Detroit Swindle würden Mariah Carey einen richtigen Beat verpassen

Letzte Woche fand zum 19. Mal das Amsterdam Dance Event statt. Also die Woche des Jahres, in der das Grachtenparadies von der Gesamtheit aller Menschen dieser Welt besetzt wird, die eine Play/Pause-Taste bedienen können. Im letzten Jahr bevölkerten zum ADE knapp 2.200 DJs die Stadt und man kann wohl seine angestaubte Zwölfzehnernadel darauf verwetten, dass es in diesem Jahr nicht weniger waren. Wir haben zwar nicht nachgezählt, aber wir waren da und eine Weile hin und hergerissen, wie wir eine gesunde Balance finden zwischen touristischer Gelassenheit bei Käsebrot und Weednebel und dem Conventionchaos mit unzähligen Panels, Workshops, Businessgesprächen und brutalstem Partyprogramm. Zum Glück haben wir Maarten Smeets und Lars Dales von Detroit Swindle in einem vietnamesischen Streetfood-Laden getroffen. Neben einem köstlichen Sandwich haben die Beiden uns ein kleines ADE Coaching eingetrichtert:

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Thump: Als Amsterdam-Experten, was empfehlt ihr als drei Dinge, die man in der Stadt unbedingt tun muss, die man aber in keinem Touri-Guide findet?

Maarten: Also erst Mal musst du dir ein Sandwich bei Nghia N Nghia gönnen. Es ist Lars’ Lieblings-Laden, wenn es um ne kleine Zwischenmahlzeit geht. Das wäre Nummer eins. Was haben wir noch… RedLightRecords. Ist zwar auch schon etwas bekannter, aber es ist einfach ein guter Plattenladen und immer eine gute Ausrede, um einen Abstecher ins Rotlichtmilieu zu machen, haha.

Lars: Einer der Läden, die gerade aufgemacht haben ist das Cafe de Ceuvel, im Norden von Amsterdam. Viele Leute wissen nicht, dass es das gibt, auch viele Locals kennen es nicht. Es ist eine alte Werft mit vielen Hausbooten, die zu Ateliers und solchen Sachen umfunktioniert wurden. Die haben alles dort. Sie bauen Tomaten an, sie machen Barbeques, sie haben einen Pizza-Ofen. Ein echt toller Ort.

Ihr habt einen recht vollgepackten ADE-Schedule in diesem Jahr. Was war oder ist für euch am aufregendsten?

Maarten: Wir haben am Samstag unsere Labelnight im Stanislavski, zusammen mit Freerange und Delusions of Grandeur. Eigentlich nicht mehr als eine Ausrede, um alle unsere Freunde zusammenzutrommeln und mit ihnen zu spielen. Wir promoten dort ein paar Künstler, die auf unserem Label veröffentlichen, wir spielen selber, Session Victim spielen live, Frank Spangler spielt, es wird eine schöne sexy, underground Deephouse-Party. Vielleicht nicht die beste Adresse für Technoheads, aber definitiv ein Abend für Freunde von warmen, fuzzy Sounds, haha.

Lars: Mehr Adjektive bitte!

Maarten: Hehe. Naja und wir machen ein Riesendinner mit den ganzen Leuten. Darum geht’s ja letztendlich beim ADE. Die Leute treffen, die man zu selten sieht, weil entweder sie oder man selbst ständig unterwegs ist. Oder mit denen man zusammen arbeitet, ohne sie bislang getroffen zu haben.

Gute Überleitung zu meiner nächsten Frage: Im Durchschnitt, wenn ihr während des ADE durch die Straßen Amsterdams lauft, wie viele Hände müsst ihr schütteln?

Maarten: Hahaha. Alle paar Minuten.

Lars: Ja, das kommt schon sehr häufig vor. Dieses Jahr tragen wir keine Namensschilder und versuchen inkognito unterwegs zu sein. Letztes Jahr trugen wir die Dinger und es war echt irre. Dieses Jahr ist es entspannt. Wir treffen viele Leute, mit denen wir arbeiten, zufällig auf der Straße, das ist ganz cool.

Wie fühlt es sich generell an, die gesamte Szene und Industrie für eine Woche in der eigenen Stadt zu haben?

Maarten: Das ist schon witzig. Es gibt da die Ecke beim Dylan, wo es ständig extrem überlaufen ist. Das Beste daran, du gehst in die Clubs, in die du sonst auch gehst, aber auf einmal spielen da all diese Legenden zusammen mit neuen Talenten. Es ist so viel los, aber es ist auch cool, aber es ist auch ermüdend.

Lars: Gestern haben wir zum Beispiel Tyree Cooper getroffen. Wo sonst soll das passieren? Das ist schon ein großes Privileg.

Eure Karriere hat sich sehr schnell entwickelt. Es gibt sicher Gemüter, die Angst hätten, den Hype nicht zu überleben. Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr Versagensängste?

Maarten: Versagensängste nicht. Aber man ist natürlich immer etwas unsicher, was den jeweils nächsten Schritt angeht. Das gleiche gilt für Tracks. Es gibt schon viel Druck, da dir einfach viele Leute auf die Finger gucken und etwas von dir erwarten, was im besten Fall besser ist als das, was du vorher gemacht hast. Aber wir sind da recht selbstbewusst. Wir haben ein paar Entscheidungen getroffen, um Detroit Swindle etwas kleiner zu halten, und eben nicht zu einem aufgeblasenen Hype zu werden, der schnell ausbrennt. Und wir haben auch Lust daran, neue Dinge auszuprobieren und uns nicht zu wiederholen. Wir erweitern unser Soundspektrum und irgendwie gibt uns das eine gewisse Souveränität.

Das hat man ja eurem kürzlich erschienenen Album schon angemerkt. Es ist bemerkenswert, bei eurem Tourschedule, so früh ein Album draußen zu haben. Was habt ihr durch die Albumproduktion für euch als Act gelernt?

Lars: Das Album war eine schwere Geburt. Es war eine andere Herangehensweise. Normalerweise bauen wir einfach ein paar Tracks und bündeln dann ein paar zu einer EP. Diesmal sollte es schon eine Struktur und ein Konzept haben. Wir wollten also auch Albumtracks im eigentlichen Sinn haben, nicht nur Clubtracks. Mehr als die Hälfte der Stücke entstanden unterwegs. Wir verbanden also unseren alten Workflow mit neuen Herangehensweisen unter der Bedingung, nicht ständig ins Studio gehen zu können. Das Mixing und Mastering wurde dann natürlich im Studio gemacht. Und die Moral daraus: Es ist eigentlich egal, wo du bist. Die Inspiration kann überall lauern.

Maarten: Die Idee zum Album entstand übrigens zusammen mit Peter von Dirt Crew. Wir waren anfangs unsicher, ob wir schon so weit sind, ein Album machen zu können, aber wir wollten uns einfach der Herausforderung stellen. Und letztendlich war das eine sehr interessante Erfahrung.

Lars: Vielleicht machen wir es aber beim nächsten Album komplett anders, wer weiß.

Von außen sieht es so aus als würde sich eure Karriere problemlos entwickeln. Was war der bisher größte Rückschlag, von dem niemand etwas weiß?

Lars: Hm … interessant. Vielleicht der Mangel an GoGo-Tänzern, haha. Rückschlag, ich weiß nicht. Wir beschäftigen uns schon eine Weile mit Musik, auch in anderen Genres. Und ich war überrascht, wie wenig in dieser Houseszene gehated und gelästert wird. Du kannst einen Track nicht mögen, aber dann sind die meisten Leute erwachsen genug zu sagen: „Ok, er hat sein Bestes gegeben.” Du fängst also nicht an rumzudissen, sondern du magst den Track einfach nicht und fertig. Und das war für mich kein Rückschlag, sondern im Gegenteil, die größte Überraschung.

Marten: Eine Sache, die mir einfällt. Wir haben unsere ersten Bookings im Ausland gehabt. Wir wurden bekannt, weil wir viel in Deutschland spielten. Und die härteste Arbeit war es eigentlich, in Holland gebucht zu werden. Wir haben hier eine Menge Fans, aber irgendwie ist es trotzdem immer noch leichter, Gigs außerhalb zu bekommen. Normalerweise ist es ja genau anders herum. Du machst dir lokal einen Namen und wenn du Glück hast, bekommen es Leute in anderen Städten oder Ländern mit.

Wie lange brauchtet ihr durchschnittlich, um an euren ersten Tracks zu arbeiten und wie viel Zeit braucht ihr heute?

Lars: Der Workflow hat sich geändert. Ich hatte damals schon etwas Erfahrung mit dem Produzieren und ich hab einfach etwas fertig gemacht und Maarten gab dann seinen Senf dazu, machte Vorschläge, was man ändern könnte usw. Heute ist es so eine 50/50 Sache, wir produzieren beide gleichermaßen an den Tracks. Darum dauert es heute eher länger. Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Aufbau und der Feinschliff dauert einfach länger. Auch das Mixen dauert mittlerweile länger, einfach weil wir jetzt besser wissen, wie es geht. Es ist uns wichtiger geworden. Du hörst dir das Ergebnis unter Kopfhörern an, im Auto, im Club und versuchst im Mix das Beste rauszuholen.

Maarten: Allerdings ist es so, dass wir heute viel schneller wissen, ob eine Skizze gut genug ist, um einen Track daraus zu machen. Das geht heute zehn Mal so schnell.

Als ob ihr nicht beschäftigt genug wärt, habt ihr auch noch euer eigenes Label. Was war der Grund, Heist zu gründen?

Maarten: Wir hatten lange davon geträumt, ein eigenes Label zu haben. Ein Label mit Vinylreleases, mit Releases, bei denen die Qualität stimmt. Wir wollten die Art von Musik mit dem Label unterstützen und repräsentieren, die wir selber in unseren Sets spielen und wir wollten unbekannteren Leuten aus unserer Gegend die Möglichkeit geben, ihr Zeug zu veröffentlichen. Als wir mit dem Label begannen und als erstes unsere eigene EP herausbrachten, da gab es einen PR-Push, der natürlich echt hilfreich war. Die Leute wussten, das Label wird von Detroit Swindle kuratiert, also waren sie gespannt, was wohl die nächste Platte sein wird. Und wir hatten das Glück, all diese coolen Leute zu bekommen, Max Graef, Frits Wentink und so weiter. Leute, die noch keine Superstars sind, aber so wahnsinnig gute Musik produzieren. Musik, auf die wir wirklich eifersüchtig sind, haha.

Es schien euch ja keine großen Probleme zu bereiten, Mayer Hawthorne für euer Album zu gewinnen. Think big, wer könnten die nächsten Feature-Gäste sein?

Lars: Einer könnte Joe Dukie von Fat Freddy’s Drop sein. Also einer von den wirklich wahrscheinlichen Leuten, mit denen wir zusammen arbeiten könnten. Seine Vocals sind so smooth, dass wir ihn unbedingt auf einem unserer Tracks haben wollen. Es gibt aber keine Wunschliste oder so was.

Marten: Ich war ziemlich beeindruckt als ich die ersten Seven Davis Jr. Sachen gehört habe. Seine Stimme ist krass. Wir haben beide gesagt, den Typen müssen wir mal treffen. Vielleicht machen wir aber auch mal was mit einem Jazz-Sänger zusammen.

Lars: Oder mit einer richtig großen R’n’B-Diva.

Mariah Carey?

(Gelächter)

Lars: Das wär allerdings richtig cool. Dann hätte sie endlich mal einen vernünftigen Beat unter ihrer Stimme.

Boxed Out von Detroit Swindle ist bei Dirt Crew erschienen und über amazonitunes und deejay.de erhältlich.

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