Drückende Bässe, Lichtblitze und ein einladendes Gewimmel aus schweißnassen Körpern: Das haben wir jetzt seit fast einem Jahr nicht mehr erlebt. Auch die Open Airs im Sommer konnten die Clubs nicht ersetzen – mit Masken, Abstand und allzu häufig einer bescheidenen Soundanlage. Einige Leute wollen sich damit aber nicht abfinden und scheißen auf die Regeln.
Um selbst während einer Pandemie nicht auf eine geile Party verzichten zu müssen, nehmen sie hohe Bußgelder, Ansteckungen und damit den möglichen Tod von Menschen in Kauf. Manche sind sogar so weit gegangen, dass sie sich ihren eigenen kleinen Privatclub gebaut haben – wie zum Beispiel Jan, Piet und Korneel. Die drei Belgier, die eigentlich anders heißen, haben sich während des Lockdowns schallsichere Rave-Caves komplett mit Lichtanlagen und Soundsystemen eingerichtet, in denen sie regelmäßig illegale Partys veranstalten. Belgien ist eins der Länder mit der höchsten Corona-Todesrate, offiziell ist nur der Kontakt mit einer Person erlaubt. Wir haben Fragen.
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Jan, 34, veranstaltet Partys in seinem 30-Quadratmeter-Keller in Ostflandern
Ich parke mein Auto vor einem freistehenden Haus in einer Wohngegend. Von außen deutet nichts darauf hin, dass sich hier im Keller ein schallisolierter Partyraum befindet. Jan sagt, er veranstalte illegale Partys, um Dampf abzulassen und “nicht verrückt zu werden”.
VICE: Wann bist du auf die Idee gekommen, dir einen Club zu Hause einzurichten?
Jan: Meine Freunde und ich haben vor der Pandemie schon in meinem Keller gefeiert, aber nur so drei- oder viermal im Jahr. Nach dem Corona-Ausbruch wurde es dann wesentlich mehr. Wir fingen an, immer häufiger Raves zu veranstalten.
Hältst du es wirklich nicht ohne Partys aus?
Ich glaube nicht, meine Freunde auch nicht. Wir müssen feiern, um bei Laune zu bleiben. Der erste Lockdown hat vielen Freundinnen und Freunden psychisch schwer zugesetzt, insbesondere denen, die single waren oder alleine gelebt haben. Deswegen nehme ich das Risiko auf mich.
Hast du nicht Angst, erwischt zu werden?
Ich versuche, vorsichtig zu sein. Niemand parkt sein Auto vor meinem Haus und die Gäste kommen zu versetzten Zeiten an. Es ist nicht so, als hätte ich jedes Wochenende massenweise Leute hier – nur die, denen ich vertraue. Ich habe gemerkt, dass man keine große Gruppe braucht, um Spaß zu haben.
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Wie hast du den Keller gebaut?
Menschengruppen sind ein wunderbarer Schalldämpfer und der Keller befindet sich komplett unter der Erde. Ich muss also entsprechend wenig extra tun. Ich habe eine schalldichte Lüftung mit Blei installiert. Der Keller wäre jetzt wahrscheinlich sogar strahlensicher, wenn ich noch Aktivkohlefilter in die Lüftung einsetzen würde.
Wie sieht die Deko aus?
Mein Keller hatte vorher schon eine recht düstere Atmosphäre. Ich musste also nicht viel machen, außer ein paar Kühlschränke und ein semi-professionelles Soundsystem reinzustellen. Ich habe dann noch ein paar Scheinwerfer für das Clubgefühl installiert und eine Lampe, die angeht, wenn jemand an der Haustür klingelt. Insgesamt habe ich etwa 500 Euro ausgegeben.
Piet, 39, organisiert Raves in seinem Gartenhäuschen in Flämisch-Brabant
Ich parke unweit einer vielbefahrenen Straße in Flämisch-Brabant. Hier treffe ich Piet, Vater von zwei Kindern. In seinem Garten steht ein Häuschen, das er zu einem Lockdown-Club umgebaut hat. Als ich bei ihm ankomme, neigt sich eine seiner DIY-Partys gerade dem Ende zu.
VICE: Wie lange benutzt du das Häuschen schon als Club?
Piet: Ich habe die Lautsprecher, Mixer und CDJs vor einem Jahr gekauft, weil ich mit einem Kumpel Musik machen wollte. Im März habe ich dann mein ganzes Equipment in die Hütte gepackt und ein paar Lichter installiert. Seitdem haben wir sechs oder sieben Sessions hier veranstaltet.
Wie viele Leute lädst du ein?
In der Regel so zwölf oder vierzehn. Es würden mehr reinpassen, der Raum ist immerhin 56 Quadratmeter groß, aber ich lade nur meine besten Freunde ein. Die kommen über den Tag verteilt hier an, damit wir zusammen abhängen und essen können. Das geht dann in eine Party über.
Warum hältst du dich nicht einfach an die Lockdown-Regeln?
Feiern ist ein Ventil für mich, ohne das ich nicht leben kann. Ohne diese Veranstaltungen mit Menschen bin ich nur gestresst und überarbeitet – und werde ziemlich nervig.
Hast du keine Angst, erwischt zu werden?
Nicht wirklich. Sobald die Musik beginnt, gehen die Türen zu. Die Wände sind gut isoliert. Die Fenster sind abgedeckt, von außen kann man nichts sehen.
Korneel, 35, hat sich in Antwerpen einen geheimen Dancefloor gebaut
Am Ende einer schmalen Straße im Industriegebiet von Antwerpen befindet sich ein Haus, hinter dem etwas versteckt eine Halle steht. Es ist die Werkstatt von Korneel. Hinter einer falschen Wand hat er sich einen Clubraum gebaut.
VICE: Wie hast du es geschafft, deinen Club schalldicht zu machen?
Korneel: Die Wände des Raums bestehen aus einem doppelten Holzrahmen. Ich habe zwischen die Sperrholzplatten zur Isolation zwei Schichten Steinwolle eingesetzt und zwischen den Schichten noch etwas Platz gelassen, um die Schallübertragung zu minimieren. Das funktioniert ziemlich gut. Von draußen hört man nur ganz leicht den Bass. Beim ersten Test war die Akustik noch etwas schrill, also habe ich an die Wände und Decken Schallschutzmatten geklebt.
Wie lange hast du da dran gearbeitet und wie viel hat es dich gekostet?
Insgesamt habe ich etwa fünf Tage daran gearbeitet und insgesamt etwa 3.000 Euro ausgegeben.
Was gefällt dir an deinem Club am meisten?
Er hat keine Fenster. Deswegen kannst du hier zu jeder Uhrzeit feiern. Man hat auch sofort gespürt, wie sehr es alle vermisst hatten zu tanzen – und wie nötig eine gute Party ist.
Wie entscheidest du, wen du einlädst?
Es ist nicht leicht, wenn du nicht alle deine Freunde zu einer Party einladen kannst, aber ich versuche, vorsichtig zu sein. Es ist verrückt, wie normal es geworden ist, dass Nachbarn sich verpetzen. Ich befürchte, dass es noch lange dauern wird, bis ich legal große Menschengruppen einladen kann.