Früher hatte man es noch leicht als Tabaklobbyist. Da musste man Politikerinnen und Politikern nur erzählen, dass Rauchen gesund sei. Manche glaubten das sogar. Doch inzwischen ist das anders. Inzwischen muss die Tabakindustrie darauf hinweisen, dass ihre Produkte tödlich sein können und gleichzeitig behaupten: Tabak und Nikotin, das sei verdammt cooles Zeug für selbstbestimmte Konsumierende. Ja, du bringst dich damit langsam um, aber hey – es ist deine Entscheidung!
Und nichts symbolisiert diese groteske Erzählung so sehr wie die durchdesignten Nikotinverdampfer, die längst auch deutschen Rauchern die Mission der E-Zigaretten-Branche – und damit der Tabakindustrie – vermitteln sollen: Make smoking great again.
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Die Sticks der Marke “Juul” sind die in den USA am weitesten verbreiteten Nikotinverdampfer. 3,6 Millionen Teenager vapen in den USA, der Firma JUUL Labs beherrscht 70 Prozent des gesamten E-Zigaretten-Marktes. Es gibt Berichte von Aussteigern, die davon erzählen, wie sie ihre Juul-Sucht überwunden haben. Und VICE hat kanadische Teenager begleitet, die so verrückt nach den in Kanada verbotenen Juul-Sticks sind, dass sie sie aus den USA eingeschmuggelt haben. Jetzt könnte die Juul-Welle auch Deutschland erreichen.
Die E-Zigaretten mit Liquids in verschiedenen Geschmacksrichtungen lassen sich nicht nur per USB laden, sondern sehen auch aus wie ein verlängerter Speicherstick. Die Juul-Verdampfer sind eine Erfindung von Pax Labs, einem Unternehmen, das vor allem bei Cannabis-Konsumenten für seinen Verdampfer im iPod-Nano-Design bekannt ist. Das Produkt hat wesentlich dazu beigetragen, Kiffen aus der Schmuddelecke zu holen. Und jetzt deklariert Juul seine E-Zigarette auch noch als familienfreundlich: Juul – der neue Weg, um mit dem Tabak-Rauchen aufzuhören.
Manchen erwachsenen Nikotinabhängigen gelinge das sogar, schreibt die New York Times. Auf der anderen Seite stünden Teengager, die noch nie geraucht haben und für die Juul-Verdamper die Einstiegsdroge in die Nikotin-Sucht seien.
In den USA wird Juul dafür kritisiert, dass es sich in seiner Werbung vor allem an Teenager richte. Deshalb griff das Unternehmen zu außergewöhnlichen Maßnahmen: Im Oktober berichtete BuzzFeed News, dass Juul mehreren Schulen Stipendien in Höhe von bis zu 20.000 Dollar angeboten habe, damit diese Aufklärungskurse über E-Zigaretten bei sich anbieten. Für die Durchführung der Kurse habe Juul auch gleich noch seine eigenen Berater zur Verfügung gestellt. Was für ein freundliches Angebot!
Vaping: Hersteller warnt vor eigenem Produkt
Seit Kurzem gibt es die Verdampfer auch in Deutschland und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, warnt bereits vor ihnen. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte sie, eine Entwicklung wie in den USA unbedingt verhindern zu wollen. “Wir müssen uns genau anschauen, ob die aktuelle Obergrenze beim Nikotin so in Ordnung ist”, sagte sie der Zeitung. In der EU sind bis zu 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter erlaubt. In den USA sind es fast dreimal so viel.
Es scheint, als würde das mit 15 Milliarden US-Dollar bewertete Unternehmen in Deutschland gar nicht erst den Verdacht erwecken wollen, dass sie es auf Teenager abgesehen hätten: “Juul hat, wie Zigaretten, nichts in den Händen von Kindern und Jugendlichen zu suchen, weil beides Nikotin enthält, ein Stoff, der sehr stark abhängig macht”, sagte ein Sprecher gegenüber der F.A.S. – das Produkt dürfe nur an Volljährige verkauft werden. Erwachsene, so könnte man den Satz in Gedanken fortsetzen, können sich schließlich selbst für oder gegen E-Zigaretten entscheiden – ganz selbstbestimmt und frei.
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