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Rücksichtsloser Gamer verbaut sich Karriere durch dreisten Cheat

eSport-Turnier

Eigentlich lief es am 19. Oktober ganz gut bei dem indischen Counter-Strike-Team von OpTic Gaming: Vor fünf Tagen hatten sie die indischen Herbstmeisterschaften gewonnen, dabei war das Team erst im Sommer gegründet worden. Jetzt saßen die fünf jungen Männer schon in Shanghai beim Turnier eXTREMESLAND 2018 auf der Bühne und durften sich mit den besten Teams aus Asien messen.

Gegen das vietnamesische Team Revolution hatten sie sich einen knappen Vorsprung erarbeitet, der deutsche Spielertrainer des Teams, Lukas “yb” Gröning, hatte allen Grund mit seinen vier indischen Teamkollegen zufrieden zu sein. Besonders einer zeichnete sich aus: Nikhil “forsaken” Kumawat führte die Abschlussliste seines Teams mit 21 Kills an.

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Es stand 9:10 für OpTic, als zu Beginn einer neuen Runde das Spiel unterbrochen wurde. Der deutsche Kapitän schrieb “pause” in den Chat, zwanzig Minuten sollte diese dauern, die Kommentatoren im Stream rätselten, was der Grund für die lange Unterbrechung sein könnte. Denn hinter dem ergonomischen Gaming-Chair von Forsaken stand ein Admin, der darauf achten soll, dass die Spieler nicht betrügen.

Was dann passierte, ist in einem Video festgehalten, das später tausendfach geteilt wurde: Der Admin, Forsakens Maus in der Hand, konzentriert sich auf den Bildschirm, als Forsaken plötzlich in seine eigene Tastatur greift. Der Spieler schafft es zwar noch, einige Tasten zu drücken, dann greift schon der Admin ein, zieht Forsakens Hände weg von der Tastatur. Seine Teamkameraden, auch Lukas “yb” Grönig, schauen ungläubig auf das, was sich hier abspielt: Forsaken wollte wohl noch seine Spuren verwischen, die Software löschen, die er zum Cheaten benutzt hatte. Und das nicht zum ersten Mal.

Warum das Turnier den Lebenstraum des Gamer Forsaken beendet

Der 19. Oktober könnte als Tag in die eSport-Geschichte eingehen, an dem nicht nur die asiatische Counter-Strike-Szene einen herben Rückschlag erlitt. Auch für den 22-jährigen Gamer dürfte der Tag das Ende seiner Karriere bedeuten. “Ich habe nie daran gedacht, etwas anderes zu tun als CS zu spielen”, sagte er in seinem einzigen Interview nach dem Skandal, ein Gespräch mit dem Magazin AFK Gaming. In der Gaming-Szene wird er seit zwei Wochen mit herben Vorwürfen konfrontiert und erlebt einen Shitstorm: Sein Gesicht wurde auf Memes montiert, hunderttausendfach geklickte YouTuber griffen diese auf, legten unter die Szene seiner Überführung hämische Musik.

In den Kommentaren der Videos finden sich derbste Beleidigungen: “Son of a bitch” nennt ihn ein User, “absolut bastard” ein anderer. Dazwischen immer wieder rassistische Äußerungen. Inzwischen hat Forsaken all seine Social-Media-Accounts zwar deaktiviert, doch die Kritik aus der Szene, in der Cheats für die meisten verpönt sind, hat er trotzdem mitgekriegt. “Ich bin innerlich gebrochen, aber ich bezahle für das, was ich getan habe.” Von nun an wolle er aus seinen Fehlern lernen und “ein besserer Mensch” werden.

Seinen Cheat-Versuch begründete er damit, dass er an seinen eigenen Ansprüche gescheitert sei: “Es gab keinen Druck von niemandem, das war alleine ich. Ich wollte alles gewinnen, ich wollte dieses Spiel perfekt beherrschen.” Er habe ein gutes Verständnis für Counter Strike gehabt, sagt er im Interview mit AFK Gaming, lediglich mit seinen Ziel-Fähigkeiten sei er nicht zufrieden gewesen.

Deswegen habe er sich eine Zielhilfe als Software heruntergeladen, eine einfache .rar-Datei, kostenpflichtig auf einer Internetseite erstanden. Mit diesem Cheat habe er auch schon im Bootcamp gespielt, direkt nach der Verpflichtung. Nie sei jemandem etwas aufgefallen.

Der Fall von Forsaken könnte ähnliche Konsequenzen haben wie das Doping-Geständnis eines Counter-Strike-Spielers im Jahr 2015. Und ähnlich wie damals wird sich die gesamte Branche hinterfragen müssen, ob genug getan wurde, um das Cheaten vor allem auf den großen, prestigeträchtigen Bühne zu verhindern. Denn der Betrug von Forsaken wurde durch mehrere Faktoren begünstigt.

Cheats für Counter Strike, die auf Forsakens Festplatte gefunden wurden
Diese Dateien sollen auf der Festplatte von Forsaken gefunden worden sein | Screenshot: YouTube | Richard Lewis

Forsaken killte mit seinen Cheats ein ganzes Team

Da wäre zum einen das Team: OpTic Gaming, eigentlich eine etablierte Marke im eSport-Bereich, stellt mehrere Teams für unterschiedliche Spiele, in der nordamerikanischen Liga von League of Legends ist man in der höchsten Klasse vertreten. Das indische Team hingegen wurde als eine Art Franchise am 1. Juni aus dem Boden gestampft. Verpflichtet wurden Spieler, die bei einer Art Casting überzeugen konnten – Forsaken war einer von ihnen. Im Schnellverfahren wurde so neue Mannschaften auf den eSport-Markt geworfen. Professionelle Strukturen, die hätten erkennen können, wie sich Forsaken selber unter Druck setzte und schließlich zum Cheating griff, die gab es anscheinend nicht – laut Forsaken hätte niemand aus seinem Team bemerkt, dass er auf die Zielhilfe angewiesen sei. So beschreibt er die Situation zumindest in dem Interview mit dem Branchenmagazin AFK Gaming.

Die Verlockungen der Branche sind bekanntlich hoch: Die hohen Preisgelder im eSport (bei dem Turnier in Shanghai ging es um 100.000 Dollar) ziehen zwangsläufig auch schwarze Schafe an. Die Konsequenzen trägt nun nicht nur Forsaken: Zwar fand man bei keinem anderen Spieler von OpTic Gaming Hinweis auf Cheatcodes, das Team wurde trotzdem disqualifiziert und später aufgelöst.

Die ESL hat ein Kontrollproblem

Zum anderen hat auch die ESL, die als Dachmarke die meisten eSports-Ligen vermarktet, Fehler gemacht. So reagierte etwa das Management der ESL in Indien drei Tage nach der Disqualifikation mit einem Facebook-Post. In diesem steht, dass die ESL nach den eindeutigen Hinweisen auf Cheating die Festplatte von Forsaken untersucht hätten, die er bei den vorherigen Herbstmeisterschaften benutzt hatte. Auch hier fand man die exakt gleiche Cheating-Software. Eine Auswertung von Videosequenzen ergab, dass Forsaken damals schon gecheatet hatte – der Erfolg von OpTic Gaming wurde annulliert.

Auf den ersten Blick mag das ein Ermittlungserfolg der ESL gewesen sein. Im Umkehrschluss bedeutet das allerdings auch: Bei den indischen Herbstmeisterschaften konnte Forsaken cheaten, ohne dass es auffällt. Scheinbar haben die Referees bei diesem Turnier nicht genau genug hingeschaut.

In der Szene war Forsaken schon aktenkundig

Zuletzt ist da noch die als eine Art Ethik-Kommision gegründete eSports Integrity Coalition (ESIC), eine Vereinigung von Branchenvertretern und Turnierorganisatoren. Sie wurde auf Bestreben des schwedischen ESL-Mutterunternehmens MTG nach dem Doping-Skandal 2015 gegründet. Seitdem werden etwa bei großen ESL-Turnieren Dopingtests durchgeführt.



Dieser Vereinigung war der Name Nikhil “forsaken” Kumawat schon vor dem Cheating-Skandal bekannt. Denn die ESIC hatte noch Ende 2017 eine vorherige Sperre von Forsaken verkürzt. Eigentlich hätte er zwei Jahre nicht spielen dürfen. Forsaken hatte im September 2016 seinen Account verkauft, mit dem er Counter Strike gespielt hatte, was der Spieleentwickler Valve in seinen AGB verbietet.

Forsaken konnte die ESIC davon überzeugen, die Sperre herunterzusetzen. Damals sagte Ian Smith, der Integritätsbeauftragte von ESIC: “Ich denke, dass der Preis, den Forsaken bezahlt hat, eine Lehre für die ist, die Account-Trading praktizieren. Und dass sie jetzt damit aufhören.”

Die ESIC wird sich nun hinterfragen müssen, ob die Herabsetzung der ersten Strafe der richtige Schritt war, oder ob Forsaken seine Lehre eben nicht gezogen hatte. Der Cheating-Skandal dürfte den Spieler jedoch jetzt endgültig vom eSport weghalten: Fünf Jahre darf Forsaken keinerlei professionellen eSport betreiben. Er selber hat sich vor allem bei seinem Team entschuldigt: “Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich wahrscheinlich den Tag löschen, an dem ich das erste Mal Counter Strike gespielt habe.”

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