Vor fünf Jahren besorgte sich ein Forscherteam der University of Mississippi ein paar Chicken Nuggets. Anstatt sie zu verputzen, analysierten die Mediziner ihre Bestellung von zwei Fastfood-Ketten im Labor. Bei der Auswertung der Ergebnisse dürfte ihnen dann aber endgültig der Appetit vergangen sein. Eins der untersuchten Nuggets enthielt 40 Prozent Muskelgewebe. Die restlichen 60 Prozent waren eine Kombination aus “üppigen Mengen Fett und anderem Gewebe, inklusive Bindegewebe und Knochensplittern”. Lecker. Eine andere Probe bestand immerhin zur Hälfte aus Muskelgewebe, der Rest: Blutgefäße, Nerven und Deck-, beziehungsweise Drüsengewebe. Yum.
Heute behauptet ein Startup aus San Francisco, reine und vor allem ethisch korrekte Hähnchen Nuggets entwickelt zu haben. Die mundgerechten und panierten Fleischhäppchen von Just Inc. bestehen nämlich gar nicht aus herkömmlichem Fleisch. Stattdessen schreibt sich das Unternehmen auf die Fahne, ein komplettes Chicken Nugget kultiviert zu haben, mit nicht mehr als den Zellen aus einer Hühnerfeder.
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“Wir hatten die Idee, eine Feder vom besten Hühnchen zu verwenden, das wir finden konnten”, heißt es in einem YouTube-Video, das Just bereites im August 2017 veröffentlicht hatte. “Als erstes müssen wir eine Zelle identifizieren, die wir als Ausgangsmaterial verwenden. Dann müssen wir einen Nährboden finden, in dem sie wachsen kann. Wir müssen die richtige Kombination aus Nährstoffen finden, die die Zellen dazu bringt, sich zu vermehren – und das schnell und in hoher Dichte. Diese Nährstoffe werden aus Pflanzen gewonnen.”
Laut der BBC kommen die Zellen und die Pflanzenproteine in einen Biorekator. Eine Art Gerüst gibt dem Produkt eine Struktur. Ein Kultur- oder Wachstumsmedium gibt dem Fleisch bei der Entwicklung Futter. Just-Sprecher Andrew Noeyes erklärte MUNCHIES, dass dieser Prozess zwischen wenigen Tagen und wenigen Wochen dauere. Die Federspenderin lebt derweil ein glückliches Hühnerleben auf einer nahegelegenen Farm.
“Die Zellen unserer ersten Produkte werden allerdings nicht aus den Zellen einer Feder stammen”, sagte Noeyes. “Das ist zwar möglich, aber sie können auch aus kleinen, harmlosen Gewebeentnahmen an einem lebenden Tier stammen, aus einer Zellenbank oder anderen Wegen.”
Aber wie soll man das Produkt am Ende nennen? “Letztendlich wird unser Fleisch in großen Kulturbehältern hergestellt – wie in einer Bierbrauerei oder einem Betrieb, der kultivierte Lebensmittel produziert.”, so Noyes. “Als solches nennen wir unser Fleisch ‘Kulturfleisch’. das ist der neutralste Begriff, den wir finden konnten. ‘Laborfleisch’ trifft es nicht und hat einen negativen Beigeschmack. Viele Lebensmittel, die wir täglich essen, beginnen in einem Labor, werden in die Großproduktion gebracht und vermarktet.”
Ungeachtet der Begrifflichkeiten hat Just CEO und Mitbegründer Josh Terick bereits damit begonnen, die Innovation bei Twitter anzupreisen. “Vor 400.000 Jahren wurde Fleisch Teil der menschlichen Ernährung und in all dieser Zeit mussten Menschen Tiere töten, um an ihr Fleisch zu kommen. Zuerst mit Speeren. Dann mit industriellen Maschinen”, schrieb er. “Macht euch darauf gefasst, dass sich dieses Paradigma ändert. #justchicken“
Zwei Journalisten der BBC konnten Justs kultivierte Nuggets bereits probieren. Sie sagten, dass sie wie herkömmliche Nuggets schmecken. “Die Haut war knusprig und das Fleisch geschmackvoll, auch wenn die innere Textur etwas weicher war, als man es von einem Nugget von, sagen wir, McDonald’s oder KFC erwarten würde”, schrieben sie.
Laut Noyes überlegt das Unternehmen, eine “Reihe verschiedener Zell-Varianten von unterschiedlichen Arten herzustellen”. Die Nuggets sind am Ende vielleicht noch nicht mal die finale Erscheinungsform des Kulturfleisches. “Zu unseren Prototypen gehörte auch eine würzige Hühnchen-Chorizo und eine sättigende und aromatische Hühnerwurst”, sagte er.
“Abhängig von lebensmittelrechtlichen Überlegungen haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis Ende 2018 erste kleine kommerzielle Verkäufe zu tätigen. Wir habe noch nicht bekanntgegeben, wo genau unser Produkt erhältlich sein wird, aber es wird im Gastronomiebereich sein – ein Restaurant oder eine Handvoll von Restaurants, kein Geschäft. Es ist unwahrscheinlich, dass es in den USA stattfindet.” Dementsprechend gebe es Gespräche mit Behörden in verschiedenen Teilen der Welt.
Tatsächlich sind in den USA noch viele Einzelheiten zum Verkauf und zur Regulierung von Kulturfleisch zu klären. Just bleibt trotzdem optimistisch, was die Möglichkeiten seiner Kulturnuggets angeht – und dem, was diese für die Tiere, für uns und für den Planeten selbst bedeuten könnten. “Man hat erkannt, wie das Leben wirklich funktioniert, und jetzt müssen wir keinen Tod mehr verursachen, um Essen zu schaffen”, sagt die Firma in ihrem YouTube-Video.
Und geschredderte Hühnerknochen musst du auch nicht mehr essen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei MUNCHIES US.
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