Sex

Das Leben als Sexspielzeug-Testerin

Alle Fotos: bereitgestellt von Ducky Doolittle

Wenn Ducky Doolittle ein Paket öffnet, dann nimmt sie den Inhalt heraus und fragt sich: „Auf wie viele Arten und Weisen kann ich das Ding jetzt ficken?” Diese Frage stellt sie sich als Produkttesterin des Sexspielzeug-Vertriebs Komar relativ häufig. Dabei versucht sie immer, den von ihr so bezeichneten „Orgasmen pro Dollar”-Wert festzulegen. Das Konzept dahinter besagt, dass der Wert eines Sexspielzeugs höher ausfällt, wenn man es auf möglichst viele unterschiedliche Arten benutzen kann.

„Wenn ein Sexspielzeug auf den G-Punkt ausgelegt ist, sich aber auch gut als klitoraler Vibrator eignet, dann hat es einen höheren Wert, weil es verschiedene Möglichkeiten gibt, das Gerät zu benutzen”, erklärt mir Doolittle. „Das ist eine Facette des Tests.”

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Seitdem sie dem Team von Komar vor gut einem Jahr beigetreten ist, hat Doolittle schon unzählige Sexspielzeuge ausprobiert. Sie ist dafür verantwortlich, welche Artikel der Vertrieb letztendlich in sein Sortiment aufnimmt—die Palette reicht dabei von farbenfrohen Vibratoren bis hin zu Gleitgel mit Geschmack. Das bedeutet, dass sie im Grunde fürs Masturbieren bezahlt wird.

Doolittle arbeitet nun schon seit 26 Jahren in der Sexindustrie. Angefangen hat sie als Angestellte in einem Sex-Shop, später war sie dann eine Peepshow-Tänzerin und Burlesque-Künstlerin. Schließlich landete sie im Bereich der sexuellen Aufklärung und erarbeitete sich einen Ruf als eine der vertrauenswürdigsten Sexualpädagoginnen der USA. Carol Queen, eine andere Sexualpädagogin, bezeichnete sie einst als „eine der interessantesten Sexualpädagoginnen und Künstlerinnen, die auch zum Nachdenken anregen”, und die feministische Autorin Susie Bright meinte, dass Doolittle „eine der einfühlsamsten und originellsten Sexualpädagoginnen” sei, die sie jemals getroffen hat. Doolittle gründete die Academy of Sex Education, organisierte Aufklärungs-Workshops und schrieb im Jahr 2006 das Buch Sex with the Lights On: 200 Illuminating Sex Questions Answered. Im Grunde kann man sagen, dass man sich mit allen sex-bezogenen Themen ohne Probleme an Doolittle wenden kann.

„Ich hatte eigentlich nie vor, so lange in diesem Geschäft zu bleiben, aber hier fühle ich mich wohl und ich bin gut darin. Diese beiden Tatsachen helfen dabei, dass sich mir immer wieder neue Türen öffnen”, erzählt sie mir.

Die Anstellung bei Komar war Doolittle zufolge eine „unerwartete” Chance, die sie jedoch mit Freuden wahrnahm. Das Unternehmen ist inzwischen schon seit über 50 Jahren im Vertrieb von Sexprodukten tätig. In den 60er Jahren musste Komars damaliger Besitzer Samuel Boltansky gegen die Obszönitäten-Vorschriften der USA ankämpfen, um Bücher wie Lady Chatterley oder Geschichte der O verkaufen zu können. Später wurden auch Erotikmagazine sowie Porno-Videos und -DVDs vertrieben, aber durch durch den inzwischen herrschenden Überfluss an Online-Pornografie hat Komar seinen Fokus jetzt auf den Verkauf und den Vertrieb von Sexspielzeug gelegt.

„Ich bin nicht hier, um den Leuten vorzuschreiben, was sie ficken können. Ich will nur ihr Verlangen anregen.”

Doolittles Tag fängt normalerweise damit an, dass sie die Pakete voller Sexspielzeug aufmacht, die ihr von Herstellern aus der ganzen Welt zugeschickt werden. Zu den Inhalten der neuesten Sendungen gehören bunte Silikon-Dildos, Cockringe und Hodengeschirr in dezent schwarzen Verpackungen sowie Masturbationshilfen—auch „Taschenmuschis” genannt (einige von ihnen muten jedoch eher wie nackte Frauen ohne Kopf an).

Letztendlich entscheidet Doolittle, was Komar verkauft—das heißt, dass sie die „Fickbarkeit” eines Produkts genau bewerten muss. „Du willst mit diesem Ding Sex haben? Ich besorg’s dir”, meint sie zu mir. „Zu jeder Tages- und Nachtzeit.”

Fickbarkeit hat für verschiedene Kunden natürlich auch verschiedene Bedeutungen, und Doolittle muss die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse und Geschmäcker der Menschen berücksichtigen, die die von ihr ausgewählten Produkte kaufen. Manche Leute wollen auf Wellness ausgerichtete Dinge, andere stehen eher auf luxuriöse, hochwertige oder chemiefreie Spielzeuge und wieder andere haben ein Verlangen nach einem „mythischen Erlebnis”—also etwas, das bei ihnen ein versautes Gefühl hinterlässt. Um es so vielen Kunden wie möglich recht zu machen, wählt Doolittle immer eine ganze Reihe an Materialien aus, und so findet man neben schlanken Silikon-Vibratoren mit leistungsstarken Motoren auch cartoonhafte Kunststoff-Sexpuppen. „Ich bin nicht hier, um den Leuten vorzuschreiben, was sie ficken können”, meint sie. „Ich will nur ihr Verlangen anregen.”

Das bedeutet allerdings nicht, dass sie nicht wählerisch ist. „Die einzige Sache, die mir im Herzen liegt, ist es, den Kunden Orgasmen zu verschaffen. Manche Hersteller scheint das jedoch zu verwirren”, erklärt mir Doolittle. „Sie wollen einfach, dass ich alle Produkte in allen Farben einkaufe. Ich meine dann aber immer: ‚Die Farben sind mir egal, für mich zählen nur Orgasmen!’”

So kauft so zum Beispiel nur schwarze Analspielzeuge ein—und zwar aufgrund von „Restkacke”, wie sie es so schön beschreibt. „Wenn Leute vor Restkacke Angst haben und dann ein schwarzes Spielzeug kaufen, sind sie bei der Benutzung selbstbewusster. Sie verwenden es dann auch häufiger”, erzählt sie. „Wenn man ihnen jedoch ein pinkes oder hautfarbenes Spielzeug verkauft, dann sind sie bei der Benutzung etwas reservierter.”

Munchies: Sex + Food: Sexspielzeug mit Geschmack

Doolittles ultimatives Ziel ist es, dass sich jedes Produkt in „Heavy Rotation” befindet—sie also alle regelmäßig benutzt werden. Ganz aufgeregt erzählt sie mir von einem Mittel, das die Körperflüssigkeiten süß schmecken lässt, und von einem neuen Gleitgel namens Unicorn Spit, das mit Donut-Geschmack daherkommt. Bei solchen Dingen kann sich die Produkttesterin vorstellen, dass sie regelmäßig eingesetzt werden.

Zwar versucht Doolittle, jedes der von ihr ausgewählten Produkte auf Herz und Nieren zu prüfen, aber das ist nicht immer möglich—meistens deswegen, weil es sich bei dem Ganzen um einen relativ zeitaufwendigen Prozess handelt. „Meiner Meinung nach kann man ein Sexspielzeug erst dann vernünftig beurteilen, wenn man es fünf Mal benutzt hat”, erklärt sie mir.

Wenn sie ein Produkt mal nicht selbst ausprobieren kann, dann konzentriert sie sich auf Eigenschaften wie den oben erwähnten „Orgasmen pro Dollar”-Wert, aber auch auf Dinge wie den Geruch, die Haptik und sogar den Geschmack des Produkts. Am Geruch kann Doolittle zum Beispiel laut eigener Aussage erkennen, welche Chemikalien bei der Herstellung eingesetzt wurden. Der Geschmack lässt sie hingegen wahrnehmen, wie sich das Produkt im Zusammenspiel mit den Schleimhäuten der Benutzer schlägt, denn die sind natürlich auch „in der Muschi und im Arsch” vorhanden.

Ein typischer Arbeitstag von Doolittle beinhaltet auch einen Trip zu einem Sexspielzeug-Lager im Norden von Baltimore—ein Ort, den sie als „gut 9000 Quadratmeter voller Ficksachen” beschreibt. „Dort ist alles so ordentlich und diskret verstaut, dass das Lager total unschuldig wirkt.” Bei einem kürzlich erfolgten Besuch in der Lagerhalle schickte sie mir ein Selfie, auf dem sie ein schwarzes T-Shirt trägt und hinter ihr schier endlose Regalreihen mit eingeräumten Kartons voller Sexspielzeug zu sehen sind.

Ihre Lagerbesuche helfen Doolittle auch dabei, genau zu sehen, was an die Läden rausgeschickt wird. Dabei schaut sie immer gerne mal in die Kisten, um sich darüber zu informieren, was sich gerade gut verkauft. Dazu zieht sie auch die auf dem Computer generierten Statistiken zu Rate. All diese Faktoren beeinflussen schließlich ihre Entscheidung in Bezug auf den Produkteinkauf. Wenn die Sattelschlepper am Lager ankommen, macht sie für ihre Blogs und Tweets auch immer Fotos, um den Hype anzukurbeln.

Zwischen Produkteinkäufen und -tests verbringt Doolittle ein paar Tage pro Woche damit, in Sex-Shops vorbeizuschauen (natürlich nur welche, in denen auch Komar-Produkte verkauft werden), Angestellte zu schulen und auf Messen im ganzen Land zu fahren. Bei den Shop-Besuchen macht sie immer zuerst einen Termin mit den Besitzern aus und bespricht dann mit ihnen das gesamte Konzept und den Verkauf: In welchen Punkten kann der Laden verbessert werden? Was funktioniert gut? Was funktioniert eher nicht? Außerdem lässt sich Doolittle noch gerne über die Preispolitik, die Kaufkraft des Standorts und die Summe, die die Kunden durchschnittlich ausgeben, aufklären. Mit all diesen Informationen kann sie den Markt, den sie bedient, besser einschätzen.

Was einen Sex-Shop reibungslos funktionieren lässt, ist das Wissen der Mitarbeiter. Deshalb führt Doolittle für Komar-Läden auch Fortbildungen durch—sowohl online als auch von Angesicht zu Angesicht. Dafür besucht sie zuerst einen Laden, spricht mit einem Manager über die Schwächen der Mitarbeiter und stellt auf dieser Grundlage schließlich einen Kurs zusammen.

Motherboard: Mit dieser App kann jeder Dildos drucken

„Der Arbeit in einem Sex-Shop haftet immer noch ein gewisses Stigma an”, erklärt sie mir. „Also hat jeder, der dort arbeitet, bereits ein dickes Fell. Die Leute machen immer Scherze à la ‚Ach so, du verkaufst also so vibrierenden Krimskrams’, aber in Wahrheit hat ein guter Verkäufer die Möglichkeit, die Beziehung eines Menschen zum eigenen Körper oder zum Partner zu verändern und dieser Person damit weiterzuhelfen.”

Doolittle bildet die Angestellten vor allem darin aus, mit den von ihr als „Blur” bezeichneten Kunden zu interagieren—also die Leute, die einen Sex-Shop betreten und dann erstmal so überwältigt sind, dass sie gar nicht wissen, wonach sie eigentlich suchen sollen. Außerdem demonstriert sie, wie man mit Kunden umgehen muss, die sich offensichtlich nicht auskennen, aber sich nicht trauen, nach Hilfe zu fragen. Für die Angestellten ist es extrem wichtig zu wissen, wie man die Unterschiede zwischen den Sexspielzeugen aufzeigt, damit die Kunden die richtige Entscheidung für ihre Körper treffen und wissen, wie man die Produkte richtig einsetzt.

„Ein guter Sex-Shop kann auch so etwas wie ein Treffpunkt sein, wo man Informationen erhält, die einem kein Arzt und kein Partner dieser Welt mitteilen kann. Für mich ist das echt tiefgreifender Scheiß”, meint die Produkttesterin.

Sexspielzeug war Doolittle zufolge früher mal dafür gedacht, ein oder zwei Mal benutzt und danach weggeworfen zu werden. Qualität hatte deshalb nie höchste Priorität. Damals hat man sich noch so für den Gebrauch geschämt, dass sich auch niemand darüber beschwert hat, wenn mal etwas kaputt gegangen ist. Heutzutage ist die Sexspielzeug-Industrie jedoch ein Milliarden-Dollar-Geschäft und die Produkte werden auf Amazon verkauft oder von einflussreichen TV-Größen wie etwa Oprah angepriesen. Die Qualität ist deshalb immens wichtig geworden. Doolittle konnte selbst dabei zusehen, wie sich Komar von einer kleinen, etwas verruchten Firma in ein modernes Unternehmen verwandelt hat. „Heute verkaufen wir palettenweise Sexspielzeug”, merkt sie an. „Das macht einfach richtig viel Spaß.”

Vielen Leuten würde der ständige Umgang mit Sexspielzeug wohl irgendwann zum Hals raushängen, aber bei Doolittle war das nie der Fall. „Ich werde jeden Tag aufs Neue überrascht”, meint sie. „Ich glaube, das liegt zum Teil auch daran, dass ich irgendwie immer das unschuldige und schüchterne Mädchen aus Minnesota bleiben werde.” Dann erzählt sie mir noch von der Website eines bestimmten Sexspielzeug-Herstellers, die so „pornografisch” ist, dass die Produkttesterin allein beim Gedanken daran vor Scham errötet. Trotzdem hat das Ganze für sie den Reiz noch nicht verloren.

„Immer wenn die Gummiärsche reinkommen, flippe ich total aus. Dieses Konzept begeistert mich einfach so sehr und die Teile verkaufen sich auch noch wie geschnitten Brot”, erzählt Doolittle. „Ich meine, das sind Gummiärsche! Das Leben ist schön!”