Diese Statue eines Mönchs in Frankreich sieht aus wie Sebastian Kurz und wir haben Fragen

Wir leben derzeit in zwei sehr unterschiedlichen Österreichen. In der einen Version stehen wir kurz davor, Österreich in einen protofaschistischen Retro-Theme-Park zu verwandeln, in dem es kein Rauchverbot, keinen Ausbau der Kinderbetreuung und auch keine Präventionshilfe für Gewalt gegen Frauen mehr gibt, dafür aber ein stark eingeschränktes Asylrecht und Polizei-Werbung auf Coffee-to-go-Bechern und wo Juden sich in Listen eintragen sollen, wenn sie koscheres Fleisch beziehen wollen.

In der anderen Version geht endlich alles mit (rechts)rechten Dingen zu und Sebastian Kurz wird als strahlender Heiliger und viriler Kaiser-Kanzler gefeiert, der alleine für seine Fähigkeit, ganze Sätze bilden zu können, jede Message-Control der Welt verdient hat. Als er Mitte Juli zum Hansi-Hinterseer’schen Wander-Ausflug mit Fans und Kuschern einlud, wurde er von besonders eingefleischten Kurzianern sogar mit dem Satz “Der Heiland geht vor uns!“ bedacht, wie DiePresse berichtet.

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Es sind zwei Paralleluniversen, die sich gegenseitig ausschließen und nicht an die Existenz des anderen glauben. Auf der einen Seite die Falter-Bobos, auf der anderen die Krone-Fans; im einen Fall ist Kurz der Heilsbringer, im anderen die Heisl-Figur. Was lustig ist, weil Österreich eigentlich sehr große Angst vor Parallelgesellschaften hat – zumindest, wenn es um die türkische Community im Brunnenviertel oder Asylsuchende aus Syrien und Afghanistan geht.

Aber vielleicht muss es nicht länger bei dieser Spaltung bleiben. Vielleicht kann ich mit einem Internet-Fundstück ein bisschen zum Schulterschluss beitragen und die Frage, WELCHE SEITE RECHT HAT, ein für alle Mal klären. Der Schlüssel zur Antwort liegt anscheinend in Frankreich; genauer gesagt im Fort la Latte in der Bretagne. Hier hat der Reddit-User /Chromber dieses wunderschöne Foto aufgenommen und was soll ich sagen: Die pessimistische Seite hatte Unrecht. Kurz ist ein Heiliger, kein Heisl. Oder wie es ein User in den Kommentaren ausdrückt: “Basti der Seelige, Schließer der Routen, Beschützer der Mauern, Schutzpatron der Reichen, Schrecken der Armen.” Aber auch, wenn ich jetzt eindeutig schlauer bin, habe ich jetzt ein paar neue Fragen.

Kennen wir diesen Gruß nicht irgendwoher?

Diese Finger. Diese Gestik. Dieser Gruß. Irgendwie erinnert mich die Fingerhaltung an die eines gewissen rechten Recken, der in seiner braunen Phase drei Kaltgetränke bestellt haben will und natürlich keineswegs den Kühnengruß gezeigt hat. Aber vielleicht spielt mir meine Erinnerung da auch einfach einen Streich. Immerhin ist das Burschi-Bild mit dem Finger-Faschismus schon so alt, dass weder Kurz noch ich damals so richtig auf der Welt waren.

Und wie wir seit dem Spiegel-Interview mit dem Kanzler-Gott wissen, sind Dinge, die vor unserer Zeit passiert sind, nicht mal so wirklich wahr. Wahrscheinlich denke ich eher an diesen Kühnengruß bei der Pegida-Demo vor ein paar Jahren. Der natürlich auch nur eine Zurschaustellung des Rütli-Schwurs war. Und den Kurz niemals machen würde. Weil er vor drei Jahren bei der Pegida-Demo noch gar nicht auf der Welt war. So muss es gewesen sein. Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen.

Warum eigentlich die Schieflage?

Wie alle Millennials hat auch Sebastian Kurz ein sehr ausgeprägtes Anspruchsdenken. Er weiß genau, was ihm seiner Meinung nach zusteht, und lebt getreu dem bescheidenen Wunsch, dass alle anderen gefälligst tun, was ihn glücklich macht. Und wer sind schon alle anderen, ihm diesen Wunsch nicht zu erfüllen? Eben. Nichts als neidvolle Nichtsnutze, die nicht mal 12 Stunden arbeiten wollen. Nennt mich konservativ, Kurz-Fan oder sogar Millennial, aber wenn ihr mich fragt, hat er sich sein Message-Control wirklich verdient.

Alles, was er will, ist immerhin die komplette Kontrolle darüber, wie er in den Medien dargestellt wird. Ist das denn schon zu viel verlangt? Diese Kapelle in Westfrankreich hat es KAPIERT. Nur das mit dem aufrechten Gang müssten wir bitte noch mal üben. Also, nicht Sonnen-Sebi natürlich, sondern seine Abbilder und Abbilderinnen. Ein aufrechter Neurechter kann doch nicht krumm gehen. Das hat die ÖVP den Fotografinnen und Fotografen da draußen doch schon bei diesem Foto von den Sondierungsgesprächen zwischen Kurz und Kern klargemacht. Dass man dieser Hofberichterstattung aber auch wirklich alles zweimal sagen muss.

Was ist das grüne Ding in seiner Hand?

Auf den ersten Blick könnte man meinen, der grüne Streifen unterhalb von Saint Sebis linker Hand wäre die Innenseite seines Talars. Aber wie man am anderen Arm sieht, ist sein Überwurf innen blau, nicht grün. Hält er also doch einen fremdem Gegenstand? Sieht man sich das Bild bis zum Sockel der Statue an, erkennt man einen braunen Stift, der wie ein Fahnenmast wirkt. Wenn Kurz aber eine schlaffe Fahne in der Hand hält (Leute, BITTE) und Fahnen bekanntlich fast immer irgendetwas bedeuten, stellt sich erst recht die Frage: Wofür könnte die hängende dunkelgrüne Fahne stehen?

Um das zu beantworten, bin ich für euch tief in die Farblehre eingetaucht und habe mir mehr Wissen über Grün angeeignet als selbst Eva Glawischnig und Ulrike Lunacek gesund finden dürften. (Und falls ihr euch schon gefragt habt: Ja, langsam betreten wir hier investigativ-journalistisches Terrain.) Grün kann ja bekanntlich viel bedeuten. Von Cannabis bis Hoffnung, von Joschka Fischer bis Alexander Van der Bellen, von Glücksspiel-Verbot bis Novomatic. Laut Wikipedia bezeichnet Grün als Signalfarbe auch “das Normale, Unproblematische, Positive oder Ordnungsgemäße. Grün wird benutzt, um Vorgänge zu kennzeichnen, die funktionieren oder erlaubt sind.” Das kann es also schon mal nicht sein.

Eine andere Bedeutungsebene tut sich auf, wenn man den konkreten Farbton näher anschaut; immerhin ist die Fahne dunkelgrün, nicht einfach nur grün, wozu sich im Netz folgende Assiziationen auftun: die einstigen Faschisten in Ungarn (auch bekannt als “Grünhemden“), die Flagge Saudi-Arabiens und die rechtsextreme Schweizer Volkspartei. Näher dran, aber immer noch kein Volltreffer. Geht man dann auch noch ein paar Jahre zurück und schaut sich an, was Grün im Mittelalter bedeutete (also zu Lebzeiten von Tanguy), findet man zur damaligen Farbsymbolik folgenden Satz: “Den Teufel stellte man sich in einen grünen Rock gekleidet vor.” Now we are talking.

Ist das im Vordergrund Reinhold Lopatka?

Es gab eine Zeit, da war Reinhold Lopatka wichtig und saß relativ stabil im Klubobmann-Sessel der Volkspartei. Es gab allerdings auch eine Zeit, als sich die Welt einig war, dass Trump nie im Leben US-Präsident werden könne, also was bedeutet die Vergangenheit schon. Seit Sebastian Kurz mit seinem Austausch des alten ÖVP-Personals gegen neue, inhaltsleere Gefäße direkt aus Invasion of the Body Snatchers begonnen hat, ist Reinhold Lopatka zum humanoiden Äquivalent eines Schattengewächses geworden, das genau wie ein Schüler in der letzten Reihe versucht, jede Aufmerksamkeit des Oberlehrers von sich abzulenken.

Der “Wenn ich nur lange genug geradeaus starre, sieht er mich vielleicht einfach nicht”-Blick dieser Figur würde also nahelegen, dass es sich wirklich um eine Statue des Heiligen Reinhold handelt. Vielleicht ist er auch tatsächlich zur Salzsäule erstarrt, wer weiß. Wenn man bedenkt, dass seine politischen Großtaten unter anderem die Wahlempfehlung für Norbert Hofer und die Anwerbung des Po-Grapsch-Doktors Marcus Franz und seiner drei Team-Stronach-Kollegen umfassen, ist das vielleicht für alle Beteiligten besser so.

Ist Sebastian Kurz eigentlich ein zeitreisender Mönch?

OK, ja, ich weiß. Aber es würde so vieles erklären! Hört mir kurz zu. Da wären mal die rosigen Wangen. Und nichts sagt so schön “Es ist Zeit” wie blutdurchflutete Backen. Wofür genau Zeit ist, sagen die Backen zwar nicht, aber das sagt ja auch Sebastian Kurz nicht und deshalb wird es ja nicht automatisch unwahr. Das aderplatzende Gesichtsleuchten ist ein ziemlich gutes Indiz dafür, dass diese Statue wirklich unseren Gottkanzler darstellt und niemand anders. Auch andere Statuen des Heiligen Tanguy (wie zum Beispiel diese hier) haben dasselbe Gesichtsfeature. Weitere Darstellungen des Heiligen variieren von Wickie bis Nosferatu – also einem nasenreibenden Wikinger und einem untoten Grafen, was ziemlich genau die semantische Bandbreite von Super-Sebi beschreit. Zufall??

Dann wäre da noch der Name “S. Tanguy”. Und ja, auf den ersten Blick ist “Tan Guy” nicht unbedingt der Spitzname, den man dem eher blass-braven Regierungsführer umhängen würde. Aber genau da wird es interessant. Erstens ergibt “Sebastian der Gebräunte” im politischen Kontext durchaus Sinn; und zweitens ist Kanzler Kurz im Moment gerade dabei, seine Epidermis-Färbung hin ins weniger Käsige und eher Arnold-Schwarzenegger-eske zu verändern – aber eben erst JETZT, wie dieses neue Foto auf Twitter zeigt, das der Millennial-Regent am Rande einer Konferenz mit Arnold Schwarzenegger gemacht hat. Wie erklärt ihr also, dass der Name eines 1500 Jahre alten Heiligen eine Anspielung auf eine 2018 eintretende Hautton-Veränderung Bezug nimmt? Außer, naja, mit Zeitreisen eben??

Was zur Hölle bedeutet das alles?

Hinzukommt noch, dass es in Frankreich das sogenannte “Phénomène Tanguy” gibt, das Typen um die 30 beschreibt, die sich ihre Kleidung immer noch von Mama aufs Bett legen lassen und die man früher vielleicht “Muttersöhnchen” genannt hätte. Soll ich noch mal “ZUFALL??” fragen? Wie viele Großbuchstaben und Fragezeichen braucht ihr noch?

Ich glaube, die Fülle dieser wild assoziierten Vermutungen in Kombination mit vermeintlichen Fakten auf Verlinkungs-Basis sprechen für sich. Außerdem gehe ich ehrlicherweise davon aus, dass ihr seit Beginn dieses Artikels sowieso völlig hypnotisiert von diesem Foto des großohrigen, rotbackigen Polit-Heiligen seid und ich euch längst alles erzählen kann. Wenn ihr sonst nichts gelernt habt, dann hoffentlich zumindest, wie einfach man gestörte Verschwörungstheorien so etwas Ähnliches wie vernünftig klingen lassen kann. Und ich meine, seht euch einfach noch mal dieses Foto an. Es ist das Lustigste, was Austro-Reddit hervorgebracht hat, seit … mindestens seit bekannt wurde, dass das Passwort von Johann Gudenus “heilheil” gelautet haben soll.

Aber weil ich weiß, dass ihr alle mit dem Gefühl hier rausgehen wollt, etwas gelernt oder zumindest einen Tweet mitgenommen zu haben, hier doch mal ein bisschen was zum realen Saint Tanguy: Seine große Leistung war es, eine völlig abgeschiedene Abtei zu gründen, von der aus der Mönch über viel totes Land und sich selbst herrschte – und zwar auf einem Grundstück, das er vererbt bekommen hatte. Sehr viel mehr ist nicht nachgekommen. Die Parallelen zu Kurz und seiner Kanzlerschaft sind frappierend. Hoffentlich bleiben sie es auch.

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