Der Mensch isst schon seit langer, langer Zeit die ungewöhnlichsten Tiere, meist jedoch aus medizinischen oder gesundheitlichen Gründen. Schwangeren Frauen wurde früher geraten, Taubensuppe zu essen, Tudors schlemmten Spatzen und Wildschweine und der englische Arzt Thomas Muffet riet: „Das Fleisch junger Eulen ist lecker und gut, stärkt den Geist, und lenkt von Melancholie und Wahnsinn ab.”
Seit fünf Jahren kochen zwei holländische Künstler unkonventionelle Tiere—zum Spaß, nicht wegen irgendwelcher fadenscheiniger Gesundheitsgründe. Rob Hagenouw und Nicolle Schatborn wollen Lebensmittelabfälle minimieren und Leuten etwas über Tiere beibringen, die als „Schädlinge” im Müll landen.
Videos by VICE
Das Paar lebt in der Nähe des Flughafen Schiphol in Amsterdam, wo häufig Gänse geschossen werden, um zu vermeiden, dass sie in die Motoren der Flugzeuge geraten und Unfälle verursachen. Von einem Freund, der Jäger war, fragte, erfuhr Hagenouw, dass die Kadaver meistens zu Haustierfutter verarbeitet werden.
„Wir waren wirklich erstaunt, dass keiner diese Gänse isst”, sagt Hagenouw ungläubig. „Sie sind doppelt so groß wie Hühner. In Supermärkten und Restaurants sieht man sie eigentlich nie, also fragten wir uns, was mit all den erschossenen Gänsen passiert.”
Hagenouws Jägerfreund bot ihm an, für ihn und Schatborn eine Gans zuzubereiten, was das Paar dazu inspirierte, ihre ersten Gänsekroketten zuzubereiten. Die Kroketten bestehen aus zwei Schichten: gekochtes Gänsefleisch und Mehl im Inneren und außen frittierte Brotkrümel.
Kroketten sind in Europa recht weit verbreitet, aber enthalten normalerweise eher Lamm- oder Hühnerfleisch. Laut Hagenouw schmeckt das rote Gänsefleisch ganz anders als beispielsweise Huhn. Der Geschmack hängt außerdem vom Geschlecht und dem Alter der Gans ab.
„Hühnerfleisch ist das, was die Leute am besten kennen. In der industriellen Erzeugung werden alle Tiere auf dieselbe Art und Weise gezüchtet und nach einer bestimmten Zeit geschlachtet, das heißt, es gibt keine Geschmacksunterschiede”, erklärt Hagenouw. „Supermärkte wollen keine Unterschiede im Geschmacks. Das erklärt auch, warum McDonald’s so erfolgreich ist—alles schmeckt immer gleich.”
Seit ihrem Krokettenexperiment sind Hagenouw und Schatborn noch auf weitere Tiere gestoßen, die erschossen, aber als Schädlinge betrachtet, statt gegessen werden. So kam ihnen die Idee zu The Kitchen of the Unwanted Animal: ein Food Truck mit Gerichten im Angebot, die aus Tieren zubereitet werden, die normalerweise verschwendet werden.
Auch in Holland werden Food Trucks und Food-Festivals immer beliebter. Hagenouw und Schatborn reisen mit ihrer fahrbaren Küche auf Festivals in ganz Holland und Belgien und verkaufen alles von Taubenfleisch bis Fischcremesuppe aus Resten von Amerikanerkrebsen. Das Paar nutzt diese Events auch als Gelegenheit zu thematisieren, warum bestimmte Tiere als Schädlinge angesehen werden.
Eines ihrer beliebtesten Gerichte ist Bisamgulasch. Bisamratten sind biberähnliche Tiere, die Mitte 18. Jahrhundert aus Nordamerika nach Holland kamen, als sie wegen ihres Fells ins Land gebracht wurden. Einige von ihnen entkamen und buddelten sich Höhlen in Dämmen. Seit 80 Jahren werden sie in Holland gejagt und jedes Jahr werden um 320.000 Tiere getötet. Laut Schatborn kommt der Geschmack des halb im Wasser lebenden Nagetiers dem von einem Hasen ähnlich.
„Das witzige an Bisamratten ist, dass die Niederländer, die Belgier und die Deutschen die Tiere unbedingt loswerden wollten. Rechtlich gesehen ist es verboten, Bisamratten wegen ihres Fells oder zum Verzehr zu verkaufen. Allen schmeckt es aber, also geben wir unseren Kunden zu den Pommes eine gratis Portion Bisamgulasch”, sagt sie.
Das umstrittenste aller Gerichte von The Kitchen of the Unwanted Animal ist der My Little Pony Burger, ein Brötchen gefüllt mit hausgemachter Mayonnaise, einem Spiegelei und Fleisch von alten Rennpferden. „Wir haben schöne Schilder und kleine My Little Ponys”, lacht Hagenouw. „Kleine Kinder kommen oft angerannt und rufen: ‚Ich will einen My Little Pony Burger.’ Wir stellen dann klar, dass es sich tatsächlich um Pferdefleisch handelt, hauptsächlich um Fleisch von alten Rennpferden.”
Hagenouw und Schatborn servieren auch Tauben vom de Dam, dem Hauptplatz in Amsterdam, wo sich die futtersuchenden Vögel scharen.
„Die meisten Leute finden Tauben eklig. Sie glauben, dass sie alle möglichen Krankheiten haben, weil sie die alten Pommes und Hamburgerreste der Leute vom Boden auffressen”, erklärt Hagenouw. „Aber Tauben schmecken wie das beste Rindersteak, das du je gegessen hast. Man nimmt die kleinen Brüste heraus, die je etwa 50 Gramm wiegen. Man brät sie ganz kurz in Butter an, sodass das Innere noch leicht roh ist. Schmeckt wirklich lecker.”
Das Paar hofft, The Kitchen of the Unwanted Animal noch viele weitere Jahre betreiben zu können und plant für die Zukunft, Krähen auf die Karte zu setzen, ein weiterer Vogel, der in den Köpfen der Allgemeinheit nicht gerade mit einem Festmahl in Verbindung gebracht wird.
„Das, was die beiden machen, ist ziemlich neuartig. Das Einzige, was alt ist, ist die zugrundeliegende Philosophie, nichts zu verschwenden”, sagt Day. „Ein guter Koch kann aus allem ein richtig leckeres Gericht zubereiten. Alles, was es dazu braucht, ist ein bisschen Fantasie und kulinarisches Verständnis.”
Und wer es schafft, etwas so unappetitlich klingendes wie Bisamrattengulasch so zuzubereiten, dass es lecker schmeckt, hat das definitiv bewiesen.