vor allem, wenn man sie im Kontrast zu den Schäflein in den Evangelien sieht. Der Unterschied zwischen Ziegen und Schafen ist der, dass Schafe Konformität symbolisieren und Ziegen eher den Archetyp der Unabhängigkeit darstellen. Außerdem werden Ziegen mehr mit animalischen und fleischlichen Eigenschaften in Verbindung gesetzt.“
Aber auch wenn Bands wie Goatwhore und Eyehategod nicht unbedingt auf einer Linie mit der satanischen Ideologie stehen, so hat Reverend Bill doch kein Problem mit der Verwendung solch blasphemischer Namen.
„Wenn ich davon ausgehe, dass sie dieses ganze Theater nur des Theaters wegen veranstalten, dann sehe ich keinen Grund, warum sie nicht jemand hören sollte, der auch abseits von der Musik mit der Satanischen Bibel übereinstimmt“, sagt er.
„Das einzige, was mir bei diesen Bands wirklich satanisch erscheint, ist ihr cleveres Marketing“, so Reverend Bill,. „Natürlich hat niemand von uns etwas dagegen einzuwenden, wenn Individuen ihre Karriere weiter vorantreiben.“
Der beste Weg, um über Musik mit authentischem Satanismus in Kontakt zu kommen, ist dann doch das Hören von Bands mit tatsächlichen Mitgliedern der Church of Satan oder Gruppen wie Down Among the Dead Men und The Quintessentials. Wenn es nach Reverend Bill geht, ersetzt aber nichts das Studium der Satanischen Bibel, wenn man sich wirklich mit dem Satanismus auseinandersetzen möchte. Sollte dir das dann doch zu viel sein, dann überlass das Kirchenabfackeln lieber ein paar lustig angemalten Norwegern und mach dich mit ein paar Dosen Bier auf den Weg zur nächsten Metalshow.
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