Bryan Lewis Saunders hat in einem seiner bekanntesten Projekte 60 verschiedene bewussteinsverändernde Drogen genommen und sich danach in 60 Selbstporträts dargestellt. Noch faszinierender ist aber die Tatsache, dass der in Tennessee lebende Künstler sogar seit 21 Jahren jeden Tag ein Bild von sich malt. „Für mich gehen mein Leben und meine Kunst eine Art Symbiose ein, in der sich die beiden fortwährend gegenseitig verbessern und einander annähern. Es gibt keine Grenzen“, erzählte Saunders gegenüber The Creators Project. Seine eingangs erwähnten Arbeiten im Drogenrausch mit dem Titel Under the Influence waren nur eins seiner vielen radikalen Projekte. Saunders zeichnete sich bereits mit verbundenen Augen, und auch die Gefühle, die er hatte, als er verliebt war, als er Panikattacken durchlebte und als er gefoltert wurde, verarbeitete er zu beeindruckenden Selbstporträts. Für seine Kunst hat er sogar einen Monat der absoluten Stille eingelegt. The Creators Project traf den Künstler und fragte ihn, wie seine Arbeit ihn verändert hat, warum er sich ständig selbst neue Herausforderungen stellt, und ob es etwas in ihm oder seiner Arbeit gibt, das er nicht darstellen würde.
The Creators Project: Du zwingst dich ständig selbst dazu, aus deiner Komfortzone herauszutreten. Warum?
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Bryan Lewis Saunders: Komfortzonen fördern vielleicht das künstlerische Geschick, doch meiner Meinung nach hemmen sie die Kreativität. Je mehr wir uns von unseren Komfortzonen entfernen, desto mehr verändern sich die Dinge um uns herum und werden uns fremd; wir aber werden dadurch hypersensibel und nehmen alles viel intensiver wahr. Diese langen Zeiträume anhaltender Überempfindlichkeit scheinen für eine Menge meiner Kreativität zuständig zu sein.
Hast du beim Malen deiner Bilder eine bestimmte Routine?
Wenn ich nicht gerade ein Experiment durchführe, folge ich keiner besonderen Routine. Der beste Weg ist für mich, dem Teil meiner Selbst, der im hier und jetzt lebt gegenüber offen und aufnahmefähig zu bleiben. Der anderen Teil meiner Selbst hingegen erinnert sich an Dinge und nutzt diese Erfahrungen, um Erinnerungen und Geschichten zu erschaffen.
Deine Arbeiten sind ziemlich persönlich. Gibt es einen Aspekt deiner Arbeit, den du nur sehr ungern zeigen würdest?
Ich versuche stets, mich nicht zu zensieren, doch natürlich gibt es Dinge, die ich nicht online stellen würde. Mein Projekt Sensations beispielsweise entstand in Zusammenarbeit mit Nicole Bailey, in der wir das Zeichnen als Mittel genutzt haben, unsere körperlichen Gefühle auszudrücken und zu vergleichen. Es waren Gefühle, die wir erlebten, als wir miteinander ziemlich intim wurden. Diese Bilder haben wir nur im Rahmen von Ausstellungen in Galerien gezeigt.
Welches deiner Projekte war das schwierigste?
Das The Third Ear Experiment und While Being Tortured haben mir rein körperlich am meisten abverlangt, da beide lange dauerten und mit Schmerzen verbunden waren. Die Psych Tests waren mental eine riesige Herausforderung, da sie absichtlich meine Probleme und Ängste an die Oberfläche bringen sollten, um sich dann mit ihnen auseinanderzusetzen. Doch all diese schmerzhaften Erinnerungen, gestörten Fantasien und Traumata noch einmal hervorzubringen und sich ihnen lange genug auszusetzen, um sie künstlerisch umzusetzen, kann sehr kraftraubend sein.
Wie würdest du dich fühlen, wenn du plötzlich mit deinen Selbstporträts aufhören würdest?
Ich könnte nicht mehr auf meine versteckten, unterbewussten Gefühle zugreifen und wäre nicht mehr fähig, sie zu auszuwerten. Mein Schaffensprozess erlaubt mir, durch externe Mittel mein Inneres sehr intensiv zu erleben. Es ist, als hätte ich ein zusätzliches Sinnesorgan; eine zusätzliche Wahrnehmungsebene.
Hast du schon eine Idee für dein nächstes Projekt?
Da gibt es so einiges. Ich werde mich an Schlaf- und Traumexperimenten versuchen. Im Juni gebe ich ein Konzert in Paris. Und ich werde mit Andrew Kirchner bei seiner Plattenfirma Mistake by the Lake (MBTL) ein neues Album aufnehmen. Zeichnen ist der eigentliche menschliche Urinstinkt; neue Assoziationen und Gedankenformen herzustellen, die dazu führen, dass man neue, machtvolle Tools nutzt, um sich selbst damit auszudrücken. Man sollte einfach nie mit dem Zeichnen aufhören.
Hier könnt ihr euch die Doku The Art of Darkness über Saunders’ Arbeiten ansehen.
Auf Bryan Lewis Saunders Webseite könnt ihr euch mehr von seinen Projekten anschauen.