Ende Mai blickten Sample-Enthusiasten aus der ganzen Welt nach Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht verhandelte eine Klage gegen Moses Pelham und Martin Haas von Pelham Power Productions. Diese hatten für den Beat zu Sabrina Setlurs “Nur Mir” einen kurzen Percussion-Loop der deutschen Elektro-Pioniere Kraftwerk gesampelt—und eigentlich zum ersten Mal in der Geschichte von Sampling-Prozessen bekamen die Sampler Recht.
Klar: es wäre umso schöner, wenn der Track ein guter Track wäre. Außerdem hört man den Ausschnitt aus Kraftwerks “Metall auf Metall” kaum. Hätte Bob James wegen dem “Mardi Gras”-Sample auf demselben Beat geklagt, hätte er wohl Recht bekommen. Trotzdem ein großer Schritt für Pelham und ein nochmal größerer für HipHop. Schließlich sind kratzige Jazz-Loops und gechoppte Soul-Intros seit den Achtzigern ein essenzieller Teil von Beats, auch in Deutschland.
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Um das zu feiern, haben wir hier eine Sample-Top-10 versammelt, die die Basis für einige der größten Deutschrap-Hits bilden. Hört euch an, woher die Melodien zu euren Lieblings-Ohrwürmern kommen—unter einer Bedingung: Verklagt bitte die lieben Rapper und Produzenten nicht.
Beginner—”Gustav Gans”
Anlässlich des Beginner-Comebacks und -Hypes, beginnen wir die Liste mit diesem unfickbaren Ohrwurm von “Deutschraps erster Nr. 1”, Blast Action Heroes. Dieser Track war in meiner Jugend mindestens so omnipräsent wie “Mein Block” von Sido, und ich fragte mich, wer diese Genies in Plüsch-Kostümen waren, die sich diese hypnotische Melodie ausgedacht hatten. Ich hatte Sampling halt noch nicht verstanden. Es war der US-Jazzmusiker Freddie Robinson, der mit “You’re on my Side” die Grundlage für diesen Hit geliefert hat. Übrigens: Die Beginnenden haben all ihre alten Videos in guter Qualität auf Youtube verfügbar gemacht. Gute Sache!
Cro—”Easy”
Fünf Jahre ist dieser Sommerhit schon alt und deutscher Rap ist seitdem nicht mehr derselbe. Trotz allem Hate, der dem Track wegen seiner frühlingshaften Seichtigkeit immer wieder entgegengeschossen wird, kann uns niemand weißmachen wollen, dass der Beat nicht fantastisch ist. Die Vorlage für die markanten MPC-Chops ist die Originalversion des unendliche Male gecoverten Evergreens “Sunny” von Bobby Hebb. An diese Version hat sich zuvor und seitdem niemand auch nur ansatzweise so erfolgreich heran getraut.
Fanta 4—”Die Da”
Deutschraps “Rapper’s Delight”—was gibt es zu diesem polarisierenden Klassiker noch zu sagen? Vielleicht, dass der Beat, der deutlich komplexer ist als er klingt, nicht genügend geschätzt wird. Drei Samples fügen sich mit der House-artigen Drumcomputer-Programmierung zusammen: das Grundgerüst liefert die indische Sängerin und Schauspielerin Asha Puthli (oben, ab 0:20), die Percussion-Sounds am Anfang kommen von einem obskuren algerischen Trommel-Song und die Melodie wird durch das Intro des brillianten Grover Washington Jr. Bangers von “Mr. Magic” verfeinert. Solche Handwerkskunst muss man feiern.
Fettes Brot—”Jein”
Das Sample zum Überhit von Fettes Brot stammt aus diesem echt angenehmen Track “Earth Abides” von Swing-Jazz-Urgestein Chris Barber. Während viele Chris Barber-Sachen sich stark auf den “Dixieland”/”Skiffle”-Sound einschießen und entsprechend schwer zu hören sind, ist “Earth Abides” ein echtes Funk-inspiriertes Meisterwerk. Kann man machen!
Huss & Hodn—”Yo, Kurt”
In dieser Liste darf natürlich nicht das Untergrund-Duo fehlen, wegen dem “all die wacken Rapper wieder samplen”. Eigentlich baut jeder ihrer Beats auf grandiosen Jazz-Samples auf, aber es gibt auf der Welt nur wenige Instrumentals, die so unheimlich simpel und doch eingängig sind wie das zu “Yo, Kurt”. Basierend auf dem Duke Ellington-Klassiker “I Got It Bad” schaffen die beiden einen witzigen Track, den man super im Club oder zum Sex spielen kann.
Deichkind—”Bon Voyage”
Su Kramer war eigentlich Schlager-Sängerin. Sie war auch mit den Klagefreudigen Elektro-Pionieren von Kraftwerk befreundet und wollte auch einmal einen Track in die elektronische Richtung machen. In den USA nahm sie dann “Magic Dance” für ihr rares Album Die Zwei Gesichter auf—ein Track, der erstaunlich ähnlich klingt wie das im selben Jahr veröffentlichte Elektro-Experiment “Was Dog A Doughnut?” von Cat Stevens. Wer wohl zuerst da war? Auf jeden Fall schnappten sich Deichkind den Track für ihren 2000er-Klassiker “Bon Voyage”.
Bushido—”Sonnenbank Flavour”
Mit dem “Sonnenbank Flavour” tat Bushido 2006 nichts weniger, als deutschen Rap ins neue Millennium zu befördern. Aber nicht nur die Assoziations-Lines und der Newschool-Flavour sind hier on Point—auch das Sample-Game von Sonny Black, der den Beat selbst produziert hat (Sample ab 2:30). Seine Vorliebe für aktuelle Samples aus dem Gothic-Rock-Bereich handelte ihm viele rechtliche Probleme und Hohn von einer Öffentlichkeit ein, der jeder Grund recht war, ihn zu hassen—allerdings können nur wenige deutsche Rapper einen derart markanten und mutigen Beat-Stil vorweisen. Hut ab.
Freundeskreis—”Esperanto”
Die funky Soul-Truppe Main Ingredient hat in den Siebzigern nicht schlecht auf die Kacke gehauen. Auch heute hört man sie noch regelmäßig, schließlich wurden sie prominent gesamplet—zum Beispiel auf “You Don’t Know My Name” von Alicia Keys. Auch in Deutschland wurde eines ihrer perfekt loopbaren Intros für einen Klassiker eingespannt: Esperanto von Freundeskreis.
Torch & Toni L.—”Wir waren mal Stars”
Es ist natürlich ironisch, dass Torchs und Toni L.s Über-Klassiker “Wir Ware Mal Stars” so eine Art selbst-erfüllende Prophezeiung geworden ist. Die ganze Heidelberger Deutschrap-Ursuppe präsentiert sich in dem Video, doch keiner hat für den Song so viel beigetragen wie Jazz-Größe Maynard Ferguson, dessen “Fantasy”-Intro den resignierten Vibe erst authentisch macht. Danach wird “Fantasy” auch noch zu einem sehr coolen Track.
K.I.Z—”Hurensohn”
K.I.Z haben bei Samples keine Skrupel. Während andere sich ihr Leben lang auf Jazz und Funk einschießen, verbraten die Kannibalen in Zivil alles was sie zwischen “House of the Rising Sun”, (auf “Neuruppin”), “Windowlicker” (auf “Wie ein Truthahn”) und “The Bad Touch” (auf “Tekknohurensohn”) in die Finger bekommen. Für ihren monumentalen “Hurensohn” haben Bunker’s Finest sich den Synth-Pop-Klassiker “Smalltown Boy” von Bronski Beat vorgeknöpft. Die Jungs stehen übrigens auch auf Cover-Versionen, was man schon bei “Was Willst du Machen”, das den “Ignition” Remix von R. Kelly covert, oder natürlich “Riesenglied” / “Liebeslied”. Nicht einem, sondern zwei Tracks auf dieser Liste wurde die K.I.Z.-Behandlung verpasst, nämlich “Wir Waren Mal Stars” und “Die Da”. King Shit!
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