Blumen im Schatten der Mauern: Das Leben in rumänischen Gefängnissen

Das Titelfoto für ‘Bumbata’

Einige Zeit nachdem der Fotograf Cosmin Bumbuț anfing, das Leben in rumänischen Gefängnissen zu fotografieren, beruhigten ihn die Häftlinge: “Du kannst deine Kamera überall liegen lassen—wir sind Mörder, keine Diebe”, sagten sie ihm.

Bumbuț ist einer der wenigen Fotografen, die es geschafft haben, in einem rumänischen Gefängnis zu arbeiten, bevor das Land 2007 der EU beitrat. Damals waren die Lebensbedingungen in rumänischen Justizvollzugsanstalten noch ganz anders. Seit dem EU-Beitritt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Bußgelder für die unmenschlichen Zustände verhängt.

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Cosmin Bumbuț (links) und Iulian Lopazan (ein Lehrer) in der Zelle eines Häftlings namens Pricu. Bumbuț hat sein Projekt nach Pricus Entlassung fertiggestellt. Pricu hat dieses Foto geschossen, alle anderen in diesem Artikel sind von Cosmin Bumbuț

Zwischen 2005 und 2008 besuchte Bumbuț das Gefängnis Aiud, um die Lebensbedingungen und den Alltag der Häftlinge zu fotografieren. Mittlerweile ist daraus ein Buch mit dem Titel Bumbata geworden.

Ich habe mit Cosmin Bumbuț über das Kapitel seiner Karriere gesprochen, als er die Modefotografie hinter sich ließ und zum Fotojournalisten wurde.

VICE: Als du 2005 mit diesem Projekt angefangen hast, warst du einer der berühmtesten Modefotografen Rumäniens—was hat dich dazu bewegt, eine Reihe über Gefängnisse zu machen?
Cosmin Bumbuț: Damals fiel einer Sprecherin der rumänischen Justizvollzugsbehörde mein Fotoband Tranzit auf, den ich zwei Jahre zuvor veröffentlicht hatte. Sie rief mich an und sagte, ihr gefalle mein Buch sehr und sie könne mir Zugang zu jedem rumänischen Gefängnis geben, wenn ich dort fotografieren wolle. Ich fand das Angebot interessant, aber entschied dann recht bald, dass ich das Leben in nur einem Gefängnis dokumentieren wollte, anstatt ganz viele zu besichtigen.

Und weshalb hast du dich für das Gefängnis Aiud im Herzen Transsylvaniens entschieden?
Ich habe drei oder vier Gefängnisse besucht, und Aiud sah sehr altmodisch aus, was mir extrem gefiel. In meiner zweiten Woche dort fing ich langsam an, den Insassen näher zu kommen. Mir gegenüber waren sie auch neutraler, wie bei der Arbeit, beim Lesen in der Bücherei oder beim Besuch in der Gefängniskapelle.

Die Kapelle des Gefängnisses Aiud

Wie sehr unterscheidet sich die heutige Lage in rumänischen Gefängnissen von der Situation vor dem EU-Beitritt?
Als ich 2005 das erste Mal nach Aiud kam, trugen alle Insassen noch Khaki-Uniformen—nur die mit lebenslanger Haft hatten orange Uniformen an. Nach dem EU-Beitritt haben sie die Uniformen abgeschafft und heute dürfen Häftlinge ihre eigene Kleidung tragen.

Ein anderer Unterschied ist, dass es vor dem Beitritt keine Ehebesuche in Rumänien gab. Es gab also keinen Ort, an dem die Häftlinge mit ihren Partnerinnen intim werden konnten. Das hat man auch geändert. Ich habe auch 2005 und 2006 einige Fotos von Häftlingen geschossen, die Handschellen trugen. Als ich 2008 wiederkam, durfte ich keine Leute in Handschellen mehr fotografieren—neue Regelung.

Was hat dich am meisten überrascht, als du die Insassen besser kennengelernt hast?
Eine Sache, die ich 2005/2006 bemerkte, war, dass die einzigen Häftlinge, die sich Bücher aus der Bibliothek holten, im Hochsicherheitstrakt saßen. Als ich die Wärter nach dem Grund fragte, sagten sie mir, die Häftlinge dort drinnen hätten intelligentere und durchgeplante Verbrechen begangen und daher strengere Strafen bekommen.

Insgesamt waren sie also ohnehin schon mehr am Lesen interessiert, und dann hatten sie auch noch eine längere Strafe vor sich—also waren sie auch mehr daran interessiert, sich im Gefängnis zu bilden. In meinem Buch habe ich ein Foto von einem Insassen, der mich extrem an mich selbst während meines Ingenieursstudiums erinnert hat. Ich fragte ihn, was er getan habe, und er sagte, sie hätten ihn für bewaffneten Raub verurteilt. Ein Typ, der vielleicht wegen ein paar geklauten Portemonnaies sitzt, hat vielleicht nicht dasselbe Interesse an Büchern.

Ein Gedicht aus der Feder eines Insassen

Blumen … im Schatten der Mauern

Wer auch immer du bist, der du wünschst, meine Gedanken zu ergründen, versteh bitte, dass ich dies nicht einfach schreibe, um Zeit totzuschlagen.

Wenn du nicht die Geduld hast, zwischen den Zeilen zu lesen, damit du an den Kern meiner Worte gelangst, dann lass das Lesen lieber gleich.

Wenn du aufrichtig wünschst, das Gute und das Schlechte an meinem Werk zu analysieren, dann steht dir mein anonymer Text frei.

Welchen Zusammenhang siehst du zwischen dieser Arbeit und deinen restlichen Fotografien?
Ich habe vorher in der Modefotografie gearbeitet und anfangs habe ich die Häftlinge in gewisser Hinsicht als Modelle gesehen. Aber als ich 2008 wiederkam, waren mir das Thema und die Insassen viel vertrauter. Da ging mir auf, dass sie eigentlich viel mehr an die Stars erinnern, die ich früher fotografiert habe. Sie waren so viel ehrlicher und ich so viel entspannter in ihrer Gegenwart. Die Atmosphäre war komplett anders als in der Modefotografie.

Welchen Eindruck hat die Erfahrung bei dir hinterlassen?
Meine Interaktionen mit den Häftlingen haben definitiv einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Sie waren ganz anders als alle, mit denen ich sonst arbeite. Es hat mir einen neuen Teil der Gesellschaft gezeigt. 2005 und 2006 arbeitete ich an zwei Extremen—dieses Projekt und Modefotografie. Das Gefängnis hat mir den Übergang zum Journalismus ermöglicht.

Die Duschen im Gefängnis Aiud

Gedicht von einem Häftling

Was ist der Sinn?

Ich teile mit euch ein Gedicht über mich
Sie kamen maskiert zu mir nach Hause
Und zerrten mich vom Esstisch

Ich saß mit meinen Kindern zusammen
Die mir nichts als Freude machten
Doch sie brachen respektlos in mein Haus ein
Und erschreckten meinen kleinen Jungen zu Tode

Sie stießen mich in einen Transporter, gnadenlos
Und sagten: Steig ein, du wirst schon sehen, was dich in Sibiu erwartet

Dort sperrten sie mich mit anderen ein
Und setzten mir zu
An einem Ort, wo die Sonne nie untergeht
Und ich isoliert bin von der Welt

Cosmin Bumbuțs Arbeit ist bis bis zum 18.11. im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie in Berlin ausgestellt.