Ein künstliches Ohr aus dem 3D-Drucker. Bildrechte: Wake Forest University
Im Organ Store in Brave New World stehen Organe zum Verkauf für jeden, der es sich leisten kann. Anders als in dem dystopischen Roman von Aldous Huxley sind wir vielleicht bald gar nicht mehr auf die Entnahme von Organen aus anonymen wertlosen Personen angewiesen. Dank den Fortschritten bei den 3D-Druckverfahren könnten wir bald vielmehr in einer Welt leben, in der jeder seine biologischen Ersatzteile und künstlichen Organe selbst herstellt.
Theoretisch kannst du dir heute schon nahezu umsonst einen Bioprinter basteln – allerdings produzieren diese Geräten nur flache Strukturen, die letztlich nicht viel mehr sind als gedruckte Bakterien auf Papier.
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Etwas erfolgsversprechender ist da der 3D NovoGen MMX – der seit drei Jahren erhältliche erste kommerzielle 3D-Biodrucker auf dem Markt. Der genaue Preis für den Drucker, der bislang vor allem Gewebe und Gefäße drucken kann, wird aber nicht verraten. Schätzungen sprechen vage von mehreren hunderttausend Dollar. Nicht gerade für Jedermann, sondern eher für Pharmaunternehmen wie Pfizer und Forschungseliten wie der Harvard Medical School, mit denen der Hersteller Organovo kooperiert.
Um herauszufinden, wie weit wir von der Produktion künstlicher Organe im Wohnzimmer wirklich entfernt sind, habe ich mir die Preise und den Stand der Forschung für die Herstellung unterschiedlicher menschlicher Ersatzteile einmal etwas genauer angesehen angesehen.
Haut
Flache Strukturen, wie die menschliche Haut, sind durch 3D-Druck am einfachsten herzustellen. Im Labor wurde der erfolgreiche Druck auf künstliche Haut bereits durchgeführt.
Die Firma TeVido wiederum hat sich auf das Drucken von Brustgewebe für Frauen nach einer Brustkrebs-Operation spezialisiert. In ersten Tests gelang zumindest die Reproduktion des lebendigen Gewebes. Bis zum erfolgreichen Versuch an Menschen oder gar der Marktreife werden aber noch mindestens sieben Jahre Arbeit und schlappe 40 Millionen Dollar an Kosten alleine für Tests veranschlagt
Zähne und Knochen
Besonders bei Zahnersatz hat sich der 3D-Druck schon als Geschäftsmodell durchgesetzt. Allerdings ahnt wohl jeder, der seine Zähne einmal mit Kunststoff-Keramik füllte, dass das Ganze ein teures Vergnügen sein dürfte.
Für ungefähr 100.000 Dollar kann ein Zahnarzt, die von der Firma Sirona hergestellten Geräte zum Drucken von Zahnkronen erwerben. Mit dem Cerec, lässt sich in fünfzehn Minuten dein Zahnersatz produzieren. Klar, jeder Zahnarzt, der die Maschine bei sich stehen hat, wird versuchen sie dir schmackhaft zu machen, auch wenn es die teurere Version ist, um an deinen neuen Zahnersatz zu kommen. Teurer auf jeden Fall als die in Hong Kong in mehreren Wochen angefertigten Modelle.
Die Geräte zur Reproduktion von echtem Zähnen sind noch teurer. Ebenso wie gedruckte Knochenteile, die schon implantiert werden, sind die Maschinen dafür teuer, sie kosten meist bis zu 500.000 Euro; und so war die Technische Universität Wien kürzlich ganz stolz als sie ihren Drucker für nur 200.000 Euro selbstbaute – ein echtes Schnäppchen.
Ohren
Bionic Ear Credit: Princeton University
Haut oder Zähne sind nur der Anfang, denn Biodrucker produzieren auch ganze Organe, ob nun per Laser oder Tintenstrahl.
Die Wake Forest Universität ist führend auf dem Feld, und schafft es in nur fünf bis acht Minuten eine Ohrmuschel zu drucken. Der Drucker dafür hat 500.000 Dollar gekostet.
Etwas langsamer, einen Tag, braucht der Druck eines Ohrs, nach dem Verfahren, welches an der Cornell Universität angewendet wird. Gefüllt wird eine gedruckte Form mit von Rattenschwänzen abgeleiteten Kollagen und Zellen von Kuhohren. Nach einer viertel Stunde kann das Ohr entnommen werden und nach einigen Tagen wird es implantiert. Bislang funktionieren die Organe – allerdings nur an Ratten getestet.
Aber warum diese Bescheidenheit? Superpower-Ohren wurden so an der Princeton Universität von Michael McAlpine mit 3D Druck erstellt. Sie überspringen die Zwischenschaltung in unserem Ohr und erlauben uns zu hören wie Delphine oder Fledermäuse. Während in gewöhnlichen Ohren kleine Härchen akustische in elektrische Signale umwandeln, die dann vom Gehirn entschlüsselt werden, erlauben seine synthetischen Ohren ohne lästiger Zwischenschaltung zu hören.
Hohlorgane
Jenseits all dieser Projekte ist der Biodruck von ganzen Organen die größte Herausforderung.
Hohlorgane wie Magen und Harnblase gelten als realistischer, während Niere, Leber und Herz wenig überraschenderweise noch in weiter Ferne liegen. Dabei ist ein Markt für Investitionen garantiert vorhanden, denn selbst gewöhnliche Herztransplantationen kosten hunderttausende Euro und die Wartelisten werden immer länger. In Deutschland warten beispielsweise insgesamt 11.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan.
Eine Nieren-Struktur im 3D-Drucker. Bildrechte: Wake Forest University
Im Falle von Nieren sind es dreimal so viele Patienten, wie es mögliche Nieren gibt. Die einen haben Glück, die anderen Geld, und viele werden von der Liste genommen oder sterben bevor sie ein Ersatzorgan erhalten. Doch kürzlich wurden an der Huazhong University of Science and Technology Mini-Nieren mit über 90% lebendigen Zellen gedruckt, die für eine längere Zeit überleben konnten.
Allerdings sollte sich hier nun wirklich niemand Hoffnung auf eine baldige Chance für Bioprinting für jedermann machen, denn auf diesem Sektor, konnte ich noch nicht einmal vage Summen für die Forschung in Erfahrung bringen.
Der ganze Körper
Selbst wenn das Drucken von Organen, die von Menschen genutzt werden können, nicht die nahe Zukunft ist, läuft die Pionierarbeit auf Hochtouren. Vor knapp einem Monat startete ein Projekt, bei dem alle Organe als Miniaturen gedruckt werden. 24 Millionen Dollar lässt sich das US Verteidigungsministerium dieses Projekt Body on a Chip von der Wake Forest Universität kosten.
Menschliche Zellen sollen repliziert werden und die Funktionen von Herz, Leber und Blutgefäßen übernehmen. Die Miniaturorgane werden dann auf Mikrochips platziert und an ihnen können dann Behandlungen und Vergiftungen getestet werden. Der Drucker dafür ist eine hausinterne Spezialanfertigung, und die Universität schätzt, dass sie allein dafür weit über eine halbe Millionen Dollar ausgegeben hat.
Hyun-Wook Kang, Ph.D., überwacht den 3D-Drucker, der die Mini-Organe für das Body on a Chip Projekt herstellt. Bildrechte: Wake Forest University
Fazit
Noch ist es unmöglich abzuschätzen, wie sich die Kosten entwickeln werden, und es ist auch nicht klar, wann und ob Bioprinting die Labore verlassen wird.
Während die Optimisten das Bioprinting mit dem Human Genome Projekt vergleichen, gibt es auch heute schon einige ambitionierte Amateur-3D-Drucker, die sich mit kleinen Projekten einklinken. Ein schönes Beispiel: Richard Van As druckte sich eine Prothese, um seine Finger zu ersetzen. Open Source soll auch hier der Spirit des DIY der 3D Drucker weitergegeben werden.
Richard Van As: Robohand
Falls du dich also gerne selbst zum Superhelden machen willst, Leben retten oder Medikamente testen wolltest, musst du wohl noch lange warten, außer du schaffst es in Eigenregie die Pioniere der Eliteforschung auszubooten.
Vielleicht ist es auch einmal mehr so, dass South Park die realistischen Aussichten für die Zukunft liefert. In einer Folge mit dem seit über zwanzig Jahren mit HIV überlebenden Magic Johnson, bringen Kyle und Cartman ein paar Forscher auf die Lösung für HIV und weisen gewohnt fatalistisch auf eine mögliche Zukunft der Zukunft hin.
Das Heilmittel für tödliche Krankheiten ist für sie ganz einfach, wenn auch lange nicht für Jedermann: Geld. Große Mengen Dollar führen umgewandelt in ein konzentriertes und injiziertes Serum tatsächlich zur Gesundung.