Wie wir alle wissen, landet Marty McFly zusammen mit Doc und dem zur Zeitmaschine umgebauten DeLorean am Mittwoch, den 21. Oktober 2015, in Hill Valley—in der Zukunft. Gefühlt das halbe Internet wird ihm dazu als Hommage an die Zurück in die Zukunft-Trilogie von Robert Zemeckis eine Überraschungsparty schmeißen und ihn—natürlich durch Facebook-Statusmeldungen—in der Gegenwart willkommen heißen.Aber würde Marty überhaupt gefallen, wie die Welt heute aussieht? Wird er bleiben mögen oder in Anbetracht unserer Wirklichkeit hektisch auf Docs Fluxkompensator herumhämmern, um sich wieder in Richtung Vergangenheit zu verabschieden? Um zu verstehen, was die popkulturelle Reinkarnation des 1980er-Jahre-Fortschrittsglaubens und Zukunftsenthusiasmus zum Status der Welt heute sagen würde, müssen wir zunächst seinen Charakter und seine liebsten Technologien ein wenig tiefer erkunden.
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Martys Post-MySpace-Musikerkarriere
In den 80er Jahren stand die DIY-Musikrevolution noch ganz am Anfang, aber dank Pro Tools, Ableton Live und digitaler Selbstvermarktung könnte Marty heute auf eigene Faust Karriere machen und seine Fans erreichen. Die Gatekeeper aus Schuljurys und Musikindustrie, die über den Massengeschmack bestimmen, sind längst verschwunden—auch wenn manche Fernsehsender sie künstlich am Leben halten.McFly ist ein Early Adopter.
Mr. Fusion und die Epoche fossiler Brennstoffe
Marty durfte erleben, dass menschengemachte Maschinen durch „kalte Fusion" die Energie für eine Reise durch die Raumzeit aufbringen können. Ein gewisser Mr. Fusion Home Energy Reactor produzierte im Film die benötigten bombastischen 1.21 Gigawatt durch ein Kernfusionsverfahren und braucht dabei so wenig Platz, dass er theoretisch in jeden Haushalt passen könnte.
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Auch wenn globale Forschungsverbände ebenso wie Doc-Brown-ähnliche Bastler heute tatsächlich am Traum des Fusionsreaktors werkeln, sind wir noch immer weit vom Patentrezept für Stromproduktion entfernt. Die größten Chancen für eine nachhaltige Sättigung des globalen Energiehungers bieten inzwischen Wind-, Wasser- und Sonnenenergie und die Versorgung im Heimformat übernehmen auf Dächern installierte Solaranlagen.
Während sich die Atomendlager füllen, wachsen auch unsere Plastikmüllberge stetig weiter—eine Maschine wie Mr. Fusion, in die Marty seine Bierdosen und sonstigen Haushaltsabfall stopfen kann, und die am Ende Energie ausspuckt, könnten wir heute ziemlich dringend gebrauchen.Das Ende einer Ära: Wie Solarenenergie die Epoche fossiler Brennstoffe bis 2030 beendet
Überleben jenseits des Digital Divides
Die McFlys sind bereits in der Filmvorlage ausgewachsene Glass-Holes
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In Zeiten allgegenwärtigen Social-Media-Geprotzes könnte Marty seinen Hang zum Aufplustern in unangemessenen Situationen voll ausleben. Er hätte wahrscheinlich viel für ein Like getan und wäre auch sicher der erste, der die Ice Bucket Challenge annehmen würde. Eine leicht provokante DM auf Instagram, und man sähe ihn bereits in typischer Selbstüberschätzung auf Bahngleisen liegen—für ein saugefährliches #selfie mit heranrasendem Zug natürlich, denn wir wissen ja: „Niemand nennt mich feige Sau!"Überhaupt dürften ihn soziale Medien und ihre Datensammelwut nicht allzu sehr vom Hocker hauen—das AT&T-Videotelefon aus Teil II zeigt dem mit dualen Krawatten bekleideten „erwachsenen Marty" (ein Kleidungstrend, den bislang noch keine Jugendkultur in ihrem Dresscode etablieren konnte) bereits live alle Details über den Anrufer inklusive Ernährungsvorlieben und Verwandtschaftsbeziehungen, was dem Besucher aus der Vergangenheits-Zukunft den intuitiven Umgang mit Skype und Facebook durchaus erleichtern dürfte.
Big Social Data
Da dem zukünftigen Marty McFly diese Technologie aber eigentlich ausschließlich Unheil bringt (er wird gefeuert, nachdem ihm sein zwielichtiger Kollege Needles, gespielt von Red Hot Chilli Peppers-Flea, zu einem dubiosen Deal gedrängt hat) ist nicht davon auszugehen, dass er unsere Big-Data-Gegenwart ohne Einschränkungen besonders begrüßen würde.Das Motherboard-Panel zur Ambivalenz allgegenwärtiger Daten: Vom Nutzen und Nachteil von Big Data
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Was ist mit den Hoverboards?
Aber natürlich muss auch Marty—tendenziell ein sozialer, wenn auch etwas gehetzter Mensch—eben mal schnell von A nach B kommen; dabei bietet sich zur Not eben auch das rosa Mattel-Hoverboard eines kleinen Mädchens an. Glück gehabt; die Dinger gibt es schon— wie das Cowdfunding-Board Hendo oder auch die Version von Lexus. Utopien kommen 2015 gerne mal im Format eines Kickstarter daher.Man sollte den Schwebereisenden aber vor der nächsten Verfolgungsjagd lieber warnen: Denn trotz enorm schicken Produktdesigns bleibt das Thema „Hoverboard im Alltag" noch heute ein leidiges. Bedeutet, das Problem mit dem Untergrund muss noch gelöst werden und magnetische Straßen aus Metall haben sich leider ebenfalls noch nicht durchgesetzt. Zumindest im Hoverboardpark in Barcelona hätte Marty seinen Spaß gehabt—oder wäre ihm, so wie den ungeduldigen Internet-Tech-Kritikern, der erste Skatepark der Welt für Hoverboards ebenfalls nicht futuristisch genug?Utopien kleiden sich 2015 als Kickstarter
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Wie auch immer: Noch heute bewegen wir uns zumeist auf Schienen, Rädern und Rollen voran. Vielleicht könnte Marty aber bereits übermorgen auf einem Oldschool-Microboard den Hügel heruntercruisen—klamottentechnisch würde ihn wohl niemand in Kalifornien wegen seines Baseballcaps in Neonfarben und seiner ausgewaschenen Jeans schief angucken. (Was Marty von Managern halten würde, die mit Kickroller und Anzug in der U-Bahn stehen, ist eine andere Frage.)Die McFlys der Zukunft sind bereits ausgewachsene Glass-Holes, die selbst am Abendbrottisch Anrufe über ihre Datenbrille entgegennehmen und sich nur halbherzig am Familiengespräch beteiligen. Diese Tendenzen werden zumindest bei McFlys späteren Kindern überdeutlich: „Kannst du mir das einfach in den Mund schieben, wenn's fertig ist?", fragt beispielsweise Martys Sohn im Bezug auf die frisch rehydrierte Fertigpizza.Als Serviervorschlag hätte 2015 da die Verwirklichung eines anderen Sci-Fi-Traums zu bieten: Das Pulver-Dinner Soylent gibt es längst zu kaufen. Ästhetisch ähnlich fragwürdige—und technisch hervorragende—Geräte wie die Microsoft HoloLens würden Marty mit seiner Datenbrille sicher gefallen.
Glassholes am Esstisch
Zurück auf das Holodeck
Das heißt, vielleicht auch nicht. In „Zurück in die Zukunft II" erleidet McFly in einem seltenen Moment der Schwäche eine kurze, entwaffnende Panikattacke, als er vor dem Hologramm-Hai eines Kinos einknickt. Komm schon, Marty—was für ein Teenager aus den 80ern bist du, wenn du nicht weißt, was ein Hologramm ist? „Der Hai sieht immer noch unecht aus!", urteilt er noch, bevor die Werbefigur dreidimensional in Richtung Gehsteig schnappt.
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Marty muss sich in unserer Zukunft keine Sorgen machen. Das motion-getrackte, bis zum Fotorealismus gerenderte 3D-Kino unserer Zukunft sieht um einiges realistischer aus als das klobige, verpixelte Tier, mit dem das Holomax in Hill Valley potentielle Zuschauer in den Film „Jaws 19" locken will—und um die 3D-Werbeplakate kümmert sich ein österreichisches Start-up.Komm schon, Marty—Was für ein Teenager aus den 80ern bist du, wenn du nicht weißt, was ein Hologramm ist?