Dieser Artikel ist Teil des VICE Guides für Festivals, alle Texte findet ihr hier.
Ein Moshpit-Verhaltenscodex ist ein Paradoxon. Soviel vorweg. Trotzdem kann man ein paar ungeschriebene Regeln in diesem spaßigen Chaos erkennen, das als Moshpit bekannt ist. Und die anderen Teilnehmer werden es dir danken, wenn du dich daran hältst. Sie sind nicht schwer zu verstehen – nicht einmal, wenn du schon einen Eimer Bier intus hast. Hier sind sie also:
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1. Helft euch gegenseitig auf
Wir leben im Jahr 2018 und die meisten Leute lassen sich von unbekannten sexuellen Vorlieben nicht mehr so leicht schocken. Penetration mit lebendigen Fischen, sich nur mit einer Windel bekleidet in Gulasch rollen – egal wie befremdlich die Aktivität auch sein mag, irgendjemand geht immer darauf ab. Allerdings habe ich noch niemanden kennengelernt, der darauf steht, von einer Masse aus matschigen Schuhen und wässrigem Bier plattgewalzt zu werden. Selbst deinem ärgsten Feind MUSST du einfach wieder auf die Füße helfen, wenn er oder sie hinfällt. Dies ist nicht zufällig das erste Gebot. Seit der Entstehung des Phänomens Moshpit ist dies die erste Regel, die jeder befolgen sollte. Hilf. Leuten. Auf.
2. Wirf Bier
Leute, die sich über geworfenes Bier beschweren, sind wahrscheinlich nur genervt, weil sie dich nicht vorher nach deinem Pfandchip fragen können. Also: Trink mehr als genug (weil die meisten deiner Körperflüssigkeiten sich mit dem Einsetzen der Musik in puren Festival-Schweiß verwandeln werden), aber lass immer ein bisschen Flüssigkeit in deinem Becher. Es ist (bestimmt) ein wissenschaftlich bewiesen, dass ein Schluck Bier einen leeren Plastikbecher wesentlich aerodynamischer macht. Der Könner weiß, dass ein zu dreiviertel gefüllter Bierbecher sogar die gleichen aerodynamischen Eigenschaften besitzt wie ein Badmintonball. Übung macht den Meister und bevor du dich versiehst, kannst du diesem ätzenden Typen mit dem Bambusstock eine lehrreiche Fern-Dusche verpassen.
3. Sei keiner dieser Lappen, die an der Seitenlinie stehen
Die einzigen Leute, die in der Lage sind, dir den Spaß im Moshpit zu verderben, sind die, die augenrollend am Rand stehen und sich zwischendurch zum passiv-aggressiven schubsen hinreißen lassen. Wenn dir das festliche Gemenge tatsächlich nicht gefällt, geh einfach und stell dich ein paar Meter weiter weg! Das gibt dir auch eine exzellente Ausrede, um dir noch ein paar Bier zu genehmigen. Wenn der erbitterte Schubser das aber nicht von sich aus machen sollte, schleich dich einfach aus dem Pit und von hinten an ihn heran und trage ihn mitten in den Pit. Hoffentlich wird das Schubsen dann aktiv-aggressiv, was mit Sicherheit den ganzen Pit zum Lächeln bringt.
4. Sei dir deiner Umgebung bewusst
Moshpits sind keine Spaß- und Spielorgien, bei denen alle das gleiche Kirchenlied singen. Manchmal kann das Ziehen und Schubsen ein bisschen düster werden. Das ist nicht per se schlecht, solange alle Beteiligten sich freiwillig ins Gefecht gestürzt haben (die einzige Ausnahme zu dieser Regel ist in Punkt 3 beschrieben). Also solltest du, bevor du einen neuen Pit startest, sicherstellen, dass die Leute um dich herum Lust auf ein bisschen Körperkontakt haben und dass das Musikgenre passt. Erinnerst du dich noch, als du deine Schrittkombination mit einem Bodycheck auf das nächste Level bringen wolltest, aber keiner mitmachen wollte? Das lag daran, dass die Leute um dich herum zu beschäftigt waren, Teer und Federn zu suchen. Um dich abzustrafen.
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5. MDMA macht müde Miesepeter munter. Nicht.
So wie manche Musikrichtungen nicht mit der hohen Kunst des Moshens gemischt werden sollten, ist es auch keine gute Idee, gewisse Drogen mit diesem um sich schlagenden Tsunami aus Bierschweiß zu mischen. Fängt deine Hälfte gerade an reinzukicken, wenn du durch deine getönten Ray Bans siehst, wie die Menge sich wie eine Welle am Strand zurückzieht, um sich für den unaufhaltsamen, abscheulichen Angriff vorzubereiten, der sich anbahnt? Dann hol dir bitte einen Mojito und setz dich irgendwo ganz ruhig ins Gras. Niemand – und ich meine wirklich niemand – genießt es, wenn ein Tsunami-Teufel durch die Menge springt und dabei mit seinem Kiefer schnappt wie ein wildgewordener Piranha.
6. Entledige dich aller materiellen Besitztümer
Wenn du deinen Fuß in den Pit setzt, wirst du wahrscheinlich mehr verlieren als nur deine Würde. Vielleicht hast du gerade ein brandneues Paar federleichter, futuristischer Sneaker erstanden, um das Herz anderer Festivalbesuchenden zu ergattern. Exzellente Idee – aber im Moshpit nicht sehr hilfreich. Ein Nachmittagsspaziergang durch ein Moor wäre wahrscheinlich weniger schädlich für dein neues Schuhwerk. Außerdem sind deine Schuhe normalerweise nicht dein einziges Besitztum. Normalerweise wirst du ein Handy, ein Portemonnaie und wahrscheinlich genug Wertmarken dabeihaben, um eine durchschnittliche Toilette zu fluten. Finde also einen verlässlichen Partner, um deinen Scheiß bei ihm abzuladen.
7. Lass dich nicht unnötigerweise auf den Boden fallen
Wenn du doch etwas verlieren solltest – einen Schuh oder einen Weisheitszahn –, schnapp es dir so schnell du kannst. Beweg dich zielorientiert und effektiv und du wirst nicht nur dir selbst einen Gefallen tun, sondern auch den netten Leuten im Erste-Hilfe-Zelt. Wenn du nicht sofort findest, was du verloren hast, warte besser ab, bis sich der Sturm gelegt hat. Während der Pit in vollem Gange ist, achtet niemand auf den Boden und dein geschätztes Besitztum liegt wahrscheinlich einfach irgendwo in der Nähe. Ein Bonus: Du wirst auch jede Menge Pfandchips auf dem Boden finden.
8. Zählen können
Wenn du Lust hast, den Party-Mood noch weiter aufzudrehen und einen Stage-Dive zu machen, stell sicher, dass um dich herum ein paar Leute stehen, die Zeit und Lust haben dich aufzufangen. Das sollte dir eigentlich keine Probleme bereiten – im Pit ist es einfacher, sich Freunde als Feinde zu machen und du hast dich wahrscheinlich eh mit Leuten, die du kennst, in die Schlacht gestürzt.
Deine Freunde sind auch extrem hilfreiche Verbündete, wenn es darum geht, Unruhestifter im Pit zu verwarnen. Jeder, der sich wie ein Idiot benimmt, wird nur damit aufhören, wenn er sieht, dass er alleine dasteht. Der beste Weg, mit Typen dieser Art zu kommunizieren, ist non-verbal: Der Einsatz von Ellbogen, gestellten Beinen oder Spucken wird dir weiterhelfen.
9. Ignorier alles bereits Genannte
Das ist die neunte und wahrscheinlich am wenigsten langweilige Regel. Es ist völlig egal, was du in einem Pit machst. Das Schöne am Moshen ist, dass du im totalen Chaos Muskeln verletzt, von denen du nicht einmal wusstest, dass du sie hast. Darum ist es auch sinnlos, dem Ganzen Regeln zur Ordnung auferlegen zu wollen. Was mich angeht: Mir ist es sogar egal, wenn du dich auf den Boden setzt und ein ganzes Bier über deine super teuren High Heels gießt. Ich hoffe nur, dass du mir hochhilfst, wenn ich hinfalle.