Innerhalb von sieben Jahren hat es die südkoreanische Boyband BTS zu weltweitem Erfolg gebracht. Seit 2016 sind sie Dauergast in den südkoreanischen Charts und seit 2017 auch international bekannt. BTS steht für “Bangtan Sonyeondan”, was so viel wie bedeutet wie “kugelsicher”. Als erste K-Pop-Band hat BTS einen Billboard Music Award gewonnen. BTS ist auch die erste Band seit den Beatles, die drei Nummer-1-Alben in einem Jahr herausgebracht hat.
Ihr Song “Dynamite” hat YouTube und Spotify förmlich gesprengt – er ist ihr erster Billboard Hot 100-Erfolg. Die Mitglieder der Band – Jin, SUGA, j-hope, Jimin, V, Jungkook und Frontman RM – sind alle noch keine 30 Jahre alt. So klar war ihr Erfolg allerdings am Anfang nicht. Bei ihrem Debüt 2013 war BTS ein echter Underdog in der K-Pop-Industrie, damals noch bei dem relativ kleinen Label Big Hit unter Vertrag, das in den späten 2000er-Jahren sogar kurz vor der Insolvenz stand. Als erstes unterschrieb RM den Vertrag mit Big-Hit-Gründer Bang Si-hyuk alias “Hitman” Bang. Das HipHop-Demo-Tape des damals 15-jährigen RM beeindruckte den Labelchef. Die anderen beiden Rapper, SUGA und j-hope, folgten RM, zu dritt bilden sie die Basis der Band. Jin, Jimin, V und Jungkook sind hauptsächlich Sänger und geben BTS die typische K-Pop-Anmutung.
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Die Underdog-Vergangenheit von BTS gilt heute als der Grund für ihren Erfolg. Tausende Teenager trainieren in Südkorea jahrelang ihren Gesang und ihre Tanzmoves, um es in eine erfolgreiche K-Pop-Band zu schaffen. Die wenigsten schaffen es. Big Hit wollte es damals anders machen. Das Ziel war es, eine Band zu gründen, mit der sich junge Leute identifizieren können. Deshalb dürfen die Jungs von BTS ihre Musik selbst schreiben und produzieren. Von Anfang an haben sie Tabus gebrochen: Ihre Texte handeln von psychischen Problemen, Schwierigkeiten in der Gesellschaft und Gruppenzwang.
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Die Gruppe hatte nie einen viralen Hit wie “Gangnam Style” – stattdessen haben sie sich auf ganze Alben konzentriert. Für westlichen Pop ist das ungewöhnlich, bei K-Pop ganz normal. “Seit ihrem Debüt haben BTS ihr Tempo beibehalten”, sagt Labelchef Bang. Diese Authentizität – Alben statt viraler Hits, spektakuläre Liveshows und anspruchsvolle Texte – hat dafür gesorgt, dass BTS eine sehr diverse Diskografie haben, die neue Hörer überraschen könnte. Zwar ist HipHop ihr Kerngebiet, aber man findet auch EDM, Moombahton, gefühlvolle Balladen, Latin und Trap Beats, genauso wie Features mit Nicki Minaj, Steve Aoki, Ed Sheeran und Sia.
BTS kann einen überfordern, denn man braucht ein grundlegendes Verständnis von K-Pop, um die Wucht dieser Band einordnen zu können. Dieser Guide soll ein grobes Verständnis vermitteln – er ist nur die Spitze des Eisbergs, versteht sich. Das ganze BTS-Universum aus Musikvideos, Kurzfilmen, Büchern, Spielen und Shows kann dieser Artikel nicht abdecken. BTS haben am 20. November ihr neues Album BE rausgebracht und das ist eine gute Gelegenheit, um sich mit der aktuell größten Band des Planeten zu beschäftigen.
Auch mit dabei: Emo-HipHop
Der amerikanische HipHop hat die Anfänge von BTS stark beeinflusst. So sehr, dass die Band sogar nach L.A. geflogen ist, um von Coolio und Warren G in deren Realityshow American Hustle Life etwas über die echte HipHop-Kultur zu lernen.
2013 kam das Debüt von BTS raus, 2 Cool 4 Skool. Es war ein HipHop-Album mit heftigem Bass, mitreißendem Refrain und sehr viel Eyeliner. Dieses Album steht für den Sound von BTS über die ersten Alben hinweg – 90er-Jahre-HipHop mit einem Schuss Emo und rebellischen Texten.
Playlist: No More Dream / We Are Bulletproof Pt.2 / N.O / Spine Breaker / War of Hormone / Boy In Luv / Silver Spoon (Baepsae) / MIC Drop / Dionysus / Black Swan / Respect
Auch mit dabei: EDM
2015 haben BTS dann endlich ihren Eyeliner abgewischt und angefangen, ihrer Musik poppiger und elektronischer zu gestalten. Nach ihrer School-Trilogie folgt die The Youth Trilogie. Sie schlägt neue Töne an, und genau damit haben BTS in Korea und weltweit den Durchbruch geschafft.
Die sentimentalen, heftigen Synthesizer-Klänge von “I need U” und die quietschenden Hörner in “Dope” sind neu und zeigen, dass BTS erwachsen geworden sind. Die nächste Ära hat begonnen. Mit “Wings” führen sie ihren EDM-inspirierten HipHop auf ein neues Level, aber erst 2018, mit “Love Yourself” geht es mit EDM so richtig los. “So what” und “I’m Fine” sind verdammt noch mal fette Ibiza-Party-Tracks, während “DNA” und “IDOL” so energiegeladen sind, dass man beim Tanzen ein Schleudertrauma bekommt. Diese Tracks sind es wahrscheinlich, die du im Kopf hast, wenn du an K-Pop denkst.
Playlist: I Need U / Dope / Save Me / Burning Up (Fire) / Blood Sweat Tears / I’m Fine / So What / DNA / IDOL / MIC Drop (Steve Aoki Remix)
Auch dabei: Balladen
Die Jungs von BTS teilen sich in zwei Lager: Die Sänger Jin, Jimin, V und Jungkook und die Rapper RM, SUGA und j-hope. BTS macht nicht nur HipHop, der Gesang ist von Anfang an wichtig gewesen: Die Sänger hauen immer mal wieder emotionale Feuerwerke raus wie “Butterfly” und “Spring Day”.
Oder aktueller: Bei MOS:7 hört man, wie sich der Gesang ständig verändert wie ein Chamäleon. Beim melancholischen “Louder than Bombs”, unter anderem von Troye Sivan mitgeschrieben, sind die Stimmen super hoch gepitched, sie prallen auf den harten, tiefen Rap-Part. Der Höhepunkt des Albums ist dann das epische “We Are Bulletproof: the Eternal”, eine Hommage an den Track “We Are Bulletproof Pt.2” von ihrem Debüt-Album.
Playlist: Spring Day / Butterfly / FAKE LOVE / The Truth Untold / Intro: Singularity / Euphoria / Serendipity / Louder Than Bombs / 00:00 (Zero O’Clock) / We Are Bulletproof: the Eternal
Auch dabei: Harte Rap-Lines
Als BTS als HipHop-K-Pop-Band anfing, musste sie einiges einstecken. Vom südkoreanischen Rapper B-Free mussten sich RM und SUGA 2013 vorwerfen lassen, sie würden nur so tun als ob und HipHop lächerlich machen. Doch RM, SUGA und j-hope haben über die Jahre bei BTS und in ihren Solo-Mixtapes gezeigt, dass sie Teil einer neuen Generation von K-Pop sind und auch ernstzunehmende Rapper. Ihr Œuvre umfasst auch Disstracks, die sich gegen ihre Kritiker richten und ihr technisches Können zeigen. “Whether you call me wack or fake. Whatever it is. I’m a new standard to K-pop”, lautet eine Line über einem Trap-Beat in “Cypher Pt.3: Killer”.
Playlist: BTS Cypher Pt.3: Killer / BTS Cypher 4 / First Love / Outro: Tear / Intro : Persona / UGH! / Interlude: Shadow / Outro: Ego
Auch dabei: lupenreiner Pop
2017 haben BTS Love Yourself 承 Her veröffentlicht – ein verträumtes Album über einen jungen verliebten Mann. Passend dazu: pastellfarbener Style und Haare wie Smarties. Für BTS ist es die Zeit des Pop, gerne durch eine schimmernde R&B-Linse gesehen. Discofeeling kommt bei “Trivia 轉: Seesaw” auf, ein überraschend poppiger Track von SUGA, während “Pied Piper” ein liebevoller Seitenhieb auf all die Fans ist, die ihr echtes Leben anhalten, um BTS zu hören.
Der Großteil der Popsongs von BTS ist den Fans gewidmet. Auf Love Yourself 轉 Tear, findet man mit dem tropischen “Paradise” und dem mit Fistelstimme gesungenen “Magic Shop” wunderbare Songs, während auf Map of the Soul: Persona mit dem gefühlvollen Track “Boy With Luv” der deutlich härtere “Boy In Luv” aus der School-Trilogie zitiert wird. Ähnlich charakteristisch ist “HOME”, ein mitreißender R&B-Track über Fans, die eine Riesenstütze für die Gruppe geworden sind.
Und dann gibt es noch die aktuellste Single “Dynamite”, eine Sommerhymne auf Englisch, mit der es BTS endlich in die langersehnten Billboard Hot 100 geschafft haben. Ironischerweise ist dies der wohl untypischste Song von BTS. Daher ist es bittersüß, dass BTS ausgerechnet mit ihm den Durchbruch im Mainstream geschafft haben und im Radio laufen. Auf eine seltsame Art und Weise wirkt der Song wie ein Trojanisches Pferd. Wenn Zuhörer ein bisschen tiefer graben wollen, eröffnet sich ihnen ein ganzes Panoptikum an Hits.
Playlist: Pied Piper / Paradise / Trivia 轉: Seesaw / Magic Shop / HOME / Boy With Luv (feat. Halsey) / Filter / Moon / Dynamite