Es ist Baxter sichtlich peinlich. Der Blick ist gesenkt, das Lächeln erstarrt, die Wangen errötet: So ein dummer, dummer Fehler. Es fällt sehr schwer, kein Mitleid zu haben mit Baxter, dem neuen Roboter einer Forschungsgruppe am MIT. Empathie bei uns Menschen hervorzurufen ist aber nicht das Ziel von Baxter. Es geht um größeres, um etwas, was die Robotik und unseren Alltag nachhaltig verändern könnte: Gedankenlesen.
So funktioniert der gedankenlesende Baxter: Der Roboter sortiert Sprühdosen und kleine Kupferdrahtspulen in dementsprechend markierte Boxen. Ein Mensch sitzt ihm mit einem EEG-Helm – einem Elektroden-Helm, der Hirnströme misst – gegenüber und schaut zu. Sobald Baxter einen Fehler macht, also zum Beispiel eine Sprühdose über die Kupferspulenbox hält, registriert der EEG-Helm ein Signal: Ein „error-related potential” (ErrP abgekürzt), das immer dann vom menschlichen Hirn ausgesendet wird, wenn wir einen Fehler bemerken. Der Roboter interpretiert das Signal und versteht: Er hat etwas falsch gemacht. Also: Bildschirm-Wangen röten, Augen nach unten, Lächeln einfrieren lassen – und den Fehler korrigieren.
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„Alles, was du tun musst, ist mental seinen Handlungen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Du musst nicht auf eine bestimmte Art und Weise denken. Die Maschine passt sich dir an”, so erklärt Stephanie Gil das Experiment. Sie ist einer der Forscherin an MITs Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory (CSAIL), die an Baxter arbeiten.
Das Sortieren von Sprühdosen ist natürlich keine Aufgabe, die bei vielen Menschen leuchtende Augen und Visionen einer glorreichen Roboterzukunft auslöst, die möglichen Anwedungsgebiete könnten trotzdem sehr nützlich sein. Vorstellbar wäre etwa Baxter als Mechaniker-Buddy, der Werkzeuge ranreicht. Oder eine Künstliche Intelligenz, die Menschen, die nicht sprechen und tippen können, zu kommunizieren hilft, indem sie Buchstaben für Sätze auswählt.
Aber was ist mit Baxter als wirklich gedankenlesender Superroboter, der eigentlich auch sofort bei den Avengers einsteigen könnte? Darauf sollten wir nicht hoffen. Das glaub zumindest Raúl Rojas, renomierter Professor für Künstliche Intelligenz an der Freien Universität Berlin. „Diese Art von Forschung ist eigentlich ein alter Hut”, erzählt er Motherboard am Telefon. Das Messen von „error-related potentials” wird schon seit langem dazu benutzt, beispielsweise die Reaktionen von Kleinkindern zu erforschen. Die Singale wären aber so schwach, dass sich komplexe Gedankengänge und Wünsche auf keinen Fall ablesen lassen. Die einzige große Neuerung ist die Geschwindigkeit, mit der die Messung und Reaktion passieren.
Wir fragen nach, ob die Möglichkeit einer gedankenlesenden Maschine denn wenigstens in ferner Zukunft denkbar wäre? „In sehr ferner Zukunft”, so Rojas. Und macht so vorerst die Hoffnung zunichte, endlich ein Wesen kennenzulernen, das dich wirklich ohne Worte versteht (sorry, Hunde!).
Tatsächlich sprechen die Forscher vom CSAIL auch nicht davon, Gedanken auszulesen, eher geht es aktuell darum, vielleicht einmal Multiple-Choice-Entscheidungen möglich zu machen, nicht nur die binäre Frage nach Sprühdose oder Kupferdrahtspule. Rojas sieht dagegen die Zukunft der Roboter-Mensch-Beziehung in der klassischen Spracherkennung. „Der Roboter soll durch meine Worte verstehen: Bin ich froh, genervt, frustriert. Wie im ganz normalen Gespräch mit einem Menschen.”
Die Zukunft der allwissenden, gedankenlesenden Superroboter ist also nicht eingeläutet. Und so bald erwarten kann man sie auch nicht. Zu komplex sind dafür Gedankengänge, die über ein simples „Ja” oder „Nein” hinausgehen. Dafür, dass der arme Baxter nicht unter seinen peinlichen Fehlern leiden muss, dafür lohnt sich die Forschung schon jetzt.