Drogen

Welche Politiker gegen die Cannabis-Legalisierung sind und wie sie argumentieren

Emmi Zeulner, Angela Merkel, Daniela Ludwig, Stephan Pilsinger und Axel Gehrke sind als Politiker gegen die Legalisierung von Cannabis

Die Cannabis-Politik in Deutschland muss sich ändern. Man muss im Bundestag nicht lange nach jemandem suchen, der das bejahen würde. Grüne, FDP, SPD und Linke wollen Cannabis entkriminalisieren oder ganz legalisieren. Auch der Bund deutscher Kriminalbeamter ist dafür und mit dem Hanfverband hat die Legalisierungs-Bewegung einen eigene Lobbyorganisation. Über alle diese Akteure berichten Medien häufig, auch VICE. Aber was ist mit ihren Gegnern, den Politikerinnen und Politikern, die wollen, dass Cannabis illegal bleibt? Von ihnen hört man wenig.

Als Parteien sind AfD und Union gegen eine Legalisierung, aber nicht alle Politikerinnen dieser Parteien unterstützen das. Wer sind also die treibenden Kräfte unter den Verbots-Befürwortern und wie argumentieren sie? Eine Übersicht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

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Daniela Ludwig, CSU: Cannabis-Studien werden fehlinterpretiert

Für viele Legalisierungs-Befürwortende dürfte Daniela Ludwig die derzeitige Endgegnerin sein. Als Drogenbeauftragte der Bundesregierung macht sie ihnen wenig Hoffnung. Nicht nur, weil sie kürzlich davor warnte, Cannabis sei kein Brokkoli. Das zeigt auch ein Brief an die Unionsfraktion im Bundestag.


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Darin gibt Daniela Ludwig eine dreiseitige “Argumentationshilfe” für die Illegalität von Cannabis. Das Schreiben trägt zwar den Briefkopf der Bundesdrogenbeauftragten, aber da Ludwig von “uns” spricht, dürfte der Brief wohl auch exemplarisch für die Haltung von CDU/CSU in dieser Frage stehen.

In dem Schreiben warnt Ludwig, dass der durchschnittliche THC-Gehalt von Cannabis in Deutschland in den letzten Jahren stark gestiegen sei – um mehr als das doppelte von 2006 auf 2018. Und THC wirke bei jedem Menschen anders. Zum Tod könne Cannabiskonsum aber nicht führen. All das ist richtig, der Satz “Cannabis ist in Deutschland verboten” stimmt aber nicht. Auf Rezept erhält man es seit über drei Jahren legal als Medizin. Das weiß sicher auch Ludwig.

Erst beim Punkt gesundheitliche Gefahren nennt Ludwig wirkliche Gegenargumente. Cannabis sei ein Risikofaktor für schwere psychische Erkrankungen, aber auch für Hodenkrebs. Das stimmt teilweise. Es gibt Studienergebnisse, die das nahelegen – aber nicht in jedem Fall.

Ludwig schreibt, alle medizinischen Aussagen ihres Briefes gelten als wissenschaftlich ausreichend nachgewiesen. Sie erwähnt allerdings nicht die Mängel mancher dieser Studien. Wenn Studienergebnisse ein erhöhtes Depressionsrisiko bei Cannabiskonsumierenden nahelegen, wie Ludwig sagt, kann das schlicht auch bedeuten, dass Menschen mit erhöhtem Depressionsrisiko einfach öfter kiffen. Dazu, und darauf weisen auch die Autoren großer Metastudien zum Thema hin, weiß man bei vielen Studien weder, wie viel die Teilnehmenden konsumiert, noch ob und welche Drogen sie zusätzlich genommen haben.

Auch zum Zusammenhang von Hodenkrebs und Cannabiskonsum weiß man noch zu wenig, um wirklich sichere Aussagen treffen zu können. Dass Ludwig das nicht erwähnt, ist irritierend, denn sie kritisiert im gleichen Schreiben, dass eine Auswertung des wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung von Legalisierungsverfechtern völlig falsch interpretiert werde.

Die Auswertung diverser Studien zu Legalität von Cannabis fand heraus, dass “die Verfolgung einer strikten Drogenpolitik wenig bis keinen Einfluss auf das Konsumverhalten hat.” Daniela Ludwig widerspricht jedoch den Wissenschaftlerinnen ihrer eigenen Regierung: Eine Liberalisierung führe trotzdem zu mehr Konsum. In der Studie heißt es dagegen weiter: “So wiesen einige der Länder mit den strengsten gesetzlichen Regelungen einige der höchsten Prävalenzraten im Hinblick auf den Drogenkonsum auf, während Länder, die eine Liberalisierungspolitik verfolgen, einige der niedrigsten Prävalenzraten aufwiesen.” Unter den lockersten Cannabisgesetzen wurde also mit am seltensten gekifft.

Aber Ludwig argumentiert mit Verweis auf die Studie noch weiter: In Kanada habe sich die Zahl der Erstkonsumenten im ersten Quartal nach der Legalisierung fast verdoppelt. Das stimmt. Allerdings handelte es sich dabei um ältere Konsumierenden. Bei den Jungen ging der Konsum laut neueren Zahlen sogar zurück.

Zusammengefasst finden sich in Ludwigs Argumentationshilfe Fakten, Pauschalisierungen aber auch falsche Aussagen. Verglichen mit den Äußerungen einiger ihrer Unions-Kolleginnen im Bundestag ist das ziemlich ausgewogen.

Alexander Krauß, CDU: Apokalyptische Szenarien

Der Gesundheitspolitiker Alexander Krauß hat sich offenbar vorgenommen, den Posten des härtesten Cannabis-Gegners in der Union einzunehmen. Ende letzten Jahres kritisierte er sogar Daniela Ludwig dafür, dass sie aus seiner Sicht das Cannabis-Verbot lockern wollte. Ludwig lasse sich von der “Drogenlobby” unter Druck setzen und Cannabis führe in den “Drogensumpf”, sagte er. Ludwig hatte davor lediglich gesagt, dass sie suchtkranken Menschen die Stigmatisierung nehmen und sich offen und unvoreingenommen dem Dialog stellen wolle. Aber Alexander Krauß liegt offenbar nicht viel an Ausgewogenheit.

Bei einer Bundestagsdebatte 2018 gab er Einblick in die Ängste, die ihn antreiben. In seiner Rede berichtet er von einem Besuch in San Francisco. “Ich war von dieser Stadt geschockt. Bei einem Gang durch die Straßen hat es überall nach Cannabis und Urin gerochen. In dieser Stadt lagen Hunderte Obdachlose herum, die wie menschlicher Müll behandelt worden sind. Dieses Menschenbild und diese Auswirkungen der Drogenpolitik möchte ich in Deutschland nicht.”

Auch in Colorado sei er gewesen und da gebe es seit der Legalisierung immer einen dummen Erwachsenen, der Jugendlichen Cannabis verkaufe, sagte er weiter in seiner Rede im Bundestag. Später widerspricht er dem dann selbst. Die Legalisierung würde den kriminellen Markt nicht austrocknen, weil Kriminelle dann einfach an Jugendliche verkaufen (und offenbar nicht die dummen Erwachsenen, von denen er in den USA erfahren haben wollte).

Stephan Pilsinger, CSU: Kiffen macht dumm

In einer Bundestagsdebatte zu Cannabis-Modellprojekten wählte Stephan Pilsinger 2018 vier Gegenargumente. Zunächst geht es um die Strafverfolgungsbehörden.

Legalisierungsbefürworter sagen, ein legaler Cannabis-Markt würde Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz entlasten. Dem widerspricht Pilsinger nicht, wendet aber ein, dass man diesem Argument folgend alle Drogen freigeben müsste. Für Pilsinger offenbar unvorstellbar. Auch wenn behauptet werde, auf einem legalen Cannabismarkt könne man die Qualität besser kontrollieren und die Gesundheit Konsumierender schützen, ist das für ihn kein Pro-Argument. Denn – Gegenargument – auch dann müsse man alle Drogen legalisieren.

Und was ist mit dem Argument, man könne legales Cannabis besteuern und das Geld in Suchtprävention und Aufklärung stecken? Das lehnt Pilsinger ab. Dann müsse man ja möglichst viel Cannabis verkaufen, sagt er, um möglichst viele Steuern einzunehmen. “Das finde ich grotesk: Tabakwerbung verbieten wollen, aber Cannabiskonsum zu Steuerzwecken nutzen!” Ob Steuereinnahmen wirklich dieser marktwirtschaftlichen Logik folgen sollten,kann man diskutieren, ebenso ob dem Land mehr geholfen ist, wenn man das Geld Kriminellen überlässt.

Zuletzt nennt Pilsinger einige gesundheitliche Gefahren – mit den gleichen argumentativen Nachlässigkeiten wie Daniela Ludwig. Bemerkenswert ist dabei die Aussage, “Fast alle seriösen Studien machen mehr als deutlich: Intensiver Cannabiskonsum macht dumm!” Kiffen wirkt sich zwar auf Körper und Gehirn aus, aber pauschal zu sagen, Kiffen mache dumm, ist auch nicht gerade smart. Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung verweist schon seit 2013 darauf, dass man das nicht so allgemein sagen könne.

Dennoch scheint Stephan Pilsinger damit die Meinung seiner Partei zu vertreten. Inzwischen ist er drogenpolitischer Sprecher der CDU/CSU Fraktion im Bundestag.

Emmi Zeulner (CSU): Die Einstiegsdroge

Die Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner hatte sich dafür eingesetzt, dass Cannabis als Medizin legal wird. Sie bekräftigte jedoch zuletzt 2019 in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, dass sie gegen eine generelle Legalisierung sei. Bei einer Bundestagsdebatte im März 2017 war eines ihrer Argumente dafür, Cannabis sei eine Einstiegsdroge. Das ist wissenschaftlich mehrfach widerlegt, was bei der Debatte auch Frank Tempel von der Linkspartei einwirft. Zeulner antwortet darauf, dass ihr Jugendliche in Suchtkliniken erzählt hatten, dass Cannabis die erste Droge gewesen sei, mit der sie Kontakt hatten. Aufgrund dieser persönlichen Anekdoten sei Cannabis für sie dennoch eine Einstiegsdroge.

Angela Merkel, CDU: “Ich halte davon nichts.”

Eigentlich ist es nicht mehr wichtig, was Angela Merkel über Cannabis-Konsum denkt. Denn in dieser Legislaturperiode wird es sicher nicht mehr legal. Dafür hatte sie schon im letzten Wahlkampf gesorgt. In einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte sie 2017 zur Freigabe von Cannabis: “Ich halte davon nichts. Wir erlauben eine sehr begrenzte Anwendung im medizinischen Bereich, darüber hinaus beabsichtige ich keine Änderungen.” Ein Argument lieferte sie zumindest in diesem Interview allerdings nicht.

Wiebke Winter, Junge Union: Alkohol und Tabak sind auch legal – na und?

Die Chefin der Jungen Union in Bremen, Wiebke Winter, wurde 2019 mit einem Shitstorm überzogen, nur weil sie sich im Stern-Videoformat Diskuthek zu Cannabis geäußert hatte. Dabei sind ihre Meinungen als konservative Politikerin nicht besonders kontrovers. Gerade für Jugendliche, bei denen das Gehirn noch in der Entwicklung ist, sei der Konsum besonders gefährlich, sagt sie in der Diskussion. Das kann durchaus zutreffen, allerdings stimmt es nicht, dass sich schon ein- oder zweimaliger Konsum auf das Gehirn Minderjähriger auswirkt. Trotzdem sollten Minderjährige natürlich die Finger von Cannabis lassen.

Ein häufiges pro-Legalisierung-Argument ist, dass die viel schädlicheren Drogen Alkohol und Tabak auch legal sind. Wiebke Winter findet, dass wir als Gesellschaft mit diesen legalen Drogen schon genug Probleme hätten und kein weiteres brauchen.

Axel Gehrke, AfD: Hinter Cannabis-Studien stecken Lobbys

Auch die AfD sieht keinen Grund, eine dritte Droge zuzulassen. Das sagte Axel Gehrke in einer Bundestagsdebatte vor zwei Jahren. Dabei bemüht er um den Mythos der Einstiegsdroge und schiebt nach, dass ihn wissenschaftliche Fakten nicht umstimmen würden: “Lassen Sie sich nicht durch ‘beweisende’ Studien in die Irre führen. Es steckt fast immer eine hocheffiziente Lobby dahinter.” Nämlich der Staat, um später damit Steuern einzunehmen und Unternehmen, die damit Geld verdienen wollen, sagt Gehrke.

“Es ist ein mehrfach widerlegter Irrglaube, dass durch eine Legalisierung der Drogenmarkt ausgetrocknet wird. Das Gegenteil ist der Fall”, sagt Gehrke weiter. Auch wenn es davor noch wirkte als interessiere sich Gehrke gar nicht für wissenschaftliche Arbeiten: Tatsächlich gibt es Studien, die zum Beispiel nach der Legalisierung im US-Staat Washington nur einen minimalen Kriminalitätsrückgang verzeichneten, aber auch andere, die einen “signifikanten Rückgang bei Vergewaltigungs- und Diebstahldelikten” bemerkten. In beiden Fällen ging die Kriminalität also zurück.

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