“Hello, I’m Michael.” “I’m Chris.” “OK, OK, good.” Wenn Fußballer auf Fans treffen, ist das schon unbeholfen genug. Auf der einen Seite stehen ehrfürchtige Fans, die sich nichts mehr als eine krakelige Unterschrift auf ihrem Trikot wünschen. Auf der anderen Seite stehen Millionäre, die pflichtbewusst ihren Werbevertrag erfüllen. Wenn sich beide Seiten dann auch noch nicht in ihrer Muttersprache unterhalten, wirkt es noch unbeholfener. Jüngstes Beispiel: Ein Video der “Ballack Fan Journey”, in dem Ex-Leverkusen-Spieler Michael Ballack zwei Leverkusen-Fans in Leverkusen trifft – und sich mit ihnen auf Englisch unterhält.
Nun muss man fairerweise sagen: Das Video ist Teil einer Kampagne eines britischen Autoverleihers, das Zielpublikum also englischsprachig. Und da die beiden Fans und Michael Ballack sich nicht über dunkle Materie, sondern bloß über Schildkröten und Fußball unterhalten, ist es auch trotz des starken deutschen Akzents verständlich. Das macht es aber nicht weniger ungelenk.
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Das Video steht unfreiwillig für einen Trend, den man vor allem in deutschen Großstädten und bei studentischen WG-Partys beobachten kann: Die Deutschen sprechen untereinander gerne auf Englisch. Selbst dann, wenn sie es gar nicht müssten. Es gibt Situationen, in denen zwei Deutsche einander zunächst auf Englisch ansprechen, bis es einem auffällt und es heißt: “Ich glaube, wir können uns auch auf Deutsch unterhalten.” Oder die Situation, wenn die einzige nichtdeutschsprachige Person eine Gruppe verlässt, das Gespräch aber trotzdem auf Englisch fortgesetzt wird. Awkward.
Dafür gibt es natürlich Gründe. Wer den ganzen Tag im Office war und noch kurz vor Feierabend die Slides mit der Summary für das nächste Update-Meeting vorbereitet, dem fällt es schwer, bei der After-Work-Party zum Streuselkuchen statt dem Apple Crumble zu greifen. Dem Denglisch entkommt man nicht so leicht. We know. Und natürlich ist Englisch nicht umsonst eine lingua franca in Europa: Wenn mehrere Menschen zusammenkommen, die nicht die gleiche Muttersprache haben, ist Englisch häufig der kleinste gemeinsame Sprachnenner, das gilt für die Uni ebenso wie für die Nacht im Club. Fair enough. Und nicht zuletzt wollen viele auch einfach zeigen, wie toll sie doch englisch sprechen und verstehen, weil sie jede Netflix-Serie (bis auf die wirklich britisch-englischen) ohne Untertitel gucken. Gerade junge, gebildete Deutsche lieben Englisch. So be it.
Deutsche wechseln reflexartig ins Englische
Das hat bekanntlich auch Gesundheitsminister Jens Spahn erkannt. Der CDU-Politiker beklagte vergangenes Jahr in einem Gastbeitrag in der ZEIT, wie sich “elitäre Hipster” gegenüber den “Normalbürgern” abschotten, weil sie fast nur noch englisch sprechen. Seine Argumentation trieft vor Populismus, suggeriert eine Spaltung der Gesellschaft und sehnt sich nach einer deutschen Leitkultur, in deren Zentrum natürlich die deutsche Sprache steht.
Doch in einem Punkt liegt Spahn gar nicht mal so falsch. Nämlich mit seinem Hinweis, dass mit dem bisweilen reflexhaften Wechsel zum Englischen Menschen, die entweder gut genug deutsch sprechen oder es gerne lernen möchten, möglicherweise ausgegrenzt werden.
Denn häufig kommt es vor, dass Personen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sprachlich bevormundet werden. Anstatt sie zu fragen, ob man in ihrer Anwesenheit denn deutsch sprechen könne oder ob sie das vielleicht sogar begrüßen würden, wird davon ausgegangen, dass Englisch die bessere Alternative sei. Nahezu gönnerhaft wird dann gesagt: “Wir können uns auch auf Englisch unterhalten, kein Problem.” Dass vielleicht englische Muttersprachlerinnen und Migranten gerade deutsch lernen möchten, wird dagegen schnell vergessen.
Die Liebe der Deutschen zum Englischen ist deshalb weder das Zeichen einer drohenden Sprachverrohung noch ein Hinweis auf die Auflösung der deutschen Kultur. Häufig ist sie einfach nur eine Selbstliebe, mit der wir Deutschen uns als polyglotte Weltmenschen zeigen wollen. Und dabei wirken wir manchmal ähnlich ungelenk wie Fußballfans, die ihre Idole treffen. In den Worten von Michael Ballack, nur echt mit Görlitzer Akzent: “I’m not sure if you like, but you will have to accept it.”
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