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Der Mann, der in Auschwitz um sein Leben boxte

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Am 27. Januar 2020 ist der 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee. Von 1940 bis 1945 ermordeten die Nazis in dem Konzentrationslager mindestens 1,1 Millionen Menschen, etwa eine Million davon waren Juden. Einer der ersten Gefangenen des Lagers war der 23 Jahre alte Pole Tadeusz “Teddy” Pietrzykowski. Vor dem Krieg war Teddy ein erfolgreicher Boxer im Bantamgewicht. Er war polnischer Vizemeister und Meister von Warschau. Während seiner Haft wurde er von den Nazis regelmäßig zu Kämpfen gegen seine Mithäftlinge gezwungen.

Dr. Karol Nawrocki ist Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Er war früher selbst Boxer. Wir haben mit Dr. Nawrocki über Teddys Leben und die Brutalität der Boxkämpfe in den Konzentrationslagern gesprochen.

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VICE: Wann hat Teddy mit dem Boxen angefangen?
Dr. Karol Nawrocki: Als Teenager. Damals war sein Lieblingssport aber eigentlich Fußball. Seine Trainingsnotizen existieren noch. An ihnen lässt sich nachverfolgen, wie er Taktiken und Techniken entwickelte. Sein Trainer war Feliks Stamm, der insgesamt zwei Generationen Boxer trainiert hat. Vor dem Zweiten Weltkrieg und danach.

Dann kam der Krieg.
Genau. Am 8. September 1939 verteidigte Pietrzykowski seine Heimatstadt Warschau. Er war bei der leichten Artillerie. Eigentlich kann man sagen, dass er nicht nur für sein Land kämpfte, sondern für sein Zuhause, seine Straße, seine Verwandten und alle, die er kannte.

Nach der Kapitulation der polnischen Armee musste er fliehen. An der ungarisch-jugoslawischen Grenze wurde er von den Deutschen festgenommen. Da war er 23 Jahre alt. Nachdem er von einem Gefängnis ins nächste verlegt worden war, kam er schließlich als Teil der ersten Massendeportation nach Auschwitz. Seine Häftlingsnummer war 77.

Ein altes Schwarzweißfoto von Tadeusz
Tadeusz “Teddy” Pietrzykowski | Foto aus dem Familienarchiv mit freundlicher Genehmigung von Eleonora Szafran/MNIŚW

Wie ist es zu seinem ersten Boxkampf in Auschwitz gekommen?
Er hat nicht sofort mit dem Boxen angefangen. Zuerst wurde er in die Tischlerei eingeteilt. Seine gute körperliche Verfassung half ihm dabei, die harte Arbeit zu überleben. Seinen ersten Boxkampf hatte er im März 1941 gegen Walter Dünning – ein deutscher Gefangener, der vor dem Krieg deutscher Vizemeister im Mittelgewicht war.

Dünnings Mithäftlinge hatten ihn zu dem Kampf angestachelt. Der Deutsche wog 70 Kilo, Pietrzykowski 40. Sie kämpften in ihren Arbeitshandschuhen. Als Dünning merkte, dass er verlor, stoppte er den Kampf. Den Brotlaib und die Margarine, die Pietrzykowski für den Sieg bekam, teilte er mit den anderen Insassen.

Teddys Tagebuch mit Erinnerungen und Zeitungsausschnitten und sein Boxhandschuh
Teddys Tagebuch, Zeitungsausschnitte und sein Boxhandschuh | Foto: Paweł Mączewski mit freundlicher Genehmigung von Eleonora Szafran

Wie viele Boxkämpfe hat Pietrzykowski in Auschwitz bestritten?
Wir wissen von 40 bis 60 Kämpfen. Er hat nur einen davon verloren – gegen einen niederländischen Juden, Leu Sanders. Ihn besiegte Pietrzykowski am Ende allerdings noch in einem Rematch. Aber auch wenn uns die Geschichte der Boxkämpfe in den Konzentrationslagern fasziniert, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Kämpfe vor allem die Barbarei der Menschen verdeutlicht, die diese Camps gebaut und geführt haben.

Teddy musste für Essensreste gegen seine Mitinsassen kämpfen, oft seine eigenen Landsleute. Es war seine Chance zu überleben. Ich kann mir vorstellen, dass diese Kämpfe einen Funken Hoffnung an diesen Ort brachten, der ohne jede Hoffnung war. Ein Pole, der einen Deutschen in einem Konzentrationslager zusammenschlägt – inmitten dieses unvorstellbaren Horrors.

In seinen Memoiren schreibt Teddy, dass er Teil der Widerstandsbewegung von Auschwitz wurde.
Ja, er kollaborierte mit dem Offizier Witold Pilecki, der sich unter falschem Namen als Gefangener in das Lager hatte einliefern lassen, um Beweise über die Naziverbrechen zu sammeln und einen Widerstand zu organisieren. In seinen Berichten erinnert sich Pilecki an Pietrzykowski als Boxer, der sein gewonnenes Essen mit anderen Mitgliedern des Widerstands teilte.

Ein altes Foto von Tadeuzs
Tadeuzs “Teddy” Pietrzykowski (rechts) trainiert junge Boxer | Photo: Paweł Mączewski mit freundlicher Genehmigung von Eleonora Szafran

Auschwitz war auch nicht das einzige Konzentrationslager, in dem Pietrzykowski geboxt hat, oder?
Genau. Am 14. März 1943 wurde er in das Lager Neuengamme bei Hamburg verlegt. Dort bestritt er etwa 20 Kämpfe. Dann wurde er nach Bergen-Belsen verlegt, wo britische Soldaten ihn schließlich befreiten.

Was machte Teddy nach seiner Befreiung?
Er schloss sich der 1. polnischen Panzerdivision unter General Maczek als Sporttrainer an. Dann kehrte er nach Polen zurück und wurde Sportlehrer in Bielitz-Biala. Nach dem Krieg verfolgte er seine Boxerkarriere nicht weiter und konzentrierte sich mehr auf seine Arbeit als Trainer. In einer der Sporthallen, in denen er arbeitete, schrieb er einen Spruch für seine Schüler an die Wand: “Zu sein, heißt der Beste zu sein.”

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