Popkultur

Der “Beer Suicide” ist der perfekte Drink, wenn dich jeder in der Bar hassen soll

Ich trank mich mit einem Freund durch alle möglichen Kneipen. Er beschwerte sich über die Brauereikultur der US-Ostküste und wünschte sich ein Craft-Bier von sonstwo her. Ja, er ist ein verdammter Biersnob. Um ihn zu ärgern, schlug ich vor, alle Fassbiere der Kneipe in ein Glas zu schütten und so einen “Beer Suicide” zu erschaffen.

Mein Kumpel runzelte beleidigt die Stirn, weil ich so etwas überhaupt vorgeschlagen hatte. Also rief ich die Barkeeperin rüber und fragte sie, ob sie mir alle verfügbaren Biere in ein Glas zapfen könnte.

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“Das wird bestimmt stocken”, beschwerte sich mein Kumpel ganz aufgebracht, so als ob plötzlich ein giftiges Gebräu entsteht, wenn man ein IPA in ein Hefeweizen kippt. Die Barkeeperin rollte ob meines Vorschlags nur mit den Augen, bevor sie mir ein konventionelles Bier einschenkte. Ich ließ es für diesen Abend dabei, aber in braute sich ein Verlangen zusammen, das kein normales Bier mehr stillen konnte. Mir wurde klar, dass das Kind, das früher immer verschiedene Slush-Eissorten übereinander zapfte, irgendwo tief in mir drin immer noch existierte – sein Geschmack hatte sich halt bloß etwas verändert.

Biere zu mischen, ist jetzt kein absolutes Tabu, sondern in Staaten wie etwa Großbritannien sogar ziemlich normal. Dort scheinen die Geschmacksknospen einfach etwas experimentierfreudiger zu sein. Das “Black and Tan” ist in diesen Gefilden die gängigste Biermischung. Dabei handelt es sich um ein helles Bier (normalerweise ein Pale Ale) in Verbindung mit einem Starkbier und die Leute kippen sich das Zeug schon seit dem 18. Jahrhundert hinter die Binde. Außerdem gibt es noch den “Snake Bite” (halb Lagerbier, halb Cider) oder das “Black Velvet” (Starkbier in Verbindung mit Champagner). 

All diese Drinks sind ja schön und gut, aber schön und gut war mir nicht genug. Ein normales Bier ist voller subtiler Aromen und blumiger Geschmacksnoten. Aber scheiß auf subtil, ich wollte einen Drink, der so schmeckt, wie alle 88 Klaviertasten auf einmal gedrückt klingen. Und scheiß auf Aromen, ich wollte von der Süffigkeit überrollt werden wie von einer Dampfwalze. Welche schrecklichen und verrückten Geschmäcker würden mich wohl am Glasboden eines Bier-Suizids erwarten? Und würde ich in neue Sphären des Promillegrads vorstoßen? Das galt es herauszufinden.

Leider weigerte sich jedoch erstmal jeder Barkeeper, mir einen “Beer Suicide” zu zapfen. Anscheinend gibt es da irgendeinen komischen Barkeeper-Kodex. Oder es fehlte ihnen einfach die Abenteuerlust. Ich gab allerdings nicht einfach so auf. Und nach mehreren Monaten der Suche hatte ich dann endlich drei Bars gefunden, die bereit dazu waren, mir bei meinem Experiment zu helfen. Der Moment, auf den mein Geist und mein Körper jetzt so lange gewartet hatten, war endlich gekommen.

Bar: Iona
Anzahl der gezapften Biere: 23
Herausragende Sorten: Dogfish Head Breakfast Stout, Aspall Dry English Cider, Guinness

Megan Hopkins, die Barkeeperin im Iona, war zuerst etwas skeptisch, als ich sie mit der Idee des “Beer Suicide” konfrontierte. Zum Glück konnte sie sich aber doch noch überwinden, weil sie ab und an auch mal einen Snake Bite oder ein Black and Tan ausschenkt.

Deshalb setzte sie mir zum Warmwerden ein paar dieser Zwei-Bier-Mischungen vor. Die schmeckten gut und sahen hübsch aus, aber sie machten mich nur noch gieriger auf meinen eigentlichen Wunsch: ein hopfiges Sammelsurium aller Biere auf einmal.

Als Megan endlich zum Zapfen ansetzte, wurde schnell deutlich, dass ein größeres Behältnis vonnöten war. Deshalb holten wir die Leiter aus dem Hinterzimmer und ich kletterte zu einem Regal hoch, um ein riesiges Glas zu erreichen, in dem man auch locker ein kleines Kind hätte ertränken können. Als dieses Glas endlich mit 23 Biersorten gefüllt war, bot sich mir ein glorreicher Anblick.

Der Geschmack war hingegen leider nicht mal halb so intensiv, ekelhaft oder anderweitig überwältigend. Die Vielzahl an IPAs, die Megan mir ausgeschenkt hatte, dominierten das Geschmacksprofil und ich konnte mir gut vorstellen, dass mein Biersnob-Kumpel ein solches Getränk schlürfen würde, während er über blumigen Hopfen redet.

Es war in Ordnung. Aber hatte ich da schon das Ende erreicht? Bin ich für einen “Beer Suicide” soweit gegangen, nur um herauszufinden, dass das Ganze, nun ja, sogar ganz OK schmeckt? Ich musste einen zweiten Versuch starten.

Bar: Chilo’s
Anzahl der gezapften Biere: 6
Herausragende Sorten: Pacifico, Modelo, Founders Porter

Das Chilo’s ist eine tolle Bar mit einem noch tolleren Taco-Truck im Hinterhof. Der Typ hinter dem Tresen ist ein alter Kumpel und deshalb war er – natürlich nur aus wissenschaftlichen Gründen – auch direkt dabei, als ich ihm von meiner Idee erzählte. Er garnierte das Glas sogar mit einer Limettenscheibe. Ich presste die Frucht aus, ließ sie in das Getränk fallen und nahm einen großen Schluck.

Das Draft-Porter stach geschmacklich am meisten hervor, aber es schmeckte wie eine dickflüssige, zitronige Brühe. Der “Beer Suicide” im Iona hat besser geschmeckt, aber auch hier im Chilo’s war er genießbar – abgesehen von den Limettenspuren. Ich trank die Hälfte und ging meines Weges.

Und trotzdem wollte ich meinen Geschmacksknospen weiterhin mit Bier den Rest geben. Die wirklich alles überragende “Beer Suicide”-Erfahrung hatte ich schließlich noch nicht gemacht. Allerdings kannte ich einen Ort, wo mein Wunsch in Erfüllung gehen könnte.

Bar: The Well
Anzahl der gezapften Biere: 54
Herausragende Sorten: Ziemlich jedes Bier, das du dir vorstellen kannst 

The Well hat mehr Biersorten im Angebot als jeder andere Laden, den ich kenne. Der Übergangschef der Bar, Ian Ljungquist, musste auch gar nicht erst überredet werden, mir einen Bier-Mix einzuschenken. Er freute sich sogar über die Gelegenheit und war ganz aufgeregt. Wir waren wie zwei Bier-Brüder im Geiste. Er hatte selbst schon mit Biermischungen experimentiert, die über das übliche Black and Tans hinausgingen.

“Ich habe mal drei Biere zusammgemischt, das war das höchste der Gefühle”, sagte er. “Manchmal funktioniert das, manchmal nicht. Eine Mischung kann komische Geschmacksnoten in einem Bier hervorbringen, von denen du gar nicht gewusst hast, dass es sie überhaupt gibt. Manchmal akzentuiert es interessante Aromen oder erschafft eine sehr schöne Harmonie, die du so niemals erwartet hättest. Manchmal aber schmecken zwei großartige Biere zusammen einfach furchtbar.”

Aber was ist mit 54 Bieren?

Ian bereitete mir den “Beer Suicide” in dem größten Behältnis zu, das er finden konnten: einem großen Plastikpott. Das Gebräu wurde immer dunkler und dunkler, bis es schließlich pechschwarz war. Er schwenkte das Gefäß etwas, damit sich die Mixtur schön gleichmäßig verteilte und schenkte mir ein Glas ein.

Ich nippte. Ich nippte noch einmal. Ich konnte fühlen, wie sich meine Pupillen erweiterten. Es war alles, worauf ich gehofft hatte – und noch viel mehr. Mein Mund war überwältigt von Aromen – unterschiedlichsten Aromen, die sich kontrastieren, sich komplimentierten und miteinander herumtanzten. Es war, als würde ich Tausenden Unterhaltungen auf einmal zuhören und sie alle verstehen.

Ian schenkte sich selbst ein Glas ein und wir tranken gemeinsam wie zwei Bierabenteurer auf dem Weg ins Ungewisse. Jetzt kannte ich ihn und er kannte mich. Etwas Inniges und Intimes spielte sich zwischen uns ab – etwas, das niemand von uns so richtig in Worte fassen konnte.

“Gar nicht so schlecht”, sagte er nach einiger Zeit schließlich. “Es ist nur etwas komisch. Aber manchmal ist es auch gut, komisch zu schmecken, oder? Nicht alles, was du trinkst oder isst, muss unbedingt köstlich sein. Es macht doch Spaß, Dinge auszuprobieren, die interessant sind, weil sie einfach komisch sind?”

Er schüttete mir den Rest der Mixtur in einen Growler und wir verabschiedeten uns. Mit einer Flasche Bier-Brühe in der Hand lief ich in festlicher Stille nach Hause. In meiner Wohnung angekommen fiel mir der Growler prompt aus der Hand und zersprang auf meinem Küchenboden. Während ich die 54-Biere-Sauerei aufwischte, träumte ich von meinem nächsten Gemisch, von den sonderbaren Aromen und Texturen, die mich erwarten würden. Einen normalen Drink werde ich jedenfalls nie wieder bestellen.

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