Olexesh hat mir einen perfekten Boxerschnitt verpasst

Es läuft zur Zeit wunderbar für Olexesh. Seit der Darmstädter Rapper mit Wurzeln in der Ukraine und Weissrussland von Celo 385 entdeckt wurde, hat er sich durch konstanten Output und stetige Verbesserung in die Königsklasse des Deutschraps gespittet. Das zeigte sich spätestens im vergangenen Jahr: Mit „Masta” und „Straßencocktail” charteten gleich zwei Alben in die Top 5, außerdem rappte Olexesh auf dem Album von Deutschraps liebstem Goldrapper (Sido). Der Westcoast inspirierte Track „Löwenzahn”​ hat mittlerweile mehr als dreizehn Millionen Klicks angesammelt.

Es gibt Dinge, die so gut wie jeder über ihn weiß: Er steht bei den Frankfurtern von 385ideal unter Vertrag, ist auf einem der krassesten Xatar-Tracks​ vertreten, hat einen der unverwechselbarsten Flows im deutschen Gangsta-Rap und transportiert seine Hazeknollen​ am liebsten im Airbag. Was allerdings nur Interview-schauende Schlaumeier-Fans wissen: Olexesh ist der schnellste Sandwichmacher der Welt​ und hat ein Händchen für Haarschnitte​, weil er früher der ganzen Nachbarschaft in einem Treppenhaus in Darmstadt-Kranichstein für 5€ den Kopf rasiert hat—auch heute rasiert er noch Konzertgäste im Rahmen seiner Live-Show​.

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Der Erfolg von Olexej Kosarev (wie Olexesh mit bürgerlichem Namen heißt), wäre schon Grund genug, ihn zu interviewen. Da meine Haare aber auch ein wenig lang geworden sind und ich sie seit Jahren nur auf ein und derselben Länge habe, war der Besuch von Olexesh die perfekte Gelegenheit, mal etwas neues zu probieren und mir von ihm einen perfekten Boxerschnitt verpassen zu lassen. Und wie das beim Haareschneiden so ist, kann man sich wunderbar nebenher unterhalten. In unserem Fall über Beats, Chemtrails, sein neues Album „Makadam” und seine halbironischen Pläne, einen Friseursalon zu gründen. 

Alle Fotos: Adrian Weiss

Noisey: Dein neues Album „Makadam” ist deutlich persönlicher als deine bisherigen Releases. Hattest du das Gefühl, das konntest du vorher nicht machen, weil du dich erstmal auf der Straßenrap-Schiene etablieren wolltest?
Olexesh: Genau, erstmal die Straße richtig verkörpern und dann können wir über die nächsten Filme reden.

Du hast in einem Interview gesagt, du möchtest für Kids in Deutschland, die mit einem slawischen Hintergrund aufwachsen, eine Art Bezugsperson sein. Siehst du dich da in der Verantwortung, die „richtigen” Sachen zu vermitteln?
Ja, natürlich. Ich bin der Mittelpunkt der Bratans und Sestas [lacht] und dann muss ich denen auch sagen: „Guck Mal, ich finde das nicht in Ordnung, dass gerade Krieg ist und weil irgendwelche Politiker irgendwas sagen, bekriegen unsere Brüder sich, also Menschen. Ich bin auf jeden Fall ein großer Punkt, weil wenn ich sage „Mach dies”, „Mach das” macht das ja nicht jeder, aber viele hören drauf, weißt du? Deswegen denke ich schon, dass ich eine große Bezugsperson bin für die und deswegen passe ich meist auf, wie ich über das Thema rede. Naja, aufpassen muss ich nicht, ich weiß schon konkret die Antwort und die ist halt, dass ich beide Völker liebe und für mich gibt es da keine Trennung. Aber natürlich gibt es Rassisten und Nationalisten, die auf so eine Meinung wie meine scheißen—die lieber Krieg machen und Leute töten, weil der eine das ist und der andere das. Das ist doch behindert. Naja, schweres Thema Bruder, alles Politiker.

Du hast auch vor kurzem gesagt​, du möchtest nicht über „Teufelsscheiß” rappen. Was wäre das denn für dich?
Ja keine Ahnung so richtig. Wenn ich das jetzt verherrlichen würde, sowas. Also würde ich jetzt über Reptilien reden, das ist ja meistens eigentlich nur Späßchen, die ich auf das Thema anpasse. Aber so Verherrlichung, also dass ich an den glaube und sowas, oder dass ich ab dieser und jener Uhrzeit anders werde, oder irgendsoein Müll. Dass ich halt Mörder oder Faschisten verherrliche und sowas, das ist für mich „Teufelsscheiß”. Ich sage auch, „Adolf Hitler bleibt nur ein Hurensohn”. Er ist ja auch so eine Art Teufel gewesen, warum hat er sonst so viel Leute getötet, weißt du? Naja, generell: alles was wirklich gegen den Menschen spricht und gegen die Würde des Menschen geht, ist für mich teuflisch und nicht menschlich.

Mit Toxic hast du auch über Bucks & Bunnies gesprochen und dabei gesagt: „Ja ich nenne Frauen da Bunnies, aber ich will jetzt nicht so sexistisch sein”. Ist Sexismus für dich auch etwas, wo du vorsichtig bist?
Hmmmm, geht. Eigentlich nicht. Eigentlich war ich schon immer sehr pervers—in Texten. Damals bei Authentic Athletic [Olexeshs erstem Mixtape, Anm. d. Red.] war auch sehr viel perverses Zeug drinnen. Als ich mir letztens nochmal Sachen angehört habe, dacht ich mir, ich spinne. Was ich da gerappt habe früher, so richtig dummes Zeug und auch so kranke Sachen! Authentic Atheltic ist eigentlich ein Pornofilm. Da ist auf jeden Fall viel Dings, was gegen Frauen ist. Also das ist nicht gegen Frauen, ich sage ja nicht „Frauen sind Scheisse”, aber ich rede über ihre Fotze und was wir machen und wohin ich ihn stecke und dies und das. Sowas ist dann wiederum die Sache. Aber „Hundeblick” vom neuen Album ist ja auch sehr sexistisch, so gesehen. Da kommen auf jeden Fall ein paar Wörter vor, „die fickt mit dem”, „er macht dies, er macht das”, aber eigentlich eher nicht.​

Du redest in deinen Tracks offen über Armut, sagst du hast dich von Subway oder McDonalds in die Charts gerappt. Kannst du mittlerweile vom Rap leben?
Ja, natürlich. Ich kann mir jetzt 100 Subway-Sandwiche kaufen [lacht]. Auf jeden Fall, Geld geht. Auf jeden Fall. Deswegen mache ich auch immer weiter, weil ich ja wohin möchte. Ich möchte auf die Eins und ich will einen Stempel haben und es muss weitergehen. Es wird immer weitergehen.

Dann beantwortet sich auch die Frage „wenn nicht mit Rap….” ja eigentlich von selbst.
Ja auf jeden Fall, man muss halt arbeiten, arbeiten, arbeiten. Wenn nicht mit Rap, dann mit Rap. Anders geht’s nicht, weißt du was ich meine? Bei mir ist das so: Ich hab nur das. Ich mache auch keine anderen Sachen und kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Das ist das einzige, was ich machen möchte, mein ganzes Leben lang schon und das hat geklappt. Deswegen werde ich das auch sehr respektieren und immer schön putzen und gut behandeln. Das Ding wird immer glänzen. Die Beatwahl ist mir halt sehr wichtig und solange die Beats da sind, kannst du unendlich arbeiten, Mann. Denn deine Einfälle sind immer da. Du hörst einen geilen Beat und denkst dir, „wenn der mir gehört, dann mache ich das beste daraus” und wenn davon auch noch zehn Stück kommen, dann kann es ja nur gut laufen, weißt du was ich meine? Das ist echt top.

Würdest du sagen, deine Zeit im Rap-Business hat dich zu einem glücklicheren Menschen gemacht?
Ja, auf jeden Fall glücklicher als vorher! Damals war ich ja immer so ein bisschen trauriger wegen Geld und Arbeit und so, aber ja total. Zu einem fröhlichen Menschen auch und zu einem großzügigen Menschen auch.

Du hattest eben schon das Thema Reptilien-Rap angesprochen. Ich habe mir das „Frag Siggi”​-Ding neulich mal angeguckt [Olexesh wirft dort unter anderem die Frage auf, ob Obamas Sicherheitsbeamte mit Reptilien gekreuzt wurden, Anm. d. Red.] und wollte fragen: was war so die Resonanz auf deinen Auftritt?
Also es war schon lustig. Es gibt natürlich immer so zwei, drei Leute, die sagen „das ist Unfug”, aber es gibt auch ein paar Leute, die sagen „stimmt was dran, ich unterstütz den.” Obama Security wird auf jeden Fall entdeckt, die Leute googlen das dann. Ich wette der Typ hat voll viele Klicks bekommen deswegen. Im Großen und Ganzen war die Resonanz voll chillig, das war mehr lustig als Verspottung.

Ich finde das schon spannend, weil es ja momentan viele Rapper gibt, die sich mit diesen Themen beschäftigen und auch auf „Makadam” erwähnst du ja Chem-Trails.
Jaaaa, aber nur einmal so. Das kommt nur kurz vor. Aber das mit den Chemtrails stimmt ja, das gibt’s ja wirklich. Wenn mir jetzt einer sagt, dass es die nicht gibt, ist der wirklich dumm. Die gibt es ja in echt. Weißt du was das ist?

Also ich kenne die Theorie, aber ich sag dir ganz ehrlich: Ich glaube da jetzt auch nicht wirklich dran.
Das Ding ist ja: ganz normale Flugzeugstreifen mit Kerosin erkennst du ja. Das kann man ja unterscheiden, man muss dafür auch kein Physiker sein oder sowas. Das ist einfach eine ganz simple Sache: Chemiker und Leute, die die Welt beherrschen, die vernichten natürlich… es gibt ja Leben und Tod, Geben und Nehmen… Menschen sollen gehen und Menschen sollen kommen. Ein Teil soll zerstört bleiben, ein Teil soll bleiben. Und deswegen fliegt dieses Flugzeug immer wieder rüber und es wird Quecksilber in minimalen Mengen ausgeschüttet, weißt du? Und viele Menschen sterben auch an Krebs und an irgendwelchen Sachen, aber das passiert erst nach zehn Jahren, nach fünf Jahren. Aber alle fragen sich warum und so, denken sie sind krank und so. Nein das ist, weil man ein bisschen vergiftet ist. Ein bisschen davon, ein bisschen davon und dann auch noch diese schlechte Luft … so läuft das ab, Bruder. Aber ja, [grinst] da gibt es eine hohe Macht, die sitzt ganz oben und die wird am Ende alles ficken. Nein Spaß, wie gesagt, es gibt diese Flugzeuge, schau es dir einfach Mal an.

Jaaa, mal sehen. Du bist ja momentan nicht der einzige Rapper​, der auf solche Sachen hinweist. Würdest du sagen, es gibt so eine neue Generation an „aufgeklärten” Rappern?
Also das mit den Chemtrails, das gibt es ja wirklich. Also über die Reptilien und den ganzen Kram, da kann man sich ja noch streiten. So. Aber ich finds gut, dass es da jetzt Leute gibt, die auch mal was dazu sagen, sodass man halt auch nicht alleine dumm dasteht.

Wirst du da öfters drauf angesprochen auf diese Aussagen?
Bei Interviews meistens, ja. Aber auf der Straße eher weniger. Glaub mir da ist was Bruder, das ist nicht nur schlafen, kacken, feiern, Geld verdienen, Auto fahren, es gibt auch andere Sachen. Es sind halt die Sachen im Hintergrund, aber ja. Da muss man sich selber für interessieren und wissen, wie weit man geht damit. Wenn ich mich jetzt jeden Tag damit befasse, würde ich bestimmt auch nur noch drüber rappen in jedem Lied. Aber das ist ja auch blöd, weißt du? Deswegen: so ein bisschen Wissen davon reicht, aber auch nicht zu viel. Das ist immer gut. Du weißt ja: Weniger ist mehr.

Hast du manchmal Angst davor, dass du in deinem Rap zu sehr von diesem Thema „predigst”?
Das ist das, was ich nie gemacht hab. Das ist mir zu viel, das würde ich nie machen. Die ganze Zeit nur darüber reden und im Refrain noch „Ufos, Ufos, Ufos, Ufos, Ufos” [allgemeines Gelächter]. Man kann darüber ein bisschen streiten, aber ganze Tracks draus machen ist nicht so mein Ding. Ich bin nicht so tief in dieser teuflischen Materie.

180° Wendung: Du hast ja in Interviews erzählt, du hast früher Haare für Geld geschnitten. Rasierst du mir gleich für ‘nen 5er einen Boxer?
Nur wenn du wirklich fünf Euro hast [lacht].

Ich hab extra mein Sparschwein geköpft! Erzähl mal von damals, als du im Treppenhaus Haare geschnitten hast. Was ist die lustigste Geschichte, die dir damals passiert ist?
Einmal ist die Maschine ausgegangen bei der Hälfte von ‘nem türkischen Kollegen, kleiner Junge. Der ist dann nach Hause und hat richtig mies auf die Ohren bekommen von seinem Vater, so „wie siehst du denn aus, Alter? Was ist passiert?”. Nur die Hälfte geschnitten so. Und er meinte halt „Akku leer”, aber hat trotzdem miese Ohrfeigen bekommen. Oder einmal kam meine Mutter in unseren Schuppen und da liegen total viele Haare auf dem Boden. Sie meint „Olex, von wem ist das?” Ich so „Ja, ist von ein paar Jungs, ich hab denen Haare geschnitten.” „Mit welcher Maschine?” „Mit unserer.” Sie sagt „Wieeee mit unserer Maschine? Hast du jetzt dem ganzen Barrio die Haare geschnitten?” Ich musste dann ‘ne neue Maschine kaufen und dann musste ich diese ganzen Haare zusammenkehren. Willst du wirklich Boxer? Ich kann dir auch Klosterschnitt machen [lacht]. Klosterschnitt alter. Ist eigentlich ein geiles Wort, kann man neu in die Texte reinsetzen. Klosterboxer.

Ja, jeder weiß was gemeint ist.
Isso! Du hast Glück Bruder, weil wenn ich das bei Konzerten mache, habe ich keine Zeit für den Übergang. Bei dir gibt’s perfekten Übergang.

Geil! Ich hatte noch nie ‘nen richtigen Boxer, immer nur auf eine Länge, weil meine Kumpels zu faul waren für den Übergang.
Du hast ein bisschen trockene Haut, so Schuppen-mäßig. Reib mal deine Seiten mit Wasser ein, das muss sein. „Klosterschule”, so soll mein Friseursalon heißen. Was sagst du dazu?

Mach mal. Sido und 187 Straßenbande haben ja Tattoo-Studios, aber Friseur macht noch keiner. Was macht einen guten Haarschnitt aus? [fragt Social-Media-Guru und Fotograf Adrian Bianco​]
Dass die Seiten eingerieben sind mit Wasser. Und auch die Augenhöhe auf der du arbeitest. Du musst auch gutes Dings haben, grafisches Denken. Du musst Linien machen und nicht jeder Kopf ist gerade. Du hast als Kind auf der einen Seite geschlafen, dann ist dein Kopf da dicker als auf der anderen. Das gibt’s ja. Du musst gucken wie der Kopf aufgebaut ist, sonst machst du schief und mies. Digger nice, wir müssen Video drehen zusammen.


[Ein Kumpel bringt Olexesh einen nach royaler Mische riechenden Joint vorbei.]

Ist auf jeden Fall ‘ne wirklich gute Idee für ein Video
Natürlich Brudi, auch wenn so ein Bratan wie du kommt, weißt du was ich meine? Auf der Tour kommen auch oft Leute vorbei, richtig lächerlich alter. Leute die das gar nicht wollten, weißt du wie ich meine? Jetzt kommt der Übergang, der ist der schwierigste Teil an der ganzen Sache, weil das ist wirklich haargenaue Arbeit.

Soll ich mein Ohr halten?
Nee nee, da bin ich schon fertig. Die Ohren gar nicht anfassen, das hab ich im Treppenhaus gelernt.