Mehrere Frauen werfen Ronaldo vor, sie vergewaltigt zu haben – und niemanden interessiert’s

Cristiano Ronaldo hängt als Poster in Tausenden Kinderzimmern, ist fünfmaliger Weltfußballer des Jahres und der wahrscheinlich beliebteste Spieler bei Pro Evolution Soccer auf der Playstation. Doch seit vergangener Woche steht der 33-Jährige auch für die vielen Männer, die ihre Macht missbraucht haben sollen: Eine Frau wirft dem portugiesischen Nationalspieler vor, sie 2009 in Las Vegas vergewaltigt und ihr anschließend Schweigegeld gezahlt zu haben. Seine Fans befürchten eine Verschwörung, Sportmedien feiern den Fußballer weiterhin für seine Tore. Und zeigen damit: Wenn ein mutmaßlicher Täter weltweit als Fußballgott gefeiert wird, ist so ein Vergewaltigungs-Vorwurf vielen Menschen so egal wie ein Spielerwechsel in der Kreisliga.

Kathryn Mayorga soll Cristiano Ronaldo im Juni 2009 in einem Club in Las Vegas kennengelernt haben. Kurze Zeit später habe der Fußballer sie in ihrem Hotelzimmer vergewaltigt. Das gab sie Anfang vergangene Woche bekannt. Recherchen des Spiegel belegen, dass die damals 25-jährige Amerikanerin schon kurz nach der mutmaßlichen Tat zur Polizei ging. Ein prominenter Sportler sei es gewesen, den Namen wollte sie nicht nennen. Da habe Cristiano Ronaldo bereits ein Team aus Juristen und Juristinnen auf das Model angesetzt, berichtet der Spiegel weiter.

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Im Januar 2010 habe Mayorga eine Einigung unterschrieben. Sie würde 375.000 Dollar bekommen, wenn sie über das Erlebte nicht weiter sprechen und ihre Kleidung aus der Nacht vernichten würde. Nun, über acht Jahre später, haben sie und ihr Anwalt die Einigung offenbar gebrochen und wollen vor Gericht ziehen. Dort könnte Ronaldo tatsächlich verurteilt werden. Und das nicht nur wegen des Schweigegelds.

Gegenüber seinen Anwälten und Anwältinnen soll der Fußballer damals erklärt haben, Mayorga habe während der Tat mehrmals “Nein” und “Stopp” gesagt. Auch ein Protokoll dieses Dokuments liegt dem Spiegel vor. Dennoch verteidigen einige Fans Ronaldo so hartnäckig wie ein Torwart seinen Kasten bei einem WM-Endspiel. Und auch für Sport-Redaktionen ist der Vergewaltigungs-Vorwurf offenbar kein großes Problem. Solange Cristiano weiter Tore schießt.

Am Sonntag teilte der Journalist Max Kegler auf Twitter den Screenshot eines Fußball-Artikels. Die Überschrift: “Knaller-Tor! Ronaldos Antwort auf die Vorwürfe”. Der Artikel soll von Sport1 stammen, inzwischen ist er allerdings nicht mehr auffindbar. “Noch drei Traumbuden und Ronaldo ist unschuldig”, kommentierte Kegler. Möglicherweise haben Sport-Redaktionen von #metoo so viel Ahnung wie Teile der VICE-Redaktion von einer gesunden Work-Life-Balance. Dennoch legt die Headline nahe, dass sich Vergewaltigungsvorwürfe positiv verwandeln lassen wie ein gut gelegter Ball beim Elfmeter. Und dass sich Sportler so ziemlich alles erlauben können, solange sie dabei nicht die Nationalhymne sabotieren.

Ronaldo wird weiterhin Vorbild für Tausende Kinder bleiben

Denn auch Fußballer wurden in den vergangenen Monaten nicht immer mit Lob und Konfetti beworfen. Als Mesut Özil sich im Sommer mit Smiley-Face neben dem türkischen Präsidenten Erdoğan fotografieren ließ, wurde er für seinen Schulterschluss mit einem Faschisten zu Recht kritisiert. Doch im Anschluss machte vor allem die Bild-Zeitung Özil von der WM-Niederlage bis zur Migrationspolitik für gefühlt alles verantwortlich, was in Deutschland nicht ideal funktioniert.

“Können wir einen Bruchteil der Energie, die wir diesen Sommer in die Özil-Debatte gesteckt haben, auch bei den Vergewaltigungsvorwürfen von Cristiano Ronaldo aufbringen?”, fragte am Sonntag die Kabarettistin Sophie Passmann auf ihrem Twitter-Account. Cristiano Ronaldo sei das Vorbild Tausender elfjähriger Jungs (und sicherlich auch Mädchen) auf dem Bolzplatz, sagt Passmann. Und das wird der Fußballer wahrscheinlich auch bleiben. Auch wenn die Unterlagen im Fall Mayorga ihn stark belasten und mittlerweile weitere Frauen Vorwürfe gegen den Weltfußballer erhoben haben.

Wie lapidar Medien mit diesen Vergewaltigungs-Vorwürfen umgehen, zeigt nicht nur, wie Macht Männer schützt. Es zeigt auch, dass die Gesellschaft Frauen systematisch – und trotz Beweisen – nicht glaubt. Fans werfen Mayorga vor, sie wolle bekannt werden. Ronaldo sprach in seiner Insta-Story von “Neid” und wies die Vorwürfe auf Twitter von sich. Unter dem Tweet postete eine Userin ein Video ihrer nackten Brüste und schrieb, sie würde Ronaldo für immer unterstützen.

Cristiano Ronaldos Supporter und Supporterinnen sorgen sich offensichtlich mehr um das Ansehen des Fußballers als um die Frauen, die er vergewaltigt haben soll. Ob Cristiano Ronaldo schuldig ist, entscheidet am Ende wahrscheinlich ein Gericht. Doch eines scheint sich schon jetzt abzuzeichnen: Cristiano Ronaldo legt sich mit den meisten seiner Schwalben härter auf die Fresse als mit einer mutmaßlichen Vergewaltigung.

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