Selten haben wir einen Wahlkampf gesehen, in dem es den Parteien so viel um die anderen ging, wie bei den kommenden Wahlen. Sicher, die FPÖ wirbt seit jeher mit den (beziehungsweise gegen die) ach so gefährlichen Fremden und wenn man sie nur lange genug sprechen lässt, betonen Politiker aller Fraktionen schon seit der Erfindung des Interviews, wie scheiße alles ist, was nicht sie selbst auf Landes- oder Bundesebene befürworten.
Neu ist vielleicht, dass die SPÖ Wien mit ihren heute vorgestellten Plakaten gegen sich selbst wirbt—und das österreichische Sakrileg begeht, die Mercer-Studie zumindest ein bisschen anzuzweifeln—, während die Grünen letzte Woche gleich eine ganze Plakatreihe mit den braunrotgebrannten Gesichtern ihrer Gegner präsentierten.
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Es geht diesmal so stark um die jeweils anderen Parteien, dass man es der ÖVP eigentlich fast nicht vorwerfen kann, wenn sie sich ihre neuen Mitarbeiter genau von dort einkauft. Aber das ist alles Politschnee von vorgestern. Heute gibt es längst einen ganzen Blumenstrauß an neuen Fails, die wir wieder für euch zusammenfassen und damit ein bisschen zu weniger Populismus und Dummheit (ja, auch im Wahlkampf) auffordern wollen.
Diesmal habt ihr außerdem die Möglichkeit, für euren allerliebsten Wahlkampf-Fail abzustimmen—die Ergebnisse präsentieren wir in der nächsten Ausgabe. Los geht’s.
SPÖ-KLUBCHEF SCHIEDER KÄMPFT FÜR DIE RECHTE DER LINKSHÄNDER
Am 13. August fand der internationale Linkshändertag statt. SPÖ Klubobmann Andreas Schieder, selbst Betroffener, nahm dies zum Anlass, um mittels OTS auf all die alltäglichen Benachteiligungen und Barrieren von Linkshändern—sei es bei Fotokameras oder Korkenziehern—aufmerksam zu machen. Dem Thema solle mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, so wie etwa „in der US-Serie Die Simpsons“, wo eine von drei Personen Linkshänder ist, heißt es in der Aussendung.
Wir finden das sehr löblich und man sollte bei Gelegenheit auch mehr auf die Beschwerden von zum Beispiel besonders großen Menschen eingehen, denen im Flugzeug mangels Platz reihenweise die Beine einschlafen oder Leuten Gehör verschaffen, die zu klein für Tagada sind.
Irgendwie werden wir aber das Gefühl nicht los, dass die Kernaussage der OTS-Aussendung (nicht besonders unterschwellig) von der Schreibhand zur politischen Ausrichtung umleiten will.
Wir sind uns nicht ganz sicher, was schlimmer ist: Dass die SPÖ anscheinend glaubt, immer noch erklären zu müssen, was die Simpsons sind, oder dass sie mit dem Linkshänder-Schmäh davon abzulenken versucht, dass die vermeintliche Arbeiterpartei selbst schon seit Ewigkeiten nicht mehr irgendwie links aufgefallen wäre (außer vielleicht durch linke Hände bei der Wahl ihrer Wahlkampfmittel).
Die Stammtischqualität der Grünen
Verdammt noch mal, wieso kennt ihr Helga Krismer nicht!? Vielleicht liegt es daran, dass die niederösterreichischen Grünen generell schon kein politisches Schwergewicht sind oder in der Vergangenheit großartig aufgefallen wären—geschweige denn, dass Krismer sich als Testimonial hervorgetan hätte.
Dieses Video wird das alles ändern und wir helfen natürlich gern dabei: Es zeigt ein auf Salon getrimmtes Wirtshaus, vermutlich irgendwo im tiefsten Waldviertel, untermalt von Wildwest-Pianoklängen, und zwei Männer, die sich am Tresen unterhalten. Die Stimmung kippt, als der Name Helga Krismer fällt, den einer der beiden noch nie gehört hat. „Muas ma di kenna?”, fragt einer der beiden Pröll-Cowboys.
Plötzlich knallt die Tür auf und die gerufene Helga Krismer erscheint, um prompt ihrer mangelnden Bekanntheit mit dem einzig probaten Mittel der österreichischen Ruralkultur entgegenzuwirken: „Herr Wirt—a Runde für die Herren auf mi!”
Mit dem Video wollen die Grünen wohl ihre unvermuteten Stammtisch-Skills showcasen. Aber was soll man sagen—vielleicht klappt es in Niederösterreich ja wirklich nur so.
In Wien tritt die WWW-Liste an
Wir waren zunächst sehr traurig, als wir erfuhren, dass das BZÖ sich in Wien nicht zur Wahl aufstellen wird. Und auch für das Team Stronach fand sich seltsamerweise keiner, der antreten wollte. Dafür wurde nun aber bekannt, dass sich eine neue Liste namens WWW ins Rennen werfen wird, die vielleicht die Qualitäten beider Parteien in einer vereint.
WWW ist keine Internet-Partei, sondern bedeutet „Wir wollen Wahlfreiheit”—was sich bisher allerdings rein auf die Freiheit beschränkt, in Lokalen das Rauchen nicht zu verbieten. An der Spitze steht der Wiener Gastronom Heinz Pollischansky, unter anderemBesitzer von Genusstempeln wie den „Centimeter”-Restaurants und der „Stiegl Ambulanz”. Den Vorwurf, dass es sich um eine reine „Raucherpartei” handelt, will sich Pollischansky aber nicht gefallen lassen und kündigte an, schon bald ein konkretes Programm vorzustellen. Vielleicht finden ja neben passionierten Rauchern auch Hundebesitzer oder Schrebergarten-Fans eine wahre politische Heimat.
Die FPÖ solidarisiert sich mit Polizisten, mit denen sich nicht mal die Polizei solidarisiert
Nachdem wir am Dienstag gemeinsam mit dem FALTER einen Fall von Wiener Polizeigewalt—und darüber hinaus auch Falschaussagen der Beamten bei der Protokollierung des Vorfalls—publik gemacht haben, gingen die Wellen zuerst gewohnheitsmäßig hoch.
Sämtliche österreichischen Medien berichteten (einige hartnäckig, ohne uns als Quelle zu nennen) und sämtliche Trolle kamen aus ihren Löchern gekrochen, um an einer großen Dummheits-Olympiade unter unseren Postings teilzunehmen.
Dann wurden die Wellen wieder niedriger, bis in der medialen Ebbe nur noch ein einsamer an Land gespülter, übel riechender Jeannée-Kommentar übrig blieb. Darin beschreibt der „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“-Empörbär der Krone, wie er das Video gesehen hat und liefert damit zumindest einen imposanten Beitrag für die Kognitionsforschung ab. Die Erkenntnisresistenz von Herrn Jeannée, der natürlich keinen Funken von unrechtem Polizeiverhalten erkennen kann (sehr wohl aber Wehrhaftigkeit beim Festgenommenen), traf bei Heinz-Christian Strache auf offene Ohren. Was natürlich das falsche Sinnesorgan ist, um einen Text zu lesen, aber gleichzeitig auch die einzige Erklärung, warum die Strache-Facebook-Seite den Jeannée-Beitrag mit den Worten „Auf den Punkt gebracht!” teilt.
Das Interessante daran ist nicht so sehr, dass Strache und Jeannée genau wie die Verfasser unserer Lieblings-Comments darauf beharren, dass jede Kritik einzelner Beamten gleich Polizeihass und Exektuivvernaderung ist. Das Spannende ist eher, dass nicht mal die stellvertretende Polizeipräsidentin selbst den Vorfall auch nur irgendwie in Schutz nimmt—stattdessen spricht sie im ZIB2-Interview von „falschem Corpsgeist” und einem „Musterbeispiel, wie man es nicht macht”.
Das hält Strache natürlich nicht davon ab, sich mit Jeannée und der sich wiederum mit den betreffenden Polizisten zu solidarisieren—auch, wenn das nicht mal die Polizei selber tut.
Und hier die Abstimmung: