Die NBA-Playoffs sind bereits in vollem Gange. Alle fragen sich, ob die Warriors nach der besten Regular Season der Geschichte überhaupt gestoppt werden können. Werden die Spurs oder LeBron James und seine Cavs genug Schießpulver haben, um die Dreiermaschinerie aus Oakland aufzuhalten? Während all diese Fragen auf dem Parkett beantwortet werden, spielt sich eine der verrücktesten Geschichten der diesjährigen NBA-Saison auf Twitter ab.
Seit Ende März hat eine japanische Twitter-Userin (@7A_NBA) eine Reihe von Cartoons gepostet, die die Abenteuer der beiden Stars der Oklahoma City Thunder, Kevin Durant und Russell Westbrook, darstellen. In den bunten und absolut liebenswerten Comic-ähnlichen Zeichnungen tritt KD als Betreuer für einen Miniatur-Russ auf. Gemeinsam schlendern sie durch die Gänge eines Supermarktes, schlüpfen in ihr schönstes Sonntagsoutfit oder vergnügen sich bei einer Gutenachtgeschichte.
Videos by VICE
Die Darstellungen könnten von der hypermaskulinen Welt des NBA-Zirkus nicht weiter entfernt sein. Doch für Nanae, die Künstlerin hinter dem Twitter-Account, ist genau das der Punkt. Ihre Zeichnungen porträtieren die Liga, so wie sie sie sieht. Und im Fall von Westbrook und Durant bedeutet dies darzustellen, wie sich die beiden Stars gegenseitig ergänzen. „Ich dachte, die beste Methode, die manchmal etwas schwierige Beziehung zwischen Russ und KD zum Ausdruck zu bringen, besteht darin, sie als Mutter und Tochter abzubilden”, erklärte sie uns per E-Mail. Für sie ist Durant die „Mutter, die auf Westbrook aufpasst, der ruhige und geerdete Part.”
Nanae, die nicht unter ihrem vollständigen Namen genannt werden will, sagt, dass sie eine 41-jährige Hausfrau aus der Präfektur Saitama ist. Und dass sie in den Finals 2011/12 ihr Herz an die NBA verloren hat. Die emotional geladene Finalserie—in der die von James angeführten Heats ein sehr junges Thunder-Team in fünf Spielen besiegen konnten—machte sie zum NBA-Fan.
„Ich liebe die Tatsache, dass in den Spielen so viel Dramatik steckt—ebenso die Entwicklung der Spieler, die spannende Teamchemie als Ergebnis aus Konflikten und Freundschaften sowie den physischen Ausdruck von reiner Willenskraft. Ich liebe es, wenn man den Willen, ein Spiel zu gewinnen, in einer einzigen Aktion erkennen kann”, erklärte sie weiter. „Für mich ist es nicht nur das Spiel an sich. Ich bin auch süchtig nach der Dramatik.”
Auch wenn Basketballs Popularität in Japan hinter Sportarten wie Baseball, Sumoringen oder Fußball zurückbleibt, hat es Nanae geschafft, sich mit anderen Fans in ihrem Land zu verbinden, dem Internet sei Dank. „Japanische NBA-Fans haben sich über Twitter und andere soziale Medien gefunden, und ich habe das Gefühl, dass wir eine Art Gemeinschaft aufgebaut haben”, erzählte sie. Weil sie im Großraum Tokio lebt, fährt sie manchmal ins Zentrum, wo sie sich zusammen mit anderen NBA-Anhängern Spiele anschaut. Meistens schaut sie die Spiele aber zu Hause über ihren NBA League Pass.
Anfang dieser Saison wurde aus einem begeisterten dann auch ein kreativ schaffender Fan. Denn obwohl sie schon seit einiger Zeit viel zur NBA gepostet hatte, hat sie erst dieses Jahr angefangen, ihre Lieblingsspieler zu zeichnen und die Resultate auf Twitter und ihrer eigenen Website zu posten. Trotz der hohen Qualität ihrer Zeichnungen—neben den angesprochenen Comics hat sie auch schon eine Reihe von realistischen Porträts von Stars wie Kawhi Leonard, Boban Marjanović und Steph Curry gezeichnet—behauptet sie, dass sie keine formale künstlerische Ausbildung genossen hat, bis auf ein paar Stunden an der Uni. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, auch das innere Wesen ihrer Lieblingsspieler zu Papier zu bringen.
„Wenn ich einen Spieler sehe und mich seine Art zu spielen begeistert, will ich ihn auch zeichnen”, erklärte sie. „Manchmal kannst du die Persönlichkeit von der jeweiligen Spielweise ablesen. Das fasziniert mich, weniger das Spiel an sich. Ich will das Gesicht zeichnen, das der Spieler macht, wenn seine Persönlichkeit durch sein Spiel zum Ausdruck kommt.”
Für Nanae gibt es keine bessere Muse als Westbrook, einen Spieler, den sie zum ersten Mal bei den Finals 2011/12 für sich entdeckte. „In der Serie spielte Westbrook so hart, dass es fast schon rücksichtslos wirkte. Er war aber auch die Verkörperung seines eigenen Siegeswillen. Und das hat meine Aufmerksamkeit gefesselt. Ich glaube, Russ ist ein risikofreudiger Mensch. Er würde beim Pokern wohl auch All-In gehen. Und selbst, wenn er alles verlieren würde, wäre das für ihn völlig OK. Und genau das liebe ich an ihm.”
Dieses besondere Verständnis, diese Empathie für den Menschen Westbrook hat dazu geführt, dass sie ihn auch in einer impressionistischeren Art darstellt als seine Kollegen. Als er zum ersten Mal neben Durant auftauchte, hatte ihn Nanae noch als Katze dargestellt, was mit einem alten Spitznamen für den OKC-Star zusammenhängt. Mit der Zeit wurde er aber zu einem kleinen bzw. nicht mehr ganz so kleinen Jungen.
„Ich liebe ihn wie einen Sohn”, so Nanae, die auch einen richtigen zehnjährigen Jungen hat. „Russ war schon ein All-Star, als ich ihn das erste Mal spielen sah. Aber er hatte noch so viele Ecken und Kanten und war unbeständig. Verglichen mit KD hatte er null Stabilität. Doch vom ersten Moment an war ich von diesem ungeschliffenen Diamanten begeistert, noch mehr als von dem geschliffenen namens Durant.”
Obwohl es eindeutig ist, für wen ihr Herz schlägt, glaubt sie nicht, dass diese Saison die von OKC sein wird. „GSW”, meint sie nur auf meine Frage, wer den Titel holen wird. Mal schauen, ob ihre Prognose genauso gut wie ihre Zeichnungen ist.