Wer hat nicht schon einmal darüber fantasiert, wie es wohl wäre, einer echten Zombieattacke entkommen zu müssen? In diesen zweifelhaften Genuss kamen nun einige ganz normale Menschen, die einfach mal eine Runde bei Chatroulette drehen wollten.
Urplötzlich fanden sie sich in einem First-Person-Shooter wieder und standen, nachdem sie sich getraut hatten, auf Start zu drücken, vor den Fragen: Wo ist der Schlüssel für die schwere Tür? Ist die Person, die dort am Boden kauert, eine Gefahr? Soll ich sie treten? Wo finde ich eine zombietaugliche Schnellfeuerwaffe?
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Durchgeführt wurde dieses Live-Action-Role-Play im zufälligen Videochat von der britischen Produktionsfirma Realm Pictures, die ihrer Website zufolge offensichtlich einen Narren an Fantasyabenteuern gefressen hat. Vielleicht hatten sie den verwunschenen Kirschgarten mit Kulissen wie dem zugehörigem Gotteshaus ja sogar in einem wirklichen LARP-Abenteuer aufgespürt?
Da die Spieler schlicht durch Zufall in das Spiel hereingeworfen wurden, handelte es sich in vielen Fällen nicht um passioniert-routinierte Gamer und so war ihre Herangehensweise and die umgewohnte Situation auch völlig unterschiedlich. Während einige der Maxime „Sicherheit durch Brutalität” folgten und hinter jedem Gegenstand gewieft nach einer neuen Waffe suchten, stolperten andere vorsichtiger durch die schaurige Wunderwelt.
Der Protagonist, den der Chatroulettepartner durch das Spiel führen soll, trägt einen Motorradhelm mit eingebauter GoPro, die gepresste Kämpferstimme ist der Regisseur des Rollenspiels selbst, der im versteckten Produktionsraum in ein Mikrofon spricht. Dort wird auch der Chatcomputer bedient und die Soundeffekte und Spannungsmusik live in das Game eingespielt. Insgesamt waren sechs Personen hinter den Kulissen und 30 Darsteller in das Abenteuer involviert.
Wer sich dabei besonders geschickt anstellte und nicht schon in der ersten Location, einem Friedhof, von Zombies überwältigt wurde, durfte im Laufe des Spiels noch eine aufgerüstete Nerf-Gun auf die Untoten abfeuern, konnte sich in einer Kapelle gruseln und begegnete einem riesigen Cosplay-Ungeheuer mit dämonischen Hörnern auf dem Kopf.
Natürlich riefen die Macher auch gleich einen Reddit-Strang ins Leben in dem sie fleißig alle Fragen beantworten und aus dem LARP-Nähkästchen plauderten. So schrieb etwa David M. Reynolds, kreativer Kopf von Realm Pictures und Regisseur des Events:
„Unser Nachbar hat sich heute früh tierisch erschrocken — dann hat er aber einfach mitgemacht!”
Da bei dem Chatroulette-Game auch die Mitspieler in einem kleinen Videofester im Bild sind, lassen sich ihre Reaktionen gleich ablesen.
„Der Typ mit der Brille ist super. Er war total drin, hat aber versucht, bloß keine Gefühle zu zeigen.”
Oder sie waren schlicht begeistert:
„Top 10 Internetzeug 2015.”
„Das ist eins der besten Videos, die ich je sehen durfte. Bravo.”
Andere dagegen schienen bereits Chatroulette-verdorben zu sein:
„Alles woran ich denken kann, ist dass die Leute durch eine riesige Menge von Schwänzen surfen mussten.”
„Ich wusste gar nicht, dass immer noch Menschen bei Chatroulette sind.”
Alles in allem dauerte es einen ganzen Monat, bis das Game mit seinen technischen und darstellerischen Herausforderungen wirklich „spielbar” war und online ausprobiert werden konnte. An einem Wochenende wurde dann noch mal einen halben Tag mit allen Statisten im Garten geprobt und dann erblickte der First-Person-Chatroulette-Shooter das Licht des WWW.
Und sogar von den professionellen Spielern der Steam-Community wurde die Gaming-Erfahrung umgehend und kritisch auf Herz und Nieren geprüft:
„Die Grafik war fürchterlich. Die Geschosse sahen aus wie Marshmallows. Das Game ließ mich nicht den Typen, der sein Auto wäscht, töten.”
Somit ist dieser Egoshooter sozusagen die Cosplay-Variante des neuen interaktiven Spieltrends „Steure einen wildfremden GoPro-Träger fern“.