Wenn man sich das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2016 anschaut, hat man schnell das Gefühl, man würde eine unglaublich hirnverbrannte Parodie über das amerikanische Politikgeschäft gucken—Bulworth 2: Making America Great Again oder so etwas in der Art. Einfach alles daran erscheint so irreal.
Trump ist der wahrscheinlich rüpelhafteste, klassenclownigste, unhöflichste, stumpfeste und selbstgerechteste Kandidat, der je die Umfragen in dieser Art und Weise dominiert hat. Wie Jon Capehart von der Washington Post vor Kurzem bei Twitter schrieb: „Die Gruppe der republikanischen Präsidentschaftsanwärter 2012 wurde als Clownsauto verspottet. 2016 wird das Auto von dem Clown gefahren.”
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Vielleicht haben wir Amerikaner, die in einem politischen Klima leben, das so sehr um die wachsende Schere zwischen Arm und Reich besorgt ist, aber auch einen Kandidaten wie Trump verdient: einen Milliardär im Mittelpunkt des Rennens um die Präsidentschaftskandidatur, der mit den üppigen Privilegien eines reichen Mannes einfach alles vollsaut.
Trump ist so etwas wie der real gewordene Albtraum von Thomas Piketty, Verkörperung von dem, was passiert, wenn sich so viel Reichtum so lange auf eine einzigen Person konzentriert, dass diese keinen Anlass mehr zum Anstand hat, ihr Herz schließlich wie das des Grinchs zusammenschrumpft und der ganze leere Raum in seinem Körper sich mit Ego füllt.
Trumps Auftauchen unter dem Mikroskop seiner Kandidatur hat ihn uns allen so gezeigt, wie New Yorker ihn schon lange kennen: arrogant, unausstehlich, von sich selbst überzeugt und hemmungslos. Er scheint sich nie diese eigentlich erwachsene Eigenschaft angeeignet zu haben, es zu vermeiden, anderen Menschen unnötig weh zu tun. Er beleidigte mexikanische Einwanderer, verunglimpfte den Militärdienst von Senator John McCain und beleidigte zuletzt Fox News Moderatorin Megyn Kelly wegen ihrer Periode—seine Worte benutzt er dabei, um wie ein Alphatier, das seine Dominanz etablieren möchte, über alles und jeden zu pinkeln.
Obwohl er die Freiheit hat zu sagen, was auch immer ihm in den Sinn kommt, scheint Trump keinen einzigen ernstzunehmenden Gedanken in seinem Kopf zu haben. Angesichts all dessen scheint es unglaublich unwahrscheinlich zu sein, dass er das republikanische Kandidatenfeld anführt, aber genau das tut er. Donald Trump hängt seine Mitbewerber sogar buchstäblich ab.
Obwohl er bereits jetzt so viele disqualifizierende Kommentare von sich gegeben hat, dass es für einen ganzen Wahlkampf reichen würde, hält sich Teflon Don [nicht zu verwechseln mit Teflon Merkel] felsenfest an der Spitze aller Umfragen. Seiner eigenen Persona gegenüber scheint er offensichtlich immun zu sein. Eine Online-Umfrage von NBC News / Survey Monkey, die man nach der Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten durchgeführt hatte, zeigte, dass 23 Prozent der Befragten für Trump waren, und platzierte ihn dann weit vor seinem nächsten Verfolger, dem texanischen Senator Ted Cruz mit 13 Prozent. 54 Prozent gaben an, dass sie Trump auch wählen würden, wenn er als unabhängiger Kandidat antreten würde.
Ich kann aber trotzdem nicht sagen, was genau diese Trump-Unterstützer letztendlich dazu bringt, sich hinter ihn zu stellen. Vielleicht ist es eine Kombination aus einnehmender Persönlichkeit, Großkotzigkeit, Reichtum, garniert mit dem offensichtlichen Fehlen jeglicher Filter; vielleicht verkörpert er für sie eine Ablehnung der Regierung, eine Ablehnung des traditionellen Politikgeschäfts und des vermeintlich wütenden Über-Es der Rechten.
Das mag alles so sein, aber an seinen Positionen zu irgendwelchen Themen liegt es auf jeden Fall nicht—Trump vertritt nämliche keine ernstzunehmenden politischen Positionen. Dieser Mann scheint allergisch gegen spezifische Einzelheiten zu sein. Will er wirklich eine buchstäbliche Mauer zwischen die USA und Mexiko bauen? Ist das ein ernstgemeintes Vorhaben? Auf die Frage, was er gegen den Islamischen Staat unternehmen würde, antwortete er, dass „die so unglaubliche Probleme bekommen werden”, wenn er einmal Präsident ist. OK. Wie? Warum? Wann? Was zur Hölle?!?
Ja, selbst unter uns politischen Kommentatoren fragen wir uns langsam, ob wir vielleicht damit aufhören sollten, Trumps politische Grabrede zu schreiben. Diejenigen, die ihre Politik gerne mit einer kleinen Dosis Realität genießen, sollten aber weiter nicht davor zurückscheuen, Trump nicht ernst zu nehmen. Wir sollten auch weiterhin Trumps politische Totenrede schreiben, der Mann hat nämlich so ziemlich keine Chance auf einen Sieg. Wie Nate Silver letzte Woche schon herausarbeitete, speisen sich Trumps hohe Umfragewerte in großen Teilen aus seinem bekannten Namen und der flächendeckenden Berichterstattung in den Medien: Es gibt eine fast perfekte Korrelation zwischen den Umfragewerten eines Kandidaten und der medialen Aufmerksamkeit, die ein Kandidat bekommt.
Silver erinnert uns auch daran, dass die Tatsache, dass man auf nationaler Ebene ein großes Feld von Kandidaten anführt, nicht unbedingt der stärkste Indikator dafür ist, wie das Rennen am Ende ausgehen wird. Nachdem diverse Mitbewerber erst einmal ausgeschieden sind, wird Trumps Führung ziemlich sicher schrumpfen. Schließlich liegt der Anteil derer, die sich explizit gegen ihn ausgesprochen haben, bei 60 Prozent und ist damit höher als bei jedem anderen Kandidaten im Rennen.
Eine Präsidentschaft von Trump wäre mit an absolute Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit katastrophal für Amerika. Trotzdem hat es auch etwas Trauriges, dass ein derartig beliebter Kandidat keine Chance darauf hat, von seiner eigenen Partei nominiert zu werden. Der echte Grund nämlich, warum Trump nicht gewinnen wird, ist der, dass die amerikanische Bevölkerung gar nicht in den Genuss kommt, ihre Präsidentschaftskandidaten auswählen zu dürfen—genau so wenig, wie das Publikum beim Eiskunstlaufen mitbestimmen darf, wer gewinnt.
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Aber wer entscheidet dann darüber? Das wird in einem faszinierenden Buch von 2008 mit dem Namen The Party Decides: Presidential Nominations Before and After Reformerklärt, das von vier Politikprofessoren geschrieben wurde—federführend waren dabei Marty Cohen von der James Madison University und David Karol von der University of Maryland.
Das Buch räumt mit der Vorstellung auf, dass das Rennen um die Präsidentschaftsnominierung eine Art Hollywood-Romanze sei, in der ein charmanter, Richard Gere-mäßiger Kandidat die Wähler seiner Partei—diese wären dann wohl die Julia Roberts in dem Szenario—auf magische Weise um den Finger wickelt und für sich gewinnt. In der Realität sind es nämlich die Partei-Eliten, die den offiziellen Präsidentschaftskandidaten auswählen. Sie gestalten alles so, dass die breite Masse am Ende für ihre Auswahl stimmt. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die Eliten in Washington und die großen Geldgeber ihren mächtigen Status nur dadurch erlangt haben, dass sie dem gemeinen Volk die wichtigste Entscheidung überlassen, die eine Partei treffen kann, nämlich ihren offiziellen Präsidentschaftskandidaten zu wählen?
The Party Decides zufolge wird der Einfluss auf und letztendlich auch die Kontrolle über die Nominierungen durch die Eliten am offensichtlichsten anhand der Endorsements (offiziellen Unterstützungsbekundungen) deutlich. Die Autoren sind der Meinung, dass diese der wahrscheinlich signifikanteste Faktor darüber sind, wer die Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur gewinnen wird.
Die Professoren hatten untersucht, welche Kandidaten zwischen 1976 und 2004 während des Rennens um die Kandidatur von amtierenden Gouverneuren ein solches Endorsement bekommen hatten, und fanden heraus, dass mit einer einzigen Ausnahme bei allen Rennen der Mann die Nominierung für sich gewinnen konnte, der noch vor den Vorwahlen in Iowa die meisten Gouverneure auf seine Seite bekam.
„In den letzten 25 Jahren”, schreiben die Autoren, „haben die Demokraten und die Republikaner immer die Wahl ihrer Präsidentschaftskandidaten beeinflusst und oft auch kontrolliert.” Später vergleichen sie das Spektakel mit dem olympischen Eiskunstlauf:
Die Eiskunstläufer stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit, während sie über das Eis gleiten, springen und manchmal auch fallen. Wenn man nach den Fernsehbildern geht … wird der Wettkampf von den Läufern ausgetragen. Die Athleten bestimmen aber nicht die Zahl und Art von Sprüngen und Drehungen, die sie abliefern müssen. Genau so wenig legen sie die Standards für die Darbietung fest. Und am allerwenigsten suchen sie die Punktrichter aus. Diese werden von den großen Eiskunstlaufverbänden ausgewählt, um sicherzustellen, dass die ausgemachten Wettkampfregeln und Bewertungskriterien auch angewandt werden. Die Läufer gewinnen nicht, indem sie sich selbst oder ihren Trainern gefallen—oder dem Publikum in der Arena—, sondern den Richtern und der Gruppe von Insidern, die diese vertreten.
Den Amerikanern wird ständig gesagt, dass ihr Land eine Demokratie sei. Tatsächlich aber sind die Vereinigten Staaten im besten Fall eine schwache Demokratie, in der die etablierte Elite einen enorme Macht ausübt, während die große Masse im Glauben gehalten wird, dass sie mitreden kann. Und in diesem Spielchen, das von den politischen Eliten kontrolliert wird, denen es vor allem um die Wählbarkeit eines Kandidaten geht, hat Trump keine Chance.
Endlich mal in Trumps langem, von Glück erfülltem Leben stehen alle Zeichen gegen ihn. Trump hat nämlich im Gegensatz zu seinen republikanischen Rivalen nicht Jahre damit verbracht, die Loyalität politischer Eliten in einem Bereich für sich zu gewinnen, der hier essentiell ist.
Die Ironie an der ganzen Sache ist allerdings, dass Trump wahrscheinlich mehr mit den Eliten gemein hat, die alles dafür tun werden, um seine Kandidatur zu stoppen, als mit den Wählern, die meinen, ihn zu mögen. Wenn das hier ein Spiel ist, hat Trump nichts auf dem Feld verloren. Er gehört in die Inhaber-Loge, in der darüber entscheiden wird, wer mitspielen darf. Die amerikanische Inlandspolitik ist wie ein brutales Footballspiel und Trump ist einfach nicht als Spieler gebaut. Es gibt gute Gründe, warum sich die Eigentümer nie auf dem Spielfeld sehen lassen.
Titelfoto: PROGage Skidmore | Flickr | CC BY-SA 2.0