Vor knapp einem Jahr entschied sich die Porno-Website Brazzers dazu, 2016 mit einer guten alten MILF-Szene (kurz für “Mom I’d Like to Fuck”) einzuläuten. The Cougar Countdown erschien in der “MILFs Like It Big”-Kategorie und darin zu sehen ist die kurvige Rothaarige Jasmine James bei der Silvesterparty einer Freundin.
Gelangweilt und wuschig macht sie sich auf die Suche nach “Frischfleisch” und erwischt dabei den jungen Sohn der Gastgeberin beim Masturbieren. Die reife, ältere James nimmt sich der Situation an und zeigt dem jungen Mann, was guter Sex ist. In anderen Worten: der übliche Ablauf eines jeden MILF-Pornos. Es gibt jedoch einen Haken: In Wahrheit ist James gerade erst 25 geworden.
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Eine Frau Mitte 20 ist jetzt nicht gerade das Bild, das man im Kopf hat, wenn man das Wort MILF hört. In den meisten Definitionen ist nämlich von einer “älteren” Dame oder von einer tatsächlichen Mutter die Rede. In der Porno-Branche ist es allerdings gang und gäbe, überraschend junge Frauen als MILFs oder Cougars zu casten. Das ist nicht immer so gewesen, aber der große Erfolg des Genres hat die MILF-Vorstellung in der Erotik-Industrie so stark verändert, dass jetzt eben auch junge Darstellerinnen in diese Rolle schlüpfen.
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Zwar gilt die Vorstellung von Geschlechtsverkehr zwischen einem jungen Mann und einer heißen “Mutter” in der Popkultur schon länger als erotischer Fetisch (ein Beispiel hierfür wäre Anne Bancroft im Film Die Reifeprüfung aus dem Jahr 1967), aber der Begriff MILF ist an sich noch gar nicht so alt. Laut dem Oxford English Dictionary geht der Ursprung des Worts in die 90er Jahre zurück und der erste festgehaltene Gebrauch erfolgte 1995 in einem Usenet-Forum. Wirklich im Mainstream verankert wurde der Ausdruck allerdings erst erst im Jahr 1999—und zwar durch die Teenie-Komödie American Pie.
Vor dem Aufkommen des MILF-Ausdrucks hat man ältere Porno-Stars schnell aussortiert. “Darstellerinnen über 40 wurden quasi schon als Omas angesehen”, erklärt Jeff Vanzetti von IAFD, dem Erotik-Äquivalent von IMDb. Aber auch Pornos passen sich dem Zeitgeist an und deswegen führte die Industrie Anfang der 2000er das MILF-Genre ein. RealityKings war dabei so etwas wie der Wegbereiter, denn die Seite veröffentlicht seit dem Launch im Jahr 2000 regelmäßig MILF-Inhalte. 2002 und 2003 erfand man dort mit M.I.L.F. Hunter sogar eine ganze Serie, die sich nur diesem Thema widmete. Und Darstellerinnen wie etwa Lisa Ann sind zu Aushängeschildern des Genres geworden.
Das Aufkommen des Genres fiel praktischerweise mit dem Älterwerden vieler beliebter Porno-Stars zusammen. So feierte zum Bespiel Jenna Jameson 2004 ihren 30. Geburtstag und blieb noch weitere vier Jahre in der Branche aktiv. Zwar hat sie damals nie einen Film unter einem expliziten MILF-Label veröffentlicht, aber andere bekannte Darstellerinnen im gleichen Alter übernahmen das gerne. Die Berühmtheit dieser Darstellerinnen sowie ihre Bereitschaft, sich kopfüber ins MILF-Genre zu stürzen, hatten zur Folge, dass die neue Porno-Kategorie direkt durch die Decke schoss.
“Damals erkannte man einfach, dass ältere Frauen viel zu bieten haben”, sagt Chris Thorne, ein langjähriger Porno-Rezensent, in Bezug auf den bestimmten und selbstbewussten Auftritt dieser Darstellerinnen. “Uns wurde klar, dass die Konsumenten das MILF-Genre akzeptieren und zu schätzen wissen.”
Die Produzenten, die die steigende Nachfrage nach MILF-Szenen befriedigen wollten, hatten jedoch schon bald ein Problem: Es gab einfach nicht genügend Darstellerinnen über 30. Während RealityKings für M.I.L.F. Hunter größere Vertriebswege wählte und die Serie von der Konkurrenz immer häufiger kopiert wurde, standen die Unternehmen laut Mark Spiegler, dem Gründer der Erotik-Agentur Spiegler Girls, beim Dreh von neuen Szenen so unter Zugzwang, dass sie “einige unserer Mädchen, die erst Anfang 20 waren, als 36-Jährige verkauften”.
Mit der Zeit sind immer mehr MILF-Inhalte dazugekommen und heute sind fünf bis sechs Prozent aller Videos auf Pornhub mit einem solchen Tag versehen. Die Beliebtheit hat ihren Höhepunkt zwar schon im Jahr 2011 erreicht, aber MILF ist und bleibt einer der meistgesuchten Begriffe auf den gängigen Porno-Seiten. Egal ob nun tatsächliche MILF-Szenen oder an das Genre angelehnte Inhalte (wie etwa vorgespielte Inzest), laut Thorne befinden wir uns im “goldenen Zeitalter der MILF-Pornos”.
“Fans schauen sich so etwas gerne an, weil MILFs selbstbewusst, heiß und wunderschön sind”, erklärt Tanya Tate, eine elfmalige “MILF of the Year”-Award-Gewinnerin. Tates Porno-Karriere begann im Jahr 2009, als sie fast 30 war. Schnell kürte man sie zur “neuen, heißen MILF”.
Obwohl es das MILF-Genre den Darstellerinnen ermöglicht, länger zu arbeiten oder erst später in die Branche einzusteigen, beginnt und endet die durchschnittliche Porno-Karriere trotzdem schon relativ früh. An der Tendenz, junge Frauen als MILFs zu casten, wird sich also nichts ändern. Diese Entwicklung hat auch zur Folge, dass sich der Ausdruck MILF und andere Bezeichnungen für ältere Darstellerinnen nicht mehr wirklich auf ein gewisses Alter beziehen, sondern mehr auf das Aussehen und Auftreten: kurvig und bestimmt.
Leider gibt es keine Analysen zum Durchschnittsalter der typischen MILF in der heutigen Porno-Industrie. Während die beliebtesten Darstellerinnen dieses Genres zwischen 30 und 50 Jahre alt sind (Beispiele wären die 38-jährige Sara Jay oder die 43-jährige Brandi Love), landen andere eher im vorderen Bereich des Altersspektrums. “Früher gab es zwischen den 22- und 35-Jährigen noch eine große Lücke”, erzählt Tate in Bezug auf die Entwicklung der Industrie ab Mitte der 2000er. “Diese Lücke schloss sich jedoch langsam und immer mehr Frauen bekamen den MILF-Stempel aufgedrückt. Inzwischen ist es fast so, dass man schon als MILF gilt, wenn man sich nicht mehr im Teenageralter befindet.”
Manchmal werden aber sogar Teenagerinnen als MILFs verkauft: Alli Rae war beispielsweise erst 19, als man sie 2014 im Porno Jerky Wives als MILF bezeichnete. Andererseits gilt aber auch die 57 Jahre alte Porno-Darstellerin Nina Hartley immer noch als MILF.
Überraschenderweise werden tatsächliche Mütter bei Porno-Castings manchmal nicht als MILFs angestellt—wie etwa die 35 Jahre alte Marica Hase, die eine Rolle in einem Teenie-Streifen bekam, weil sie die optischen Anforderungen erfüllte: klein, natürliche Brüste, schlanke Taille und dünne Figur.
Diese Entwicklung ist typisch für die Mainstream-Erotikindustrie: Man castet nach aktuellen Trends und die Darstellerinnen schlüpfen in jede Rolle, die sie verkörpern können. Der flexible Einsatzbereich ist jedoch erst durch die Dekonstruktion eines eigentlich altersbeschränkten Genres zur Befriedigung der Konsumenten möglich geworden. Auf gewisse Art und Weise ist die offenere Auslegung des MILF-Begriffs jedoch ziemlich einschränkend: Der hohe Reiz hat zu einer lockeren Definition geführt, bei der der Bereich, der zwischen “Barely-Legal”- und “Mature”-Pornos bestehen sollte, keinen Platz mehr hat. Heutzutage scheint jeder Mütter geil zu finden.