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Der Mann, der die berühmteste Plastikvagina der Welt erfunden hat, will damit einen Bildungsprozess starten


Lagerbestände der Stoya-Fleshlight

Steve Shubin will, dass wir mehr darüber sprechen, wie wir uns selbst anfassen. Der Erfinder des erfolgreichsten Sexspielzeugs der Welt, einer künstlichen Vagina in der Form einer Taschenlampe, sagt, dass es die Pflicht eines jeden Mannes sei, regelmäßig zu masturbieren. Er wundert sich, warum Unterhaltungen über Dildos mittlerweile als akzeptables Gesprächsthema beim Brunch durchgehen, männliche Sexspielzeuge aber nach wie vor tabu sind.

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Die Entwicklungen der sinnlichen Selbstbefriedigung haben Steve allerdings nicht sein Leben lang beschäftigt. Der Mann, der heute zu den wohlhabendsten Verfechtern des Onanierens zählt, wuchs in einem Arbeiterhaus mit 13 Geschwistern auf. Sein Football-Talent brachte ihn aufs College, worauf eine kurze Anstellung beim Militär und sieben Jahre bei einer Spezialeinheit der Polizei in Los Angeles folgten.

„Der Polizeiberuf ist großartig, aber man verdient nicht viel; Du kannst dir nie etwas besonderes kaufen, und das war eigentlich immer das, was ich erreichen wollte“, erzählte er mir. „Ich bin eines von 14 Kindern, in meiner Kindheit hatte ich nichts. Ich war besessen von der Idee, alles zu haben.“ Mit 32 gab Steve seinen Job bei der Polizei auf und gründete ein eigenes kleines Unternehmen.
Er war schon über vierzig, als ihn die Schwangerschaft seiner Ehefrau auf das Gewerbe brachte, das er nun beherrscht.

„Der Arzt sagte, dass wir, weil wir schon vierzig waren, sehr vorsichtig sein müssten und während der Schwangerschaft keinen Geschlechtsverkehr haben sollten“, erklärte er. „Das war am Anfang der Schwangerschaft. Für mich war das ein Problem. Wenn man mir sagt, dass ich neun Monate keinen Sex haben kann, dann ist das ein Problem für mich.“

Als sie eines Abends im Restaurant saßen, um die Schwangerschaft zu feiern, wandte sich Steve zu seiner Frau Kathy und sagte: „Sag mal, würdest du mich eigentlich für total pervers halten, wenn ich dir sagen würde, dass ich während unserer sexuellen Abstinenz etwas benutzen würde, das dich sexuell ersetzt?“

Steve Shubin, der Gründer von Fleshlight

Zuerst lachten beide über die Vorstellung, wie ein 1,90 Meter großer und 90 Kilo schwerer Mann mit einer Gummipuppe intim wird. Auf dem Heimweg griffen sie das Thema trotzdem noch einmal auf. „Wir fragten uns: ,Was wäre eigentlich, wenn wir ein Problem hätten, das sich nicht mehr beheben ließe? Eine körperliche Behinderung oder eine psychische Behinderung—etwas, das ein normales Sexleben unmöglich macht“, erzählte Steve. „Weil es ja ganz andere Fälle gibt als mein aktuelles, sehr begrenztes Problem, fingen wir an, über die Sache nachzudenken.“

Mit einer Anfangsinvestition von 50.000 Dollar gründeten sie das Unternehmen, das später Fleshlight heißen sollte. Kathy wollte unbedingt, dass die hergestellten Produkte geschmackvoll sind. Ein paar Recherchen ergaben, dass es auf dem Markt nicht wirklich Konkurrenz gab.

1995 hatten sie ein Produkt entwickelt, das sie für so gut hielten, dass sie es unter der romantischen Bezeichnung „Puppe mit sexueller Anwendung“ patentieren ließen. Steve zufolge waren die ersten patentierten Puppen „anatomisch perfekt geformt, mit einem Körper, den du nicht einmal hättest, wenn du im Fitnessstudio wohnen würdest.“

Fleshlight ist ein Familienbetrieb. Bei den ersten Brainstorming-Sitzungen wurden auch Steves Söhne zu Rate gezogen, die damals noch Teenager waren. Die Shubins versammelten sich eine Woche lang um den Esstisch und schnitten ihre Lieblingskörperteile aus Zeitschriften aus, bis sie einen Prototyp entwickelt hatten. Irrelevante Teile wie Oberkörper und ein Gesicht waren ausgespart, die „Öffnung“ war austauschbar und leicht zu reinigen. Hergestellt wurde sie aus einer patentierten Mischung aus Thermoplasten und Ölen, die für das Gefühl menschlicher Haut sorgen.

Ein Querschnitt durch den Fleshlight-Vstroker

Shubin beschreibt sich als „verrückten Wissenschaftler“, der auf der Jagd nach dem ultimativen synthetischen Fuckbuddy ist. „Als Mann weißt du: Wenn sich etwas nicht echt anfühlt, kann uns der körperliche Kontakt nicht begeistern. Das war also die oberste Priorität.“

Zwei Jahre und über eine Viertelmillion Dollar später, war noch keine einzige Puppe verkauft worden. Zu dieser Zeit kam Bob, ein erfolgreicher Geschäftsmann und ein alter Freund der beiden zu Besuch. Er war beeindruckt von dem Produkt. Als Steve ihn wieder zum Flughafen brachte, fragte er, ob er ihm eine der Vagina-Einsätze zukommen lassen könne. Shubin bot an, ihm den gesamten Körper zu schicken, aber Bob lehnte ab: „Oh, nein, nein, nein. Mach das bitte nicht. Ich habe Kinder“, sagte er. „So etwas könnte ich niemals im Haus haben.“

„Als ich nach Hause fuhr, dachte ich: Mein Gott, wenn ich mein Produkt nicht einmal einem Freund schenken kann, wie soll ich jemals eins davon verkaufen?“ Steve dachte nach. Ihm wurde klar, dass die Größe vielleicht doch viel wichtiger war, als er bisher gedacht hatte.  
Noch während der Autofahrt fing er an, das Produkt gedanklich neu zu entwerfen. „Ich wusste, dass es handlicher sein musste. Es musste klein sein. Außerdem musste es gut in der Hand liegen, damit man es leichter benutzen konnte. Ich dachte: Männer mögen Werkzeuge. Ich entschied mich also für die Form einer Taschenlampe und beschloss, es Fleshlight zu nennen.“

„Als ich im Büro ankam, ließ ich meine Leute sofort an dem neuen Konzept arbeiten“, erzählte mir Steve. „Ich kontaktierte auf der Stelle meinen Anwalt und kümmerte mich mit ihm um Copyright-Fragen und den Schutz des Namens. Ich kaufte die URL und fing gleich mit der Vermarktung an, während wir noch dabei waren, das Produkt zu entwickeln.“

Als ihm ein vielversprechendes Endprodukt vorlag, bestand die nächste Herausforderung darin, die Kunden zu erreichen. Es war das Jahr 1997, das Internet steckte noch in den Kinderschuhen. „Niemand vertraute uns. Wir waren begeistert von unserem Produkt, doch niemand würde seine Kreditkartennummer angeben, um es zu bestellen“, sagte Steve.

Die Fleshlight Lagerhalle

Trotz dieser Herausforderungen war sich Steve sicher, dass seine Erfindung ein einschlagender Erfolg sein würde. Um der erwarteten Nachfrage begegnen zu können, wurden täglich über 1.200 Stück produziert. Noch bevor ein einziges Produkt verschickt worden war, hatten die Shubins 2 Millionen Dollar investiert.

Vier Jahre und viele Tiefschläge später hatte sich diese Investition bezahlt gemacht. Fleshlight wurde ein millionenschweres Unternehmen und Markführer für Sexspielzeuge.

Dennoch gibt es noch immer wieder Hürden. Anders als bei Dildos sträubt sich die Gesellschaft noch immer dagegen, künstliche Vaginen zu akzeptieren. Steve sagte, dass Sendungen wie Sex and the City und Oprah eine hilfreiche Diskussion über Vibratoren in Gang gesetzt haben, die beim Thema der männlichen Masturbation noch aussteht.Vielleicht liegt das Problem darin, dass es trotz unserer scheinbar so liberalen Haltung noch immer tabu ist, über Selbstbefriedigung zu sprechen. Auch wenn wir nicht mehr glauben, dass Masturbation geisteskrank oder blind macht, wirst du tagsüber im Fernsehen keine Berichte über Masturbationshilfen und künstliche Vaginen finden.

Als sich Fleshlight bezüglich einer Produktanzeige an die Maxim wandte, wurde die Anfrage prompt abgewiesen. Es sei keine Frage des Geldes, hieß es. Niemand würde wollen, dass seine Marke mit Männern in Verbindung gebracht wird, die sich einen runterholen. Shubin meinte, dass dies ein Gender-Problem sei. Frauen würden es nicht gerne hören, dass Männer gern und notwendigerweise masturbieren. Dass die Maxim es ablehnte, die Fleshlight-Anzeige zu schalten, lag seiner Meinung nach auch an der Furcht, Leserinnen zu vergrämen. 

Shubin argumentierte, dass Männer einfach mehr Orgasmen bräuchten als Frauen, die die rechte Hand ihres Mannes manchmal sogar als Konkurrenz betrachten. „Wenn du deiner Frau sagst, ,Liebste, wir haben letzten Monat acht Mal miteinander geschlafen, aber ich hatte 30 Orgasmen‘, dann fühlt sie sich betrogen“, sagte er. „Sie hat das Gefühl, dass du sie nicht liebst. Sie denkt, dass sie dich verliert.“

Steve sagt, dass sich sein Sexleben enorm verbessert hat, als er zum ersten Mal einen Fleshlight-Prototyp mit nach Hause brachte. „Was ist los mit dir?“, fragte er Kathy, die so viel Lust auf Sex hatte, wie schon lange nicht mehr. „Ich will nicht, dass du nur noch Energie für diese Fleshlight-Vagina hast“, sagte sie.

Mit diesem Halter kann Fleshlight auch in der Dusche befestigt werden.

Für Shubin liegt der Schlüssel zu sexueller Befreiung in der Aufklärung beider Geschlechter. Männer müssen lernen, sich nicht dafür zu schämen, durch Masturbieren „ihrer Biologie, ihrer Ausgeglichenheit“ genüge zu tun. Frauen müssen verstehen, dass „sexuelle Befriedigung für Männer keine emotionale Sache ist. Sie hat nichts mit Liebe und nichts mit ihrer Ehefrau zu tun. Sie ist unmittelbar und spontan. Wenn ich fertig bin, denke ich nicht mehr darüber nach.“

Bei diesem Bildungsprojekt geht es nicht nur darum, den Verkauf von Fleshlight anzukurbeln. Shubins Mission besteht darin, Männern zu helfen, die in einer mit ihrer Biologie inkompatiblen Gesellschaft leben. „Die Domestizierung von Männern ist gut für unsere Umgangsformen, nicht aber für unser biologisches Bedürfnis, wie ein Mann zu funktionieren“, sagte er. „Die Gesellschaft erlaubt uns nicht mehr, das zu tun, was wir vor einer Million Jahren getan haben. Wir können nicht mehr einfach auf sexuelle Jagd gehen, wie wir es wahrscheinlich vor Hunderttausenden Jahren getan haben, und das ist großartig. Dennoch sind wir biologische Wesen.“

Er fuhr fort: „Das ist aber nicht das Problem der Frauen. Frauen sind nicht auf der Welt, um unsere sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Verantwortungsvolle Männer kümmern sich selbst darum. Wenn ich meine Sexualität nicht im Griff habe, ärgert es mich, wenn meine Frau sexuell weniger aktiv ist als ich. Ich musste erst erwachsen werden, um zu lernen, wie ich funktioniere. Meine Frau ist nicht mein Callgirl oder mein Sexspielzeug. Meine sexuelle Beziehung zu meiner Frau basiert darauf, dass zwei Menschen intim miteinander sind und ein gemeinsames Leben führen. Für sexuelle Bedürfnisse, die darüber hinausgehen, bin ich selbst verantwortlich.“

Diese Umerziehung richtet sich jedoch nur nur auf persönliche Beziehungen. Shubin hat weit größere Pläne und hofft, Fleshlight auch auf dem indischen Markt einzuführen. „Wir wissen, dass Indien gerade ein großes Problem mit Sexualität, männlichem Verhalten und dem Missbrauch von Frauen hat“, sagte er. „Ich hoffe natürlich, dass es nur einen sehr kleinen Prozentsatz betrifft, aber es muss ein Bildungsprozess in Gang kommen. Es gibt ein dringendes Bedürfnis nach einem alternativen Produkt und einer Einstellung, die es erlaubt, dieses Produkt zu benutzen.“
Der asiatische Markt hat sich besonders vehement gegen Fleshlight gesperrt. „Sie wollen keine Produkte importieren, die menschlichen Körperöffnungen ähneln“, erklärte Steve. Um dieses kleinere Problem zu umgehen, wurden Produkte hergestellt, die keine Ähnlichkeiten mit menschlichen Körperteilen aufweisen. Sie werden als Ehehilfen vermarktet und als „biologische Versorgung“ verfrachtet.

Die Sache mit dem Penis ist, dass er, anders als die meisten anderen Muskeln, mit keinem Knochen verbunden ist, erklärte Steve. Dadurch wird er weniger trainiert. „Wenn du ihn nicht mit Blut füllst, ausfährst und aktiv werden lässt, dann verkümmert er“, warnte er. „Er kann schrumpfen.“ Eine verstopfte Prostata und das damit verbundene Krebsrisiko stellen eine weitere Gefährdung für Männer dar, die sich weigern, regelmäßig ihre Drüsen zu säubern. 

Dass Asien bisher nicht besonders lukrativ für Fleshlight war, hat das Unternehmen jedoch nicht abgeschreckt. Überraschenderweise möchte es seine finanziellen und technischen Ressourcen asiatischen Elefanten zugute kommen lassen, die in Ländern wie Thailand und Burma Landminen zum Opfer gefallen sind.

Das Foyer von Fleshlight

„Man findet sehr häufig Elefanten, denen ein Teil ihres Beins weggesprengt wurde“, erzählte mir Steve. „Wir arbeiten gerade daran, diesem Bedarf an Prothesen entgegenzukommen. Wir haben ein Forschungs- und Entwicklungslabor in New Mexico, das von einem meiner Söhne geleitet wird.“

Ein anderes Wohltätigkeitsprojekt versorgt Patientinnen, denen die Brust amputiert wurde, mit entsprechenden Prothesen. Außerdem werden modernere Methoden erforscht, um Sperma von Rennpferden zu gewinnen.
Obwohl das äußerst vorbildlich klingt, geriet das Unternehmen in der Vergangenheit auch in die Kritik. Doch Shubin weiß, dass man kein Sexspielzeuge herstellender Multimillionär sein kann, ohne sich ein paar Feinde zu machen.

Du musst nicht lange googeln, um auf verdrossene Ex-Angestellte zu stoßen, die über ein launisches oder schlichtweg inkompetentes Management klagen. Als ich Steve die Bewertungen der Angestellten vorlegte, sagte er:  „Wenn Leute entlassen wurden, kann ich dir versprechen, dass sie keine gute Arbeit geleistet haben.“

Andere Kritikpunkte waren wiederum harmloser. Shubin achtet darauf, Konfrontationen mit Gläubigen zu vermeiden. Der einzige Zusammenprall, den es mit der Kirche gab, erinnert eher an eine Kunstperformance. Kurz nach der Unternehmensgründung hatte ein Angestellter bemerkt, wie jemand etwas vor dem Bürogebäude vergrub. Als er näher kam, erkannte er, dass der Fremde eine Reihe kleiner Kreuze aufstellte. Als der Angestellte ihn fragte, was er da tue, sagte der Fremde: „Wir bringen Christus zu euch!“, und ergriff die Flucht.

Das Unternehmen wusste, welcher Kirche der Mann angehörte, entschied sich aber, keine große Sache daraus zu machen. Shubin erklärte: „Wir fühlten uns nicht angegriffen. Wir hatten keinen Ärger mit ihm. Es war nie ein wirkliches Problem, weil ich das Thema Sexualität und Religion vermeide.“ Auch wenn Steve die Mission verfolgt, Masturbation massenkompatibel zu machen—an einem Messerkampf mit der Kirche hat er kein Interesse.

Vorerst wollen Steve und seine Familie uns dazu ermutigen, über unsere körperliche Beziehung zu uns selbst zu sprechen. Dazu haben sie auch in die Web-TV-Sitcom The Fleshlight investiert. Momentan hat sich das Unternehmen das Ziel auf die Fahnen geschrieben, männliche Masturbation zu normalisieren. Dennoch sind sich die Beteiligten bewusst, dass es mehr als nur der Reden eines Sexspielzeugherstellers bedarf, um wirklich etwas zu ändern. „Es ist ein Thema, über das wir nicht sprechen“, sagte Steve. „Die Diskussion ist jedoch notwendig. Die Leute müssen verstehen, dass wir, um zivilisiert zu sein, uns um unseren Körper kümmern müssen.“