Wenn es richtig dumm gelaufen wäre, wäre dieses revolutionäre Spielzeug aus Birkenholz und Buche wohl unbehelligt in einem Regal verstaubt: das “Schneidset Dönergrill”. Glücklicherweise aber entdeckten Journalisten des Kölner Express das Spielzeug der Zukunft in einem Kölner Bioladen.
Auf dem Karton sieht man ein junges Mädchen, das mit schüchterner Begeisterung eine Scheibe “Fleisch” von einem hölzernen Dönerspieß säbelt. Der Spieß hängt an einem Grill mit aufgeklebten roten Heizstäben. In der rechten Hand hält das Mädchen ein mit “Salat” gefülltes Pitabrot. Dazu: Holzzange und Holzmesser. Erfunden hat das ein kleines Unternehmen aus dem Erzgebirge. Angeblich soll das Schneidset Dönergrill “spielerisch die Feinmotorik und die Sprachentwicklung fördern”.
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Wir geben zu, es klingt anfangs sehr, sehr schräg. Wir glauben aber, dass dem Hersteller mit diesem Set ein Geniestreich gelungen ist. Und wir glauben, dass Dönerschneiden Kinder zu besseren Kindern macht. Denn das Dönerset vermittelt Werte, die in Deutschland entweder am Beatmungsgerät hängen. Oder bereits tot sind.
Toleranz
Die Intention hinter dem Set ist, laut Hersteller, dass Kinder “bekannte Situationen aus dem Alltag” nachspielen können. Das zeigt, dass nicht nur der Döner vollends im deutschen Alltagsleben angekommen ist, sondern auch der Mensch dahinter.
Es ist nicht mehr nur “der Dönermann” hinter der Theke, den man nach dem Feiern stockbesoffen anbettelt, er möge dir doch bitte einen Chickendöner mit ganz viel Käse machen und dich ja nicht an deine vegane Freundin verpetzen. Hast du dir schon mal gedacht, wie genervt der Typ von deinem Gejammer ist? Dass es grausam ist, ihn jede einzelne Zwiebel aus deinem “Ups-doch-keine-Zwiebeln”-Döner rauspicken zu lassen? Dass er “mit Scharf?” vielleicht nicht wegen des Running Gags sagt, sondern, weil er es nicht anders gelernt hat? Und er sich deshalb vielleicht sogar ein bisschen freut, wenn du dir zu viel Chilipulver drauf gestreut hast und nun deine Organe raushustest?
Wahrscheinlich nicht. Außer du bist mit einem Dönerset aufgewachsen. Dann seid ihr sowas wie Brüder. Oder Spießgesellen.
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Respekt
Wenn wir tief in unsere Mägen blicken, wissen wir: Der Döner ist Deutschlands wichtigstes Kulturgut. Und dieses gilt es zu schützen. Deshalb ist es wichtig, Kindern früh beizubringen, dass sie den Döner wertschätzen sollen. Holzkarotten schön und gut. Aber auf dem Schulhof konkurrenzfähig sind die Kinder nur, wenn sie sich frühzeitig mit Herstellung, Zusammensetzung und Präsentation des heiligen Döners befassen. Sei kein Lauch!
Nachhaltigkeit
Das Unternehmen Erzi sitzt in einem 2.500-Seelen-Ort im Erzgebirge und hat knapp 40 Mitarbeiter. Auf seiner Website steht: “Wir sorgen bei unserem Holzspielzeug mit Engagement und Liebe zum Detail für eine naturgetreue Abbildung und maximalen Spielwert.” Jedes Spielzeug erfülle höchste Qualitätsansprüche und sei das Ergebnis leidenschaftlicher Handwerkstradition. Mit anderen Worten: Es ist gutes Spielzeug, das nicht kaputt geht. Das Dönerset sei aus “heimischer Buche”, sagt der Vertriebsleiter. Stabiles Zeug also. Kein Smartphonebildschirm, der zerschellt, wenn ihn ein wutentbrannter digitalisierter Fünfjähriger auf den Küchenboden schmettert, weil er bei Fruit Ninja die Melone übersehen hat.
Demut
Vielleicht ist das der wichtigste Wert, den das Dönerset vermittelt. Denn Dönermachen ist harte Arbeit. “Da wird doch nur Fleisch, Salat und Soße in ein Brot gestopft”, denkst du vielleicht. Nein, der Typ hockt den halben Tag in der Bude und schneidet Salat, Gurken, Tomaten; die andere Hälfte steht er an einem brüllend heißen Grill und grillt fettiges Fleisch, manchen frittieren sogar Gemüse, Kürbisse und Kartoffeln, nur damit eine Kartoffel wie du dann ankommt und auch noch meckert, dass der Döner für läppische 3,50 Euro, den du innerhalb von knapp einer Minute bekommst, ja ganz schön teuer ist.
Schlussfrage: Ist das Dönerschneideset das perfekte Spielzeug?
Es scheint so. Der Döner lehrt Toleranz, Respekt und ein Stück Kulturgeschichte. Und gleichzeitig werden sie auf die wohl komplizierteste Fragen des Lebens vorbereitet: Mit Scharf oder ohne?