Sex

Das bizarre und einsame Leben des besten Grind-Schuh-Profis der Welt

Anstatt zu studieren, ist Ryan Jaunzemis durch die Straßen gerannt, um mit speziellen Sneakern, sogenannten Soap Shoes, auf Geländer zu springen und daran entlang zu sliden – ein bisschen wie Inlineskating ohne Rollen. Die Grind-Schuhe mit der speziellen Sohle waren die Fidget-Spinner ihrer Zeit und bei den Kids der 90er unglaublich gefragt. Dieser Umstand ermöglichte es Ryan, die letzten Tage seiner Teenagerzeit als Pseudo-Berühmtheit einer Nischensportart in Saus und Braus zu leben. Aber alle Rauchwaren und JNCO-Jeans, die man mit Geld kaufen konnte, waren ihm offensichtlich nicht genug. Erbost darüber, dass er weniger verdiente als professionelle Rollerblader und man ihm eine Werbeaufnahme verwehrte, in der er umringt von “heißen Soap-Groupies” in einem Pool steht, schrieb er eine wütende E-Mail an einen Freund.

Blöderweise schickte er den Hassbrief versehentlich auch an seinen Boss bei Soap und alles zerbrach in tausend Stücke.

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Meine Faszination für Jaunzemis begann 2015, als ein Freund von mir im Internet ein Compilation-Video seiner Tricks entdeckte. Als ich dann noch über sein Leben erfuhr – einer tragisch-klassischen Erzählung stetiger Selbstüberschätzung – und seine Neuerfindung als professioneller Pick-up-Artist in Las Vegas, war es um mich geschehen. In dem Glücksspielmekka grindet er auch heute noch auf Geländern, Waschtischen und sogar Spielautomaten – wenn er nicht gerade Männern beibringt, wie sie angeblich besser bei Frauen landen.


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Es wäre mein absoluter Traum, wenn Harmony Korine einen wirren Arthouse-Film über Jaunzemis drehen würde, aber bis dahin habe ich Soap or Die – eine Dokumentation von ein paar Filmstudenten aus Nordkalifornien, die letzten Monat auf YouTube erschienen und auf ihre ganz eigene Art wirr ist. Sie verfolgt sein Leben vom Footballspieler zum Inlineskater, zum Soaper, zum “aggressivsten Dating- und Verführungs-Coach in ganz Las Vegas”, wie er sich selbst nennt – und das alles in 21 Minuten. Das Werk mäandert zwischen alten Aufnahmen von Oakleys und Bongs, Soaping-Szenen und ausgedehnten Selbstgesprächen über den Sinn des Lebens, die es einem unmöglich machen, die Reflektionsfähigkeit des Protagonisten einzuschätzen.

Ich habe Jaunzemis angerufen, um über den Film, Soaping und seine neue Karriere als PUA zu sprechen.

VICE: Mir hat die Dokumentation gefallen, weil sie ein paar biografische Details ergänzt hat, die wir in unserem ersten Interview nicht besprechen konnten – zum Beispiel deine Vision, mit Soap eine sexy Richtung einzuschlagen.
Ryan Jaunzemis: Neben dem Street-Soapen und den Videos saß ich in einem Eckbüro und arbeitete als Marketing-Assistent – acht US-Dollar habe ich da pro Stunde verdient. Werbung für Soap gab es nur in Rollerblading- und Skateboarding-Magazinen, Thrasher und so. Ich habe versucht, Nintendo Power, Boy’s Life [Magazin der US-Pfadfinder] und Playboy anzurufen, um neue Märkte zu erschließen. Ich habe sogar selbst eine Werbeanzeige entworfen. Ich wollte mich mit zwei heißen Soap-Groupies in Cheerleader-Outfits mit dem “O”-Soap-Logo drauf ablichten lassen, ich in einem Jacuzzi mit fetter Goldkette – so richtig 90er halt. Ich wollte Soap ein härteres Image verpassen. Immer wieder habe ich denen gesagt: “Sex sells, vor allem bei Teenie-Jungs. Ihr braucht Mädchen, die sich an meinen Schuhen reiben.” Aber es war nicht das Image, das sie wollten. Die sagten immer zu mir: “Du solltest einfach froh über deinen Job sein – du kannst in deinen Schuhen rumsliden und wirst dafür bezahlt.” Dann ging alles kaputt.

Jaunzemis Vision für Soap Shoes bevor die Firma ihn feuerte

Wie war das für dich? Warst du niedergeschlagen oder sauer?
Eins meiner ersten Tattoos war das Soap-Logo auf meiner Schulter. Als sie mich gefeuert haben, nachdem ich die ganzen gebrochenen Knochen und ausgeschlagenen Zähnen dafür gegeben hatte, der beste Soaper der Welt zu werden, war ich einfach nicht mehr stolz darauf, die Firma zu repräsentieren. Also habe ich mir einen heißen Löffel gegriffen und das Tattoo ausgebrannt. Ich dachte, das würde einfach abheilen, aber dann ist da eine keloide Narbe entstanden, bei der sich so ein Hautwulst bildet. Der Löffel war so heiß, dass er die Haut verbrannt hat, aber die Tinte ist geblieben. Also habe ich mit einem feuchten Waschlappen versucht, es raus zu rubbeln. Es ist immer noch etwas Tinte drin.

Meine Mutter meinte nur: “Was zur Hölle hast du mit deinem Arm gemacht?” Sie war mega sauer! Heute siehst du davon aber nicht mehr viel. Wenn ich aber mit einem Mädchen unter der Dusche stehe, sagt sie vielleicht: “Was ist das?” Aber dann kann ich ihr die Story erzählen, was ziemlich cool ist. So kann sie etwas über meine Vergangenheit lernen.

Das ist eine gute Überleitung zu deiner zweiten Karriere als Pick-up-Artist. Bist du durch deine alten Soap-Groupie-Tage dort gelandet?
Ich hatte damals meine High-School-Liebe geheiratet, mit der ich zwei Kinder habe. Nachdem sich die Beziehung aufgelöst hatte, bin ich in Las Vegas gelandet. Plötzlich war ich ein 26-jähriger Single und niemand wusste, wer zur Hölle ich bin. Als ich jünger war und mit Soap durchs Land getourt bin, hatte ich bei Veranstaltungen immer heiße Mädels, die zu mir kamen. Da hatte ich aber auch einen Stand mit Grinding-Rails und im Hintergrund lief mein Video. Ich war eine Art Mini-Star oder so. Wenn ich dann hier in Bars gegangen bin, hat sich kein Mädchen für mich interessiert. Ich dachte mir nur: “Oh, scheiße, jetzt bin ich älter. Ich habe nicht mehr den gleichen Wert wie früher, als ich jung war.”

Was hast du dann gemacht?
Ich fing an, in der Selbsthilfe-Abteilung von Buchläden abzuhängen und die ganzen Bücher über Körpersprache und die weibliche Psyche zu lesen. Ich habe versucht, Biologie und Evolution zu verstehen. Warum kriegen bestimmte Jungs Mädchen ab und andere nicht? Daraus habe ich mir eine Technik gebaut, mit der ich Abend für Abend in Bars gehen konnte und so zwei bis drei Frauen pro Woche abgeschleppt habe. Dann fingen meine Freunde an zu fragen, wie ich das anstelle. Also machte ich eine PowerPoint-Präsentation für sie, um ihnen meine Methode zu erklären, und die meinten, ich solle dafür unbedingt Geld verlangen. Ich erstellte eine Gruppe bei Meetup.com und eins führte zum anderen. Schließlich ging ich auf eine 22-Städte-Tour mit einem Pick-up-Artist namens Badboy.

Und was hast du so gelernt?
Davor bin ich einfach in Bars zu Mädchen gegangen und habe gesagt: “Hey, was geht?” Aber beim Pick-up hast du etwas, das wir “Opener” nennen. Das sind nicht unbedingt Anmachsprüche, sondern eher so was wie zu einer Gruppe von Mädchen zu gehen und zu sagen: “Hey, habt ihr kurz Zeit? Ich mache eine Umfrage für YouTube: Wenn ihr eine eigene Insel hättet, was wäre das erste, was ihr darauf machen würdet?” Als Antwort kommt dann so was wie “Kiffen” oder “Eine Hängematte aufhängen.” Wenn aber eins der Mädchen “Vögeln” sagt, dann weiß ich, dass sie auf mich steht.

OK … Wie ist die Pick-up-Szene heute? Sie scheint irgendwie den gleichen Weg wie Soap zu gehen.
Wegen YouTube ist sie im echten Leben nicht mehr so aktiv. Selbst 2012 gab es noch nicht so viele YouTube-Kanäle. 2006 musstest du noch Tausende Dollar zahlen, um in ein PUA-Programm zu kommen. Heute bekommst du die ganzen Informationen umsonst und musst dafür auch nicht zu irgendwelchen Meetings.

Ich versuche, Männern jetzt beizubringen, die beste Version ihrer selbst zu sein, um die besten Partnerinnen anzuziehen. Ich habe das Vorwissen und die ganze Theorie verinnerlicht, aber auch Erfahrungen aus dem echten Leben. Ich habe mit so vielen Frauen geschlafen, dass ich auch dem Nächsten zeigen kann, wie man das macht. Ich weiß, wie man schnell abnimmt, und ich habe das Buch Unlimited Wealth geschrieben, in dem ich darüber schreibe, mehrere Einkommensquellen zu haben. Für mich sind das meine Bücher und CDs. Dazu verdiene ich quasi noch Geld im Schlaf mit iTunes und YouTube. Jetzt habe ich mit der Soap or Die-VHS noch eine weitere Einkommensquelle.

Du tendierst dazu, auf flüchtige Trends aufzuspringen. Was kommt als Nächstes?
Ich mache jetzt Ultrarunning. Da läufst du Strecken von 100 Kilometern und so. Schon davon gehört? Das ist ziemlich abgefahren.

Klingt krass. Was passiert eigentlich, wenn dir die Soap-Schuhe ausgehen? Die werden nicht mehr gemacht und irgendwann sind die alten Paare auch hinüber.
Ich habe noch sieben Paar übrig. Eins davon habe ich vor Kurzem gekauft. Es war ein spezieller Schuh mit dem Namen The Broadside, bei dem geht die Grind-Schiene in der Mitte von vorne bis hinten über den ganzen Schuh, nicht bloß quer rüber. Und ich habe 200 US-Dollar dafür bei eBay bezahlt. Als ich sie zum ersten Mal draußen angezogen habe, haben sie sich quasi in Staub aufgelöst. Ich war angepisst. Aber die anderen Paare sind noch alle in Ordnung.

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