NRW-Polizei soll Daten zu dem in Haft verbrannten Amad A. manipuliert haben

Zelle in der JVA Kleve

Der Tod von Amad A. war von Anfang rätselhaft. Der 26-jährige Syrer war im September nach einem Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve an seinen Verletzungen verstorben. Dort war er zwei Monate vorher inhaftiert worden, weil die Polizei ihn, nach eigenen Angaben, mit einem Malier aus Hamburg verwechselt hatte. Wie neue Recherchen von Monitor und Westpol ergeben, könnte die vermeintliche Verwechslung allerdings mit Absicht passiert sein – und die Polizei in Nordrhein-Westfalen mehr Verantwortung daran tragen, als sie bisher zugab.

Die Geschichte begann im Juli vergangenen Jahres: Die Polizei nahm Amad A. an einem Baggersee fest, weil er Frauen belästigt haben soll und sich nicht ausweisen konnte. Die Beamten brachten A. auf die Wache, glichen seine Fingerabdrücke mit ihrem Datensystem ab und gaben den Namen, den er angegeben hatte, in die Suche ein: Amed Amed. Daraufhin habe man einen Eintrag entdeckt, wonach in Hamburg ein gewisser Amed Amed aus Mali per Haftbefehl gesucht wurde. So lautet die offizielle Erklärung der Polizei.

Videos by VICE


Auch bei VICE: Ein verdeckter Ermittler erzählt aus seiner Vergangenheit


Nach dem Tod A.s hieß es allerdings: Die Festnahme des Mannes hätte auf einer Verwechslung beruht, der Syrer war unschuldig in Haft. Der Polizei zufolge soll A. nur ein Mal darauf aufmerksam gemacht haben. Auch nach einem Anwalt habe er nicht gefragt. Aber ist das glaubwürdig? Um der Sache auf den Grund zu gehen, richtete der nordrhein-westfälische Landtag Ende vergangenen Jahres auf Antrag der SPD und der Grünen einen Untersuchungsausschuss ein. Diesen dürften nun auch die neuesten Erkenntnisse aus den Monitor-Recherchen interessieren.

Der Eintrag des Maliers wurde erst drei Tage nach A.s Festnahme verändert

Anfang April gaben die Redaktionen von Monitor und Westpol bekannt, dass zum Zeitpunkt des Datenabgleichs gar kein Eintrag für einen gesuchten Malier aus Hamburg vorgelegen habe. Zu diesen Erkenntnissen sei das LKA Hamburg in einem Schreiben gekommen, das der Monitor-Redaktion vorliegt. Protokolle aus der polizeilichen Datenbank sollen dies bestätigen. Doch das ist nicht alles: Die von Monitor beauftrage IT-Expertin Annette Brückner habe zudem herausgefunden, dass der Aliasname “Amed Amed” dem Malier erst drei Tage nach A.s Verhaftung zugeordnet wurde. Dafür habe man einen bereits eingegebenen Namen gelöscht und durch denjenigen ersetzt, den der Syrer A. bei seiner Festnahme angegeben hatte.

Einen Systemfehler oder ein Versehen hält die Expertin in einer Pressemitteilung der Redaktionen für ausgeschlossen. Jemand habe gezielt Einzeleinträge verändert: “Ich gehe davon aus, dass es eine vorsätzliche Veränderung, also vorsätzliche Manipulation dieses Datensatzes war, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen”, so Brückner.

Hat die NRW-Polizei die Datenmanipulation veranlasst?

Doch wer ist für die verfälschten Daten verantwortlich? Am Donnerstag veröffentlichte Monitor eine weitere Pressemitteilung – mit ungeheuerlichen Informationen. Demnach sei es das LKA in Hamburg gewesen, das den Eintrag des Maliers verändert hat. Der Auslöser dafür seien allerdings die Dokumente einer anderen Polizeistelle gewesen – der Polizei in Kleve. Darin seien Daten des Syrers A. und des Maliers so vermischt worden, dass die NRW-Polizei die Festnahme von A. legitimieren konnte.

“So war der Syrer als ‘hellhäutig’ und im selben Dokument gleichzeitig auch als ‘schwarzhäutig’ beschrieben worden”, erklärt die Redaktion in der Mitteilung. Das lasse erhebliche Zweifel an der bisherigen Erklärung über eine Verwechslung aufkommen. Die Erkenntnisse dürften zudem den Druck auf den Innenminister Herbert Reul (CDU) verstärken, der das Hamburger LKA allein für die veränderten Daten verantwortlich gemacht hatte.

Der IT-Expertin Brückner zufolge sei das LKA lediglich für “das allerletzte Teilchen” verantwortlich. Alles andere sei eine Initiative aus NRW gewesen. Es sehe so aus, als habe die Klever Polizei die Festnahme legitimieren wollen, erklärt Brückner gegenüber Monitor: “Als wollte Kleve den Hamburger Kollegen deutlich machen: ‘Schickt uns mal diese Haftbefehle, wir hätten die gerne für unseren Syrer, obwohl wir eigentlich wissen, dass sie für den Malier gedacht sind.’”

Weder das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen, noch die Staatsanwaltschaft habe sich gegenüber Monitor zu den Vorwürfen äußern wollen. Sollte es aber tatsächlich stimmen, dass die Klevener Polizei bewusst Daten manipulierte, um einen unschuldigen Menschen festzunehmen, wäre das ein Skandal. Vor allem in Anbetracht dessen, dass diese Fälschung am Ende dazu führte, dass Amad A. starb.

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.