Die Schönheit queerer Männlichkeit in Bildern

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Unsere Gesellschaft geht immer offener mit Geschlechterdiversität und -fluidität um. Trotzdem scheinen viele nach wie vor ein Problem mit Menschen zu haben, die sich selbst als butch identifizieren. Das liegt nicht zuletzt auch an dem ebenso antiquierten wie sexistischen Bild der “Kampflesbe” oder des “Mannsweibes”, nach dem maskuline Frauen aggressiv, unattraktiv und einsam sind.

Die australische Kuratorin und Fotografin Esther Godoy möchte diesem Vorurteil ein Ende setzen. Im Rahmen ihres laufenden Projekts Butch is Not a Dirty Word sammelt sie Arbeiten von verschiedenen Fotografen, die das gesellschaftliche Bild des Butch-seins verändern wollen. Broadly hat sich mit Godoy getroffen, um sich mit ihr über ihre eigenen Erfahrungen, den Umbruch von Vorurteilen und die Bedeutung von Familie zu unterhalten.

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Broadly: Du sammelst nicht zum ersten Mal Arbeiten, die sich mit der Identität von Butch auseinandersetzen. Wie wird das von dem aktuellen Projekt ergänzt, dass sich auf das Thema Familie konzentriert?
Esther Godoy:
Wer mit dem Gefühl aufwächst maskulin zu sein, merkt schnell, dass er nicht akzeptiert wird. Menschen lehnen deine Maskulinität ab und halten dich andauernd für einen Mann. Wenn man eine Butch über 25 Jahre ist, dann ist man in der Gesellschaft kaum sichtbar. Ich wollte deshalb das Gespräch mit ganz unterschiedlichen Frauen suchen. Dass ich dabei den Fokus auf die Familie gelegt habe, hat mir die Möglichkeit gegeben, eine größere Vielfalt an Menschen in das Projekt zu integrieren.

Foto: Georgia Smedley

Du sagst, dass Familien die Maskulinität junger Frauen als erstes ablehnt. Wie meinst du das?
Unsere Gesellschaft begegnet maskulinen Frauen mit sehr vielen Vorurteilen – das kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Als Kind ist deine Familie dein wichtigster Bezugspunkt: Du vertraust ihr und nimmst dir ihre Meinung zu Herzen. Das heißt, noch bevor du in die Welt hinausgehst, sagen dir die Menschen, die dir am nächsten stehen schon, dass du nicht richtig bist.

Ich möchte damit keine Angehörigen angreifen, wahrscheinlich ist es normal, dass sie so reagieren. Es gibt so viele negative Vorurteile gegenüber maskulinen Frauen, dass es nur natürlich ist, dass Eltern ihre Kinder davor bewahren wollen, diese Erfahrung zu machen. Doch wenn man zum ersten Mal eine Gruppe von Menschen trifft, die deine Maskulinität nicht nur akzeptieren, sondern wirklich schätzen, dann ist das eine sehr positive Erfahrung. Es geht darum, sich seine eigene Familie zu schaffen.

Foto: Georgia Smedley

Welche Vorurteile möchtest du überwinden?
In der Regel sind alle Vorurteile negativ. Ich habe noch nie jemanden sagen hören: “Du bist ein Mannsweib, das ist wunderbar.” Stattdessen hört man immer wieder: “Werd’ aber nicht zu so einer alten Kampflesbe.” Die meisten Menschen denken, maskuline Frauen wären nicht attraktiv, sondern etwas, was einem Angst machen muss. Einsame Wölfe, quasi. Das würde im Umkehrschluss allerdings bedeuten, dass man als maskuline Frau kein erfülltes Leben führen kann.

Ich möchte den Menschen Butch-Frauen zeigen, die ernste Beziehungen führen und von liebevollen Menschen umgeben sind. Es geht darum, diese uralten Geschichten aufzubrechen und zu zeigen, dass an den Klischees nichts dran ist. Außerdem soll es eine Anlaufstelle für Menschen sein, die ihnen Hoffnung gibt. Wir als Gesellschaft sind nach wie vor extrem unbeholfen im Umgang mit femininen Männern und maskulinen Frauen.

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Ich identifiziere mich sehr wohl als Frau, auch wenn meine äußere Erscheinung sehr maskulin ist. Das finden viele Menschen verwirrend. Warum unsere Gesellschaft so emotional darauf reagiert kann ich dir selbst nicht sagen. Ich glaube, dass Menschen Angst vor dem Unbekannten haben. Außerdem stellen Männer und Frauen, die keine Cismänner sind, aber genauso stark und mächtig sind, eine Bedrohung für das Patriarchat dar. Sie bedrohen das gesamte soziale Gefüge.

Foto: Georgia Smedley

Welche Erfahrungen hast du persönlich als maskuline Frau gemacht?
Jeder hat Erfahrungen mit Mikroaggressionen. Die Leute schauen mich immer komisch an, wenn ich in einer sehr femininen Umgebung bin. Wenn ich zum Beispiel im Kosmetiksalon bin, dann mustern mich die anderen Frauen. Das ist ziemlich unangenehm. Die Menschen behandeln mich wie einen pubertären Jungen, weil ich aussehe wie ein pubertärer Junge. Ich bin aber eine 30-jährige Frau und möchte auch so behandelt werden.

In den USA wurde ich von den queeren Menschen sehr viel positiver aufgenommen, als ich es in Australien je erlebt habe. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass es nicht an mir liegt, sondern dass es ein gesellschaftliches Problem ist. Ich habe meine Haare mal wachsen lassen, damit ich nicht queer aussehe und nicht ständig von den Leuten angesprochen werde. Es war erstaunlich, wie sich die Reaktionen der Menschen um mich herum verändert haben. Sie haben mich ganz anders behandelt. Man geht ganz anders durch die Welt.

Foto: Georgia Smedley

Was hast du von den anderen maskulinen Frauen deines Projekt gelernt?
Ich habe mit 14 Butch-Frauen gesprochen, die alle eine andere Geschichte hatten. Am Besten hat mir die gefallen, die mir eine Frau aus Melbourne erzählt hat. Sie und ihre Partnerin sind beide sehr maskulin und haben zwei wundervolle Kinder. Sie hat mir erzählt, dass sie ab dem Moment, wo sie zu Hause geblieben ist, um sich um die Kinder zu kümmern, wie der weibliche Part der Beziehung behandelt wurde.

Obwohl beide butch sind, wurde sie von der Gesellschaft über die Aufgaben definiert, die sie übernommen hat. Auch andere Frauen haben bemerkt, dass die maskulinere Frau in der Beziehung anders behandelt wird, weil die Menschen davon ausgehen, dass sie weniger fürsorglich gegenüber den Kindern ist. Das Tolle an queerer Männlichkeit ist aber doch, dass die Frauen als Frauen sozialisiert wurden, aber ein kleines Fenster haben, über das sie in eine maskulinere Welt blicken können. Sie können das Beste aus beiden Welten ziehen.

Foto: Esther Godoy

Du hast erwähnt, dass du mit deiner eigenen “verinnerlichten homophoben Haltung” zu kämpfen hattest und dass du erst lernen musstest, dich zu akzeptieren, wie du bist. Wie war das für dich?
Mir wurde zuvor immer gesagt, dass es etwas Gutes wäre, maskulin zu sein. Ich war ein Produkt meiner Gesellschaft. Ich habe diese Vorstellung gehasst. Als Kind fand ich das widerlich. Als ich schließlich feststellte, dass ich auf Frauen stehe, richteten sich meine Gefühle gegen mich selbst, was im Grunde nichts anderes war als Selbsthass.

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Das hat sich erst verändert, als ich einen Menschen gefunden habe, der mich attraktiv fand. Eine ältere Person, die dieselbe Erfahrung gemacht hat wie ich. Sie hat mich dazu ermutigt, die Frau zu sein, die ich sein wollte. Es tat so gut jemanden zu haben, der mir gesagt hat: “Du kannst zum Herrenfriseur gehen, du kannst Männerkleidung tragen, du musst nicht immer zwischen zwei Stühlen sitzen.”

Das hatte ich zuvor nie. Dafür kann aber auch niemand was. Meine Eltern sind nicht queer. Sie wussten nicht, wie sie mir bei solchen Sachen helfen können. Ich denke aber, dass sich die Situation verbessert hat. Der Umgang mit dem Thema ist nicht mehr so repressiv wie früher. Die Bewegung wächst und wächst.

Foto: Jai Florez

Foto: Georgia Smedley

Foto: Georgia Smedley