Lasst endlich diese „Heirate mich“-Rufe auf Konzerten sein!

Auf guten Konzerten herrscht eine besondere Magie zwischen Musikern und Publikum. Sie spielen die Songs, die jeder der von unten nach oben Starrenden lieben, mitsingen und betanzen muss. Alle fühlen, dass in diesem Moment kein Falsch, sondern nur ein Richtig, kein Heiß, nur ein Egal und kein Leise, nur ein Laut existiert. Jedenfalls so lange, bis der Song vorbei ist, ausgelassen geklatscht wird und dann unvermeidliche Stille eintritt. Die Gitarren müssen mal eben gestimmt und der Kehlkopf benetzt werden. Aus der ungeduldig brabbelnden Masse der Zuschauer gibt es dann immer den Einen, der sich dazu berufen fühlt, der Band irgendwas laut zuzurufen. Entweder fordert er seinen Lieblingssong, dass die Band endlich weiterspielen soll oder macht irgendwelchen grenzdebilen Insider-Witze zur Belustigung seiner Saufkumpanen und zum Hass aller anderen Anwesenden.

Steht am Mikro der auftretenden Band allerdings eine attraktive Frau, ist die Wahrscheinlichkeit beängstigend hoch, dass dieser Typ etwas vermeintlich Romantischeres krakeelt: „Heirate mich!“ Ein paar Lacher, ein Gröhler, aber viele erwartungsvolle Gesichter sind sein Applaus. Was die Sängerin in die missliche Lage bringt, irgendwie darauf reagieren zu müssen. Einen Songwunsch kannst du beflissen ignorieren, bescheuerte Witze weglächeln, aber so etwas?

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Hollywood sei dank sind diese Worte so sehr mit überlebensgroßen Erwartungen verbunden, dass es zum in die Knie gehen ist. Heutzutage scheint es nicht zu reichen, schick Essen zu gehen und einen Blutdiamanten-Ring im Sekt zu versenken, nein, heute musst du nach einem 10.000 Meter Fallschirm-Sprung vor der angebeteten Person landen und leicht trottelig, aber immer Hundewelpen-süß einen 10-minütigen Ryan Reynolds-Monolog halten, bei dem alle anwesenden Passanten vor Rührung in Tränen ausbrechen und ihre Nächsten anrufen, um ihnen zu sagen, dass sie sie lieben.

Lauren von Chvrches scheint für solche Romantik nicht viel übrig zu haben—jedenfalls nicht während eines Auftritts. Als ihr einer aus dem Publikum „Heirate mich!“ zuruft, entgegnet sie leicht genervt, aber augenzwinkernd: „Komm schon, denkst du wirklich, dass das klappt? Fremde Frauen in der Öffentlichkeit ansprechen und so etwas fragen? Lief das bei dir bisher gut?“ Sie entscheidet sich dagegen, nachsichtig zu grinsen, das Ganze mit einem bestätigendem Witzchen abzutun oder gänzlich zu ignorieren. Das Publikum lacht, das Internet meckert. Da Lauren bekannt dafür ist, offen mit ihren feministischen Ansichten umzugehen, wird ihr seit der harmlosen und eigentlich Gender-unabhängigen Aktion wieder der alte „Feminazi“-Ring aufgesetzt. Sie solle sich nicht so haben, so sei das eben, wenn man in der Öffentlichkeit steht, das wäre kein Grund so unhöflich zu sein und überhaupt nerve ihre feministische Art.

Diese „Kritik“ kann Lauren aber getrost ignorieren. Nur weil jemand in der Öffentlichkeit steht, muss er sich noch lange nicht jeden Scheiß gefallen lassen—jede Provokation erzwingt eine Reaktion, die sich im Zweifelsfalle gegen den Provokateur richtet. Dass es jemals wieder jemand wagen wird, sie derart zu bedrängen, ist unwahrscheinlich. Und genau deswegen dürfen es ihr alle Musiker, die sich mit solchen vermeintlich „süßen“ Liebesbeweisen konfrontiert sehen, danken. Und jedem, der denkt, es sei schmeichelnd, so etwas denen da auf der Bühne zuzurufen, wird es ein lehrender Tritt in die Eier sein. Oder wie es Lauren ausdrückt: „Wenn es dir niemand sagt, wirst du es nie lernen.“

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