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Das Rätsel der 12 rechten Füße: Warum spült der Pazifik abgetrennte Füße an?

British Columbia ist die westlichste Provinz Kanadas, die mit ihren gigantischen, verwunschenen Waldlandschaften, einladenden Skigebieten und der entspannten Küsten-Metropole Vancouver getrost als einer der schönsten Bundesstaaten in ganz Nordamerika bezeichnet werden kann.

Doch inmitten der betörenden, landschaftlichen Schönheit an der Pazifikküste kommt es immer wieder zu sehr speziellen und gruseligen Vorfällen, die sowohl Behörden als auch Besuchern ein Rätsel aufgeben: Am Küstenstreifen der Salish Sea, dem Meeresgebiet zwischen Vancouver Island und dem US-Bundesstaat Washington, werden in regelmäßigen Abständen Turnschuhe mit Leichenfüßen gefunden. Die erste Entdeckung ereignete sich am 20. August 2007 und bis heute stieg die Zahl auf insgesamt 16 an. Der letzte Fuß tauchte erst dieses Jahr, am 11. Februar 2016, auf und so gibt der Fall Ermittlern Rätsel auf und füllt weiterhin ganze Subreddits.

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Die Schuhe werden wie Strandgut von der Brandung angespült, liegen am Strand, vermischen sich mit dem Sand, bis jemand zufällig über sie stolpert, berichtet die Washington Post von den Vorfällen an den häufig weniger besuchten Küstenabschnitten. Es wurden insgesamt 12 rechte und drei linke Füße gefunden, sowie ein Beinknochen in einem Plastiksack. Die drei linken Füße ließen sich mit jeweils einem Rechten zu einem Paar zusammen setzen. Das bedeutet, es gab insgesamt 16 Funde, von den denen sechs Funde (also drei Fußpaare) jeweils zusammengehörten. Insgesamt wurden bisher nur fünf Füße identifiziert, die restlichen Funde sind ungeklärt. Zeichen von Fremdeinwirkung gab es dabei nicht, die Füße wurden nicht mit Gewalt vom Körper abgetrennt.

Zwei Füße, die später ein und der selben Person zugesprochen wurden, wurden beispielsweise nacheinander am 8. Februar und am 16. Juni des Jahres 2008 entdeckt. Bei den Schuhen handelte es sich um ein Modell von Nike in Größe 45, die zum einen auf Valdes Island und zum anderen auf der circa 30 Kilometer entfernten Insel Westham Island entdeckt wurden. Sie gehörten einem 21-jährigen Mann aus Surrey. Dieser wurde bereits vier Jahre zuvor als vermisst gemeldet und die Todesursache laut Steve Fonseca, dem Leiter der örtlichen Katastrophenschutzeinheit, als „nicht auffällig” bezeichnet.

Die anderen beiden Füße, die im Nachhinein als ein Paar identifiziert wurden, wurden ebenfalls im Jahr 2008 gefunden; einer am 22. Mai auf Kirkland Island, der andere viele Monate später am 11. November in Richmond. Es handelte sich um blau-weiße New Balance Turnschuhe, in denen die Füße noch von Socken eingehüllt waren. Die DNA-Analyse zeigte, dass beide Füße ein und derselben Frau gehörten, ihre Idenität ist jedoch nicht geklärt.

Diese Karte zeigt die Orte von insgesamt neun der Schuhfunde:

Der letzte Fund wurde Anfang dieses Jahres von Charlotte Stevens und ihrer Familie gemacht, als diese an der Küste von Vancouver Island spazieren gingen. „Er [mein Mann] hob ihn auf und brachte ihn zum Strand”, erzählte sie der CBC. „Wir betrachteten ihn ungefähr fünf Minuten und dachten dann, es sieht so aus, als wäre da ein Fußknochen drin.”

Der Gerichtsmediziner konnte die genaue Todeszeit der Person, zu welcher der Fuß gehörte, nicht feststellen, da die Zersetzung des Körpers im Wasser schneller vor sich geht. Allerdings stellte er in einer Pressemittleilung fest, dass das dazugehörige Schuhmodell seit März 2013 auf dem Markt ist, was bedeutet, dass der Tod irgendwann zwischen diesem Zeitpunkt und Dezember 2015 eingetreten sein muss. Fünf Tage später wurde übrigens ebenfalls in Vancouver Island das passende Gegenstück zu dem Fuß gefunden.

Seit die unheimlichen Entdeckungen ihren Anfang genommen haben, entwickelten sich die angeschwemmten Füße zu einem Gegenstand großer Spekulation. Sowohl polizeiliche Forensiker und Wissenschaftler als auch Hobby-Ermittler suchten nach den Gründen für die seltsamen Geschehnisse. Die Vermutungen reichen dabei von dem Werk von Serienkillern, Menschenhändlern oder Drogenschmugglern bis hin zu einem Abladeplatz „ausrangierter” Körper aus der organisierten Kriminalität.

Die Küste von Vancouver Island | Bild: imago

Möglicherweise ist die Antwort aber auch etwas weniger gruselig, wie ein Blick in die Wissenschaft der Forensik zeigt: Extremitäten wie Hände und Füße werden im Lauf der natürlichen Verwesung als erstes vom leblosen Körper abgetrennt. Dabei dauert es ungefähr drei Jahre, bis ein Fuß abfällt, im Wasser kann dieser Prozess schneller vor sich gehen, wie William Haglund und Marcella Sorg in Advances in Forensic Taphonomy feststellen. Da sich bei den kanadischen Funden keine Fremdeinwirkung oder Verletzung an den Füßen feststellen ließ, ist davon auszugehen, dass die Füße innerhalb eines normalen Zersetzungsprozess abfielen. Während der Rest des Körpers auf Grund gesunken ist, weil er nach einer gewissen Zeit die Gase, welche ihn auf dem Wasser treiben ließen, abgegeben hat, könnten die Füße an der Oberfläche getrieben und mit der Zeit an Land gespült worden sein.

Mark Mendelson, forensischer Berater und ehemaliger Kriminalbeamter bei der Toronto Police ist von dieser biologischen Erklärung nicht vollständig überzeugt, wie er The Daily Beast mitteilte. „Bis mir jemand einen pathologisch konkreten Beweis liefert, dass diese Separation vom Körper auf natürliche Weise stattgefunden hat, sage ich, dass man hier ganz schön schmutzig denken muss.”

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Doch warum trugen alle Opfer moderne Fitnessschuhe? Diese Frage lässt sich mit ein wenig physikalischem Grundwissen und Materialkunde beantworten. „Das Geheimnis hinter der Auftriebskraft der Schuhe liegt in den mikroskopischen gasgefüllten Kammern, die von Nike für einer bessere Federung und Stoßdämpfung eingeführt wurden”, erklärt Curtis Ebbesmeyer, ein Meeresforscher mit forensischem Hintergrund, der schon diverse angeschwemmte Gummienten und Turnschuhe auch jenseits der Salish Coast untersucht hat.

Demzufolge setzt die in Schuhen verwendete Technologie seit 2007 vermehrt auf solche Mikroluftkissen, die den Turnschuhen zu ihrem Auftrieb verhelfen, denn zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten Funde gemacht. „Möglicherweise werden sie [die Schuhe] dadurch so leicht, dass sie schwimmen und an den Strand gespült werden”, vermutet Barb McLintock von der zuständigen Gerichtsmedizin. „Wahrscheinlich treiben da draußen noch eine Menge Turnschuhe herum, die niemand je finden wird.”

Doch trotz aller Vermutungen und Indizien konnten die Ereignisse noch immer nicht final aufgeklärt werden. Per DNA-Analyse konnte zwar festgestellt werden, dass vier Füße zu vermissten Personen gehörten, doch die Ermittlungen in der mysteriösen Fundserie kamen dennoch nicht weiter. Einer der Füße gehörte einem 21-jährigen jungen Mann aus Vancouver, der seinem Leben mit einem Sprung von einer Brücke über den Fraser Fluss ein Ende bereitet hatte. Sein anderer Fuß wurde später an einem anderen Ort gefunden. Ein weiterer Fund gehörte zu einem Mann, der unter Depressionen gelitten hatte, ein anderer einem verschollenen Kanadier. Jedoch lassen sich diese Spuren nur dann zu einem Profil des Opfers zusammensetzen, wenn die Person in einer DNA-Datenbank vermerkt ist.

Längst hat die tragische Serie der aufgefundenen Schuhe ein solches Eigenleben entwickelt, dass sich manche daraus einen makaberen Scherz zu machen scheinen: „Es gab schon Leute, die Hundeknochen in Turnschuhe steckten und sie an den Strand legten”, so McLintock. „Einmal benutzte auch jemand Hühnerknochen.”