Stell dir vor, du machst eine Blindverkostung und müsstest Koriander, Minze, Thymian und Basilikum erschmecken. Da bist du ziemlich zuversichtlich, stimmt’s? Was wäre aber, wenn es stattdessen Tasmanischer Pfeffer, gemahlene Buschtomaten, Akaziensamen und Boobialla wären? Den meisten von uns sind diese Namen völlig unbekannt, geschweige denn deren Geschmack. Genau diese einzigartigen einheimischen Pflanzen sind es aber, die australische Spirituosen auf die oberen Regale der Supermärkte und auf die Cocktail-Karten erstklassiger Restaurants und Bars auf der ganzen Welt verhelfen.
Australien hat sich ziemlich gemausert vom wässrigen Fosters-geprägten Image. Destillerien im ganzen Land konnten in den letzten Jahren ihre Trophäenschränke mit angesehenen internationalen Auszeichnungen füllen. Die Four Pillars-Destillerie aus dem Yarra Valley gewann kürzlich zwei Mal Gold bei der San Francisco World Spirits Competition für ihren Rare Dry Gin. Der 666 Vodka aus Tasmanien wurde bei einer Blindverkostung in New York auf Rang 4 der „50 besten Wodkas der Welt” gewählt. Maidenii, eine Kollaboration zwischen einem Barkeeper aus Sydney und einem französischen Weinhersteller, gewann bei der San Francisco International Wine Competition zwei Mal Gold für ihren Classic Vermouth.
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Über die idealen Produktionsbedingungen hinaus (sauberes Wasser, saubere Luft, reichhaltige Böden und stolze Brenner, die auf qualitativ hochwertigen Alkohol bestehen), begeistern diese Spirituosen die einheimischen und ausländischen Gaumen mit ihren einzigartigen Geschmacksprofilen: den exotischen Aromen des australischen Buschs.
Gin mit der würzigen Wärme des Tasmanischen Bergpfeffers. Wodka mit den holzigen und sanften Menthol-Aromen von Honig aus den Eukalyptus-Wäldern. Wermut mit dem nussigen Geschmack der Akaziensamen und den kräutrigen Hubba Bubba-Noten des Eucalyptus olida. Absinth mit einer süßlichen Anismyrten-Note. Auch für Spirituosen mit traditionelleren Geschmacksprofilen werden immer häufiger die heimischen Variationen der charakteristischen Zutaten vorgezogen, die für einen sehr subtilen, aber unverkennbaren Geschmack sorgen.
Die einheimischen essbaren Pflanzenarten, die von den indigenen Gemeinschaften für Essens- und medizinische Zwecke verwendet wurden, werden auf rund 5000 geschätzt (fast 20% der Australischen Flora und Fauna). Bis vor kurzem aber waren diese Geschmäcker für den heimischen Gaumen genauso neu wie für den ausländischen. Das soll sich aber jetzt dank einer zufälligen Kombination mehrerer Faktoren ändern: die Craft Beer-Revolution, die den Markt für die „Slow Spirit”-Bewegung, wie sie Jon Lark, Gründer von Kangaroo Island Spirits, bezeichnet, vorbereitet hat; ein unersättlicher Trend nach regionalen Produkten und einheimische Brennern, die erpicht darauf sind, der Welt die Geschmäcker aus dem eigenen Garten zu zeigen.
„Bei dieser neuen Art von Spirituosen wird mit einer Vielfalt an Pflanzen gearbeitet. Oftmals sind dies heimische, die einen besonderen Geschmack verleihen,” sagt Jon, der durch die langjährige Arbeit mit indigenen Gemeinschaften dazu inspiriert wurde, heimische Pflanzen für die Herstellung von Spirituosen zu verwenden, die ihm bereits von der Essenszubereitung und von der medizinischen Verwendung bekannt waren.
Cameron Mackenzie von der Four Pillars-Destillerie wollte einen „modernen australischen Gin” kreieren, was neben der Verwendung von australischen Pflanzen auch bedeutete, alle möglichen anderen Pflanzen zu verwenden, um die kulturelle Diversität Australiens zu zelebrieren—europäischer Wacholder, Gewürze aus Südostasien und dem Mittleren Osten.
Diese kleinen Destillerien verwenden traditionelle Herstellungsmethoden, destillieren im Kupferkessel und produzieren nur 45 Flaschen pro Durchlauf. Sie brennen in kleinen Chargen, wodurch sie mehr Kontrolle über den Geschmack haben und es ermöglicht ihnen auch, öfter mal saisonale Batches zu produzieren.
Das Dasein dieser Destillerien ist aber nicht immer nur ein Zuckerschlecken. Sie müssen sich einer Hürde stellen, die Boutique-Destillerien in anderen Ländern nicht in den Weg gelegt wird. Auch Craft Beer-Brauereien und Weinkellereien haben dieses Problem nicht: eine heftige, fast schon lähmende Verbrauchssteuer. Australien hat die höchste Verbrauchssteuer auf Spirituosen im ganzen OECD-Raum, was bedeutet, dass viele Destillerien mehr Geld für Verbrauchssteuern zahlen, als für die Löhne für ihre Angestellten und dementsprechend Schwierigkeiten haben, genügend Umsatz zu machen, um ihr Geschäft vorantreiben zu können.
„Es ist schwierig, durchzuwaten [durch die Steuerstruktur in Australien] und wir sind eines der Länder mit den höchsten Steuern auf Spirituosen der Welt”, sagt Cameron von der Four Pillars-Destillerie, die für jede Flasche um die 30 Dollar Steuern bezahlt. Kangaroo Island Spirits bezahlt ungefähr 24 Dollar pro Flasche. Dieselbe Flasche würde in den USA mit nur 2,40 Dollar besteuert werden.
Die guten Nachrichten sind, dass du diese kleinen Destillerien, den traditionellen australischen Grundbesitzern und der einzigartigen australischen Landschaft deinen Respekt zollen kannst—mit einem Queller-Buschtomaten-Martini nach dem anderen.
Hier sind einige der typisch australischen Geschmacksnoten, auf die du dich freuen kannst:
Anisymrte: Blätter mit Lakritzgeschmack, leuchtend grüne Blätter, duftende fluffige weiße Blüten, dieser dekorative Baum hat einfach alles. Die aromatischen Blätter sind vom Geschmack her ähnlich wie der bekanntere europäische oder asiatische Anis, aber mit einem Hauch der charakteristischen „australischen Busch”-Derbheit.
Boobialla: Auch „heimischer Kriechwacholder” genannt. Dieser Strauch wächst küstennah und trägt während der Sommermonate violette Beeren, die wegen ihrer zitronigen, harzigen, säuerlichen Noten geerntet werden. Boobialla eignet sich hervorragend für Gin.
Buschtomaten (Akudjura): Das Aussehen täuscht bei diesem kleinen leckeren Gewächs, das auch in der Wüste gedeiht. Die Frucht ist klein und verschrumpelt und sieht aus wie eine Rosine. Aber was ihr an Aussehen fehlt, gleicht sie mit ihrem Geschmack wieder aus. Süß und fruchtig, eine Mischung aus sonnengetrockneten Tomaten, eher bitter als säuerlich mit einer leichten Karamellnote.
Fingerlimette: Auch als Limettenkaviar bekannt. Das Fruchtfleisch und die Rinde dieser schlauchförmigen Limette variieren farblich auf einer Farbskala irgendwo zwischen Pflaume, Magenta, Grün und Gelb. Ihr Zitrusnektar enthält die typischen perlenförmigen Kügelchen, die im Mund zerplatzen und ihren Fischrogendoppelgängern sehr ähnlich sehen. Fingerlimitten werden gerne aufgrund ihres säucherlichen, zitronigen und herben Geschmacks für die Herstellung diverser Spirituosen verwendet und sie gelten auch als beliebte Dekoration für Cocktails.
Zitronenmyrte: Eine angenehme Mischung aus Zitronengras, Zitronen- und Limettennoten mit dezent cremiger Basisnote und ein bisschen Eukalyptus. Die Blätter haben einen sehr intensiven Geschmack, aber sind weniger sauer als die Rinde. Gibt einen kräutrigen Zitrusgeschmack bei der Herstellung von Wodka und Gin und wird auch für Liköre wie für italienischen Limencello verwendet.
Tasmanischer Pfeffer: Wird gepflückt, wenn sich die Farbe von Scharlachrot zu dunkler Pflaume oder Holzkohle-Braun wandelt. Die Beeren wachsen in Büscheln auf bis zu fünf Meter hohen Bäumen. Der elegante Geschmack passt zu dieser dekorativen Pflanze—Zitrus, Lavendel, Anis mit einem pfeffrigen Biss. Pfefferbeeren werden für ihre subtile kräuterige Wärme in Spirituosen wie Wodka oder Gin hinzugefügt und als Basis für einen komplexen, würzigen Likör verwendet.
Metha australis: Ein belaubter Strauch, der entlang Wasserstraßen, am Waldboden und anderen feuchten Orten wächst. Seine kleinen, weichen grünen Blätter sind dem Aroma der Grünen Minze sehr ähnlich, aber mit einem scharfen Menthol-Biss. Von den Aborigines wurde die australische Minze zu medizinischen Zwecken eingesetzt und von Siedlern früher auch für Lammgerichte verwendet. Bei Spirituosen sorgt sie für eine minzige Frische und hebt die erdigen Noten der anderen Pflanzen hervor.
Queller: Diese knollige heimische Saftpflanze wächst in salzigen Watten und Mündungen. Queller wird roh oder gekocht gegessen und der Geschmack erinnert an Spargel (er ist auch als Seespargel bekannt) und Spinat mit einem unverkennbaren unterschwelligen Geschmack des Meers. Im Alkohol kommen die trockenen und salzigen Dimensionen zum Vorschein. Das Kraut wird auch als Garnitur für Cocktails verwendet.
Apium prostratum: Mit der europäischen Petersilie verwandt. Dieses Kraut wächst entlang der Küste zwischen Seegras und Sand und wird oft von der salzigen Flut überschwemmt. Das sorgt für einen grasigen Petersiliengeschmack, gepaart mit der Bitterkeit von Sellerie und dem typisch salzigen Geschmack des Meeres. Sorgt für eine pikante Note in den Geschmacksprofilen von Getränken.
Eucalyptus olida: Die extrem aromatischen Blätter dieses himmelhohen Eukalyptus haben einen femininen und feurigen Geschmack—eine angenehme Mischung aus Erdbeere und Passionsfrucht mit einer Mentholnote. Hebt die beerigen Qualitäten eines Brands hervor.
Akaziensamen: Geröstete Kaffee- und Schokoladenoten stechen in diesem erdigen Gewürz hervor. Bei Spirituosen wird es verwendet, um die Zitrusnoten auszugleichen und dem Getränk eine nussige Tiefe und Cremigkeit zu geben.