Die Wiener Künstlerin Marianne Vlaschits, die an der Londoner Slade School of Fine Art und anschließend an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert hat, ist für ihre Bilder und Multimedia-Installationen bekannt. Vlaschits beschäftigt sich in ihren Werken oftmals mit dem menschlichen Körper und kombiniert auf den ersten Blick widersprüchlich scheinende Motive wie antike Mythologie und queere Kultur, als Leitmotive ihrer Kunst nennt sie die endlose Sehnsucht nach vollendeter Schönheit und die Suche nach dem Exotischen. Neben der Malerei kreiert Vlaschits Installationen und Performances, mit denen sie die die secret utopias der Menschen darzustellen versucht.
Die Werke von Marianne Vlaschits haben übrigens nichts mit Ironie zu tun—auch, wenn es für manche auf den ersten Blick so scheinen mag. Sie hält den Menschen mit ihren Installationen und Bildern den Spiegel vor und zeigt die menschliche Seele und das menschliche Wesen auf eine derbe, ehrliche Art und Weise, die keinen Schnörkel, keine Romantik benötigt. Wir haben mit ihr über ihre ihre Inspiration, über die Frage, ob ihr Engagement in der Burschenschaft Hysteria sich auch in ihrer Kunst widerspiegelt und ihre nächste Ausstellung gesprochen, die ab dem 17. September in der Galerie Duve in Berlin stattfindet.
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Broadly: Was hat dich zur Kunst gebracht?
Marianne Vlaschits: Meine Mutter ist Kindergartenpädagogin und hatte so großartige Bastelbücher. Ich hab mir als Kind stundenlang fasziniert diese Bastelbücher angesehen und mir vorgestellt, wie toll das wäre, wenn ich auch so schöne Igel und Bärchen basteln könnte. Das war mein persönlicher Louvre. Ich glaube, ohne diese Bastelbücher wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin. Und mein Vater konnte immer einen hervorragenden Tannenbaum zeichnen, der ist bis heute unerreichbarer Maßstab meiner Zeichenkunst.
Was war und ist für dein Leben als Künstlerin besonders wichtig?
Auf seine Bedürfnisse zu hören, ist sehr wichtig. Früher habe ich mir immer die billigsten Ateliers gesucht, um Geld zu sparen, aber wenn man sich nicht wohl fühlt, weil es kalt oder dunkel ist, dann arbeitet man auch nichts. Früher hab ich bei fast jeder Ausstellung mitgemacht, um den Lebenslauf zu füllen und keine Chance zu verpassen Jetzt nehme ich nur mehr an, was wirklich Sinn macht und wofür ich genug Zeit habe. Netzwerken bringt nichts, wenn man dadurch nicht genug Zeit hat, um gute Arbeiten zu machen. Ich möchte lieber nachhaltig und konsistent arbeiten als für den schnellen Erfolg.
Im Beschreibungstext auf deiner Webseite steht: „Her interest lies in the study of the human body and mankind’s hidden desires.” Was fasziniert dich am menschlichen Körper und vor allem: Was sind für dich die hidden desires der Menschen?
Mich interessiert vor allem das utopische Potenzial des menschlichen Körpers. Er ist ja nicht nur das Werkzeug und der Filter, durch den wir die Welt erfahren, sondern auch Projektionsfläche unserer Wünsche und Sehnsüchte. Der Körper für sich alleine ist eine leere Leinwand und er verändert sich je nachdem, wer ihn betrachtet. Dank der rasant fortschreitenden Biotechnologie wird es bald auch möglich sein, Körper individuell zu designen und ganz sicher wird das auch passieren. Die Frage ist, welche Maßstäbe wir setzen werden und woher diese kommen. Was ist ein schöner Körper und warum? Was ist ein effizienter Körper? Das sind Fragen, mit denen ich mich beschäftige.
Du positionierst dich ja auch klar gegen rechts und Sexismus, zum Beispiel durch dein Mitwirken bei Proll Positions oder deine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Hysteria. Schlägt sich diese Haltung auch in deiner Kunst nieder?
Ich sehe mich nicht als politisch besonders aktiven Menschen, aber es ist mir ein großes Anliegen, Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und zu bekämpfen. Patriarchat und Rassismus sind dumme, überholte Konzepte aus einer längst vergangenen Zeit und gehören schnellstens beseitigt. Die Menschheit hat sich wichtigeren Aufgaben zu stellen. Wenn man möchte, dann kann man diese Haltung auch in meiner Kunst lesen. Aber sie ist nicht Leitmotiv meiner Arbeit, sondern eher ein Nebenprodukt. Ich gehe davon aus, der Betrachterin nicht auch noch Anstand und Vernunft beibringen zu müssen und setze mich mit ganz anderen Themen auseinander.
Worum wird sich deine nächste Ausstellung in Berlin drehen?
Der Titel der Ausstellung ist „A disturbance traveling through a medium”. Ich zeige mein erstes Animationsvideo, Skulpturen und Bilder. Die Galerie wird zum Inneren eines Raumschiffes transformiert, das sich in der fernen Zukunft auf einer interstellaren Reise befindet. In dem Raumschiff befinden sich verschiedene Kunstwerke, zum einen eine Gemäldegalerie, die physikalische Wellen, also zum Beispiel Radiowellen, Gravitationswellen oder Lichtwellen thematisiert und Skulpturen der vier ersten Frauen auf dem Mars. Außerdem gibt es einen „Aussichtsraum” in die Weiten des Weltraums, in denen der Kosmos zu Bewusstsein gelangt und mit der Betrachterin spricht. Es geht, wie der Titel schon sagt, um Störungen eines herrschenden Zustandes und was dies für Folgen haben kann.
Der Mensch ist letztendlich auch nur aus einer Unregelmäßigkeit in der Ordnung hervorgegangen. Was mich sehr fasziniert ist, dass eine Reise zum Mars mit einer rein weiblichen Besatzung wesentlich billiger wäre als mit einer rein männlichen Besatzung. Das liegt am geringeren Gewicht und dem geringeren Lebensmittelverbrauch von Frauen. Darum ist es keine allzu abwegige Vorstellung, dass die Raumfahrt ein weiblich dominiertes Berufsfeld werden könnte und die Utopie von Pionierinnen, die ins Weltall strömen und damit das ur-männliche Bild des Entdeckers und Eroberers umdrehen, macht mich sehr glücklich.