Popkultur

Diese Leute kämpfen online gegen rechten Hass

Dass Meinungsfreiheit eben nicht immer alles legitimiert, müsste inzwischen jeder kapiert haben. Hass-Kommentare auf Facebook richten sich mittlerweile nicht mehr nur gegen Asylwerber, sondern auch gegen Österreicher, die mit Flüchtlingen sympathisieren und sind zu großen Teilen nicht nur erschreckend, sondern vor allem eines: rechtswidrig.

Verhetzung kann mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Im Zuge der Strafrechtsreform, die mit 1. Jänner 2016 in Kraft tritt, wird auch Pauschal-Hetze gegen Beschimpfungen wie „Asylanten” oder „Ausländer” strafbar. Außerdem muss ein Online-Beitrag nicht mehr wie bisher von 150, sondern nur noch von 30 Personen gesehen werden, um als strafbar zu gelten. Fragwürdig ist dabei immer noch die „Absicht”, mit der eine hetzerische Äußerung getätigt werden muss, um als solche zu gelten.

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Mittlerweile gibt es Dutzende Facebook-Pages, die sich satirisch oder ernsthaft mit politischen Inhalten seitens der FPÖ beschäftigen und damit immer größere Gruppen ansprechen. KC Streichel verzeichnet 20.000, Blutgruppe HC Negativ sogar über 40.000 Likes. Beide Seiten nehmen den satirischen Wir-halten-der-Gesellschaft-den-Spiegel-vor-Weg.

Die Blutgruppe HC Negativ durfte dafür in der Vergangenheit bereits die ein oder andere Morddrohung entgegennehmen, wie die Betreiber der Seite gegenüber VICE berichten. Bei KC Streichel bemerke man bereits einen Rückgang an Hassnachrichten, weil diese eben auch zur Anzeige gebracht werden können.

Blutgruppe HC Negativ versucht, eine Balance aus Spaß und ernsthafter Aufklärung zu finden und damit effektiv der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Kritiker prangern das fehlende Niveau an—letztendlich würde man mit ausschließlich ernsten (und noch dazu trocken servierten) Inhalten jedoch nicht dieselbe Masse an Menschen erreichen, die sich immerhin auf eine sehr respektable Zahl beläuft.

Foto: Heimat ohne Hass/Facebook

Heimat ohne Hass zählt zwar weniger Likes, hat sich aber auch nicht auf Satire, sondern die Aufdeckung von Hass-Postings und hetzerischen Kommentaren hauptsächlich auf Facebook spezialisiert. Die Macher überwachen „kontinuierlich die Aktivitäten des rechten Randes der FPÖ” und versuchen, „diesen Aktivitäten mit allen legalen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, entgegenzuwirken.” Die Organisation betreut möglichst rechts wirkende Fake-Profile, die in geheime Facebook-Gruppen eingeschleust werden und dort rechtswidrige Kommentare und Postings sammeln.

Die Schwierigkeit besteht laut den Betreibern von Heimat ohne Hass darin, die Daten so zu sichern, dass sie gerichtlich verwertbar sind. Das bedeutet Screenshots inklusive dazu identischer HTML-Sicherung, URL des jeweiligen Vergehens, sowie der betroffenen Profile und eine genaue Angabe des Zeitpunktes der Sicherung. Sind all diese Kriterien erfüllt, sollten die Daten als Beweismittel anerkannt werden.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Martin Peneder | FF-Feldkirchen

Letzten Monat wurde ein 17-jähriger Porsche-Lehrling entlassen, nachdem er der Freiwilligen Feuerwehr Feldkirchen auf Facebook nahelegte, anstatt Flüchtlingskinder mit Wasser spielen zu lassen, sie mit Flammenwerfern zu verbrennen. Gemeldet wurde der Beitrag von einer geheimen Gruppe, der Heimat ohne Hass auch schon mit Ratschlägen zur gerichtlichen Verwertbarkeit half. Mitglied konnte man nur werden, nachdem man dem Gründer der Gruppe eine Freundschaftsanfrage geschickt und dieser anschließend das Profil des „Bewerbers” auf rechte Inhalte überprüft hatte.

Der Gründer, ein Tiroler Aktivist, erhielt, nachdem sein vollständiger Name von einer österreichischen Tageszeitung abgedruckt wurde, Morddrohungen, die ihn als Verräter bezeichnen. Zahlreiche Medien aus ganz Europa übernahmen die namentliche Nennung. Rechtsradikale Gruppen verbreiten sein Foto via Facebook und bezeichnen ihn als „Verräter”. Er hat Österreich mittlerweile verlassen.

Die Facebook-Gruppe wurde inzwischen gelöscht, nachdem sie von einem deutschen Neonazi infiltriert wurde. Die Mitglieder der Gruppe haben sich jetzt dazu entschlossen, in die Offensive zu gehen und eine öffentliche Page einzurichten, die wiederum jegliche Form von Hass-Postings zur Anzeige bringt. Der Name der offiziellen Seite ist ebenso klar wie bezeichnend: O5, erinnernd an die österreichische Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus. Damit wolle man ein Zeichen setzen—gegen Ausländerhass, Rassismus und Homophobie, wie mir der Betreiber der Seite erklärt.

Aber woher kommt die Motivation? „Mich lassen diese Kommentare auch nicht kalt. Hass zieht einen runter”, sagt der Tiroler Aktivist hinter O5. Einer der schlimmsten Kommentare blieb ihm bis heute im Gedächtnis: „Der lautete in etwa ,Ich bin ja kein Nazi, aber hängt die Flüchtlinge an den Bäumen auf, schneidet ihnen die Bäuche auf, filmt das Ganze und stellt es auf YouTube, damit die Leute sehen, wie echte Patrioten in Österreich mit Flüchtlingen umgehen.’ Ich frage mich einfach, woher dieser Hass kommt. Wie man beispielsweise einem 6-jährigen Mädchen einen so qualvollen Tod wünschen kann.”

O5—genau wie die nun gelöschte Gruppe, aus der die Seite hervorging—möchte nicht zwischen einzelnen Nationalitäten unterscheiden. „Dass wir gegen Österreicher sind, ist Blödsinn”, erzählt der Betreiber. Bisher wurden auch hetzerische Kommentare von Serben und Libanesen zur Anzeige gebracht. „Wir setzen da keine Grenzen.”

„Ebenso ist es Blödsinn, dass wir jeden sofort beim Arbeitnehmer anzeigen.” Auch beim Fall Porsche waren die Mitglieder der geheimen Gruppe nicht die ersten, die den Kommentar des Lehrlings dem Konzern meldeten—allerdings die ersten, die Porsche eine Mail mit gesammelter Datensicherung zukommen ließen.

Der Kontakt der Gruppe mit Porsche dürfte ein ausschlaggebender Punkt gewesen sein. Die Nachricht wurde an den gesamten Porsche-Verteiler weitergeleitet und machte intern die Runde „wie ein Tsunami”. „Wahrscheinlich als Warnung, um zu zeigen, wie rechtes Gedankengut innerhalb des Konzerns gehandhabt wird”, sagt einer der Gründer von O5. In Anbetracht der nationalsozialistischen Vergangenheit des Porsche-Gründers kein Wunder.

Foto: KC Streichel/Facebook

Weder gegen die Blutgruppe HC Negativ noch KC Streichel wurden bisher rechtliche Schritte eingeleitet. Letzterem wurde eine Anzeige angekündigt—dabei blieb es dann aber auch. Bei Blutgruppe HC Negativ gab bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels keine einzige ernsthafte Klagsdrohung seitens der FPÖ. Strache hat einmal sogar selbst ein Foto der Seite geteilt, um zu zeigen, wie humorvoll, selbstironisch, sympathisch und volksnah er (oder sein Social Media-Manager) doch ist. Und auch, wenn ein Share alleine noch lange nicht all das belegt, zeigt es doch einen wesentlichen Punkt auf: Ab einer gewissen kritischen Größe der Page wollen die angegriffenen Politiker nicht mehr als die Buhmänner dastehen.

Während Heimat ohne Hass und auch die Menschen hinter Blutgruppe HC Negativ einen extremen Umschwung der allgemeinen Stimmung auf Facebook in Richtung Hass vernommen haben, sehen die Betreiber von KC Streichel die Lage bereits lockerer. Die jüngsten Fälle von Kündigungen bei Porsche, dem Roten Kreuz und Spar haben wohl vielen Menschen gezeigt, dass Facebook eben kein straffreier Raum ist. Das Posting-Verhalten habe sich seither bereits wieder etwas beruhigt.

Foto: Blutgruppe HC Negativ/Facebook

Die Menschen hinter Blutgruppe HC Negativ hingegen beobachten seit diesem Jahr das exakte Gegenteil und einen deutlichen Rückgang der Hemmschwelle auf sozialen Netzwerken. Mit Morddrohungen und anderen gewalttätigen Fantasien müsse man immer öfter umgehen, obwohl man ein gewisses Level an Hetze von freiheitlichen Seiten ohnehin gewohnt sei.

Auch von Heimat ohne Hass wird die Stimmung als „extrem aufgeladen” beschrieben und mit einem Flächenbrand verglichen, der nur schwer zu bändigen zu sein scheint. Weiters seien Behörden auf sozialen Netzwerken sehr nachlässig—dafür nehme aber das Engagement in der Bevölkerung immer mehr zu. Das spricht zwar sehr für die Zivilgesellschaft, ist für viele aber mittlerweile nur noch ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Der Tiroler hinter der geheimen Facebook-Gruppe und O5 ist überzeugt: „Seit die FPÖ herausgefunden hat, was mit Facebook alles machbar ist, hat sich der Hass ins Unendliche multipliziert.” Er selbst habe einmal unter einem HC-Status hinterfragt, wie erwähnte Versprechen gehalten werden sollen. Sein Kommentar fand rund 700 Likes—und wurde 12 Stunden später gelöscht. Andere Kommentare wie „Hängt das Gesindel höher” blieben stehen, wie der Tiroler erzählt.

Die Formierung von organisierten Gruppen, geheim oder öffentlich, satirisch oder ernst, die gezielt nach hetzerischen Kommentaren Ausschau halten und diese zur Anzeige bringen, war nur eine Frage der Zeit. Im sozialen Netz gibt es für alles eine Nische und die reine Möglichkeit der Vernetzung bringt eben nicht nur mehr Sichtbarkeit für rechte Splittergruppen, sondern auch mehr formierte Bürgerbewegungen, die dagegenhalten.

Auf den ersten Blick würde man O5 wohl kaum mit Seiten wie KC Streichel vergleichen. Trotzdem sind sie alle ein Zeichen vom längst überfälligen, immer lauter werdenden Einsatz gegen rechts orientierte politische Inhalte. Es tut sich was.

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