Noch während sich die Mitglieder der AfD beim Parteitag in Stuttgart am 1. Mai gemeinschaftlich auf ihren Anti-Islam-Kurs einschwenkten, tauchten auf dem linken Portal linksunten.indymedia zwei Listen mit rund 2.400 Namen, Adressen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtstagen und Mitgliedsnummern von AfD-Mitgliedern auf.
Nach rund zwei Wochen erfolgloser Suche nach dem Urheber des Leaks hat die AfD nun 12.000 Euro Kopfgeld ausgeschrieben, um den „AfD-Datendieb” zu finden. Der Begriff „Kopfgeld” wurde explizit in einem so bezeichneten Parteibeschluss verwendet. 5.000 Euro will der Bundesverband beisteuern, 13 weitere Mitglieder des Bundesvorstands kratzen dazu „angesichts ihrer besonderen Verantwortung für die Partei” noch einmal insgesamt 7.000 Euro zusammen, um den Maulwurf zu finden, heißt es in dem Beschluss weiter.
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Die geleakten Daten stammen vom Parteitag am 30. Januar und 1. Februar 2015 in Bremen und vom AfD-Mitgliederparteitag am 30. April und 1. Mai 2016 in Stuttgart. Die Listen sind nicht vollständig: Nur rund 70 Prozent der Anwesenden sind verzeichnet. Auch die Namen der AfD-Spitze, z.B. Petry und Höcke, fehlten.
AfD-Lieblingsfeind respektive Bundesjustizminister Heiko Maas wurde von der Partei bereits aufgefordert, die Seite direkt zu blockieren. „Unsere Mitglieder sind doch Übergriffen, Einbrüchen, Droh-Anrufen und Farbbeutel-Attacken aus der gewaltbereiten linksradikalen Szene wehrlos ausgeliefert”, beschwerte sich der Berliner AfD-Vorstand Georg Pazderski gegenüber BILD. „Der Täter muss überführt werden.”
Während manche linke Blogs tatsächlich diskutierten, die mit ihrer beruflichen E-Mail-Adresse auf dem Parteitag registrierten Mitglieder bei ihrem Arbeitsgeber zu „denunzieren”, bot der Rechercheverbund Correct!v durch eine Analyse der geleakten Daten interessante Einblicke in die Mitgliederstruktur der Partei. Diese zeigt nämlich: Die AfD ist nach wie vor ein Hafen für ältere Männer. Über 80 Prozent der Teilnehmer auf der Liste waren demnach männlich, der Altersdurchschnitt lag bei 52,2 Jahren. Besonders in Ostdeutschland hat die AfD offenbar Boden gut gemacht: Die jüngsten Mitglieder kommen „allesamt aus den fünf Flächenländern des Ostens”.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt bereits gegen Unbekannt, während der AfD-Landesverband Berlin von der Käuflichkeit des politischen Gegners phantasiert:
Besonders weit entfernt muss der Vorstand allerdings wohl nicht nach dem „Kopf” hinter den geleakten Daten suchen: Er befindet sich vermutlich in den eigenen Reihen.
Zwar hatte die Partei zunächst von einem Hackerangriff gesprochen—passend zum gern gewählten Narrativ, nach der sich die AfD in der von Eliten unterdrückten Opferrolle sieht. Das für die Ermittlungen zuständige LKA Berlin hält es dagegen für „höchst unwahrscheinlich“, dass die Daten von außen gestohlen wurden.
Ein Parteisprecher bestätigte gegenüber BILD, dass die AfD nun auch innerhalb der Bundesgeschäftsstelle nach einem Maulwurf suchen lässt, der die Datensätze gezielt weitergegeben haben könnte.
Es ist nicht das erste Mal, dass die AfD an den Tücken technischer Systeme strauchelt. Keine 48 Stunden, bevor Wähler in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ihr Kreuzchen bei der Landtagswahl 2016 machen konnten, war die Internetseite der AfD durch DDoS-Attacken nicht mehr erreichbar; Vorstandsmitglieder wurden per SMS von der Bundesgeschäftsstelle aufgefordert, nur noch telefonisch zu kommunizieren, weil auch keine E-Mails mehr empfangen oder verschickt werden konnten.
Neben der Adaption eines erfrischenden Wildwest-Stils in ihrer Kommunikation hat die AfD immerhin bereits eine Lehre aus dem jüngsten Datenleck gezogen: Mit Alice Weidel hat sie jetzt eine IT-Sicherheitsbeauftragte.