„Auf Spanisch heißen Milchshakes malteadas. Warum weiß heute keiner mehr”, erzählt mir Eugenio Palmeiro. „Malteada kommt vom Spanischen malta [Malz]. Und genau daraus machte man früher Milchshakes.” „Aber in Mexiko werden sie heute doch nur mit Eiscreme und Milch gemacht, oder?”, frage ich ihn. „Ja…”, seufzt er.
In Colonia Roma, einem Viertel von Mexiko-Stadt, ist Eugenio fast schon eine Berühmtheit. Freundlich grüßt er alle Nachbarn und bietet jedem ein bisschen Eis zum Probieren. Außerdem bekommt man bei ihm die besten Milchshakes der ganzen Stadt.
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„Wir haben auch Eis für Tiere!”, ruft er einem Passanten mit seinem Hund hinterher. Gern erinnert er sich an seine Kindheit in Kuba zurück, besonders an den Geschmack seiner Lieblingseissorten aus dem berühmten Coppelia-Eissalon. „Damals haben sie ihr Eis mit angedickter Sahne gemacht. Deshalb hat es so gut geschmeckt”, erzählt er mir mit leicht wehmütigem Unterton. „Jetzt hat sich alles verändert. Ich habe gehört, dass es überhaupt nicht mehr so ist wie damals.”
Jeden Tag aufs Neue macht er frische Eiscreme und geht dabei mit wissenschaftlicher Präzision vor. Das kommt nicht von ungefähr, denn Eugenio ist studierter Nuklearingenieur und Molekularbiologe. In diesem Bereich hat er in Russland gearbeitet, doch nach dem berühmten Super-GAU von Tschernobyl wurde sein Projekt ausgesetzt, sodass er wieder nach Kuba musste. Zurück auf der Karibikinsel hat er zu verschiedenen Krankheiten und Viren geforscht, unter anderem HPV und HIV, bis er eines Tages eine mexikanische Familie traf, die ihn einlud, einmal nach Mexiko zu kommen.
2000 ist er dort angekommen. Mexiko stand kurz vor den Wahlen und in der Politik herrschte eine Umbruchstimmung. Er versuchte, einen Job beim Staatlichen Institut für Atemwegserkrankungen zu bekommen, hatte aber keinen Erfolg. Also arbeitete er als Chemiker ineinem Analyselabor.
In seiner Freizeit stellte er Eiscreme her, weil er in Mexiko kein Eis finden konnte, das so gut war, wie das aus Havanna. „Irgendwann habe ich meine Arbeit als Chemiker aufgegeben und mich voll und ganz auf die Eisherstellung konzentriert. Ich mochte das mexikanische Eis einfach nicht.”
Dank seiner chemischen Kenntnisse konnte er sein Eisrezept perfektionieren. So wurde er zum „Walter White der Eiscreme”, zum Eisdealer sozusagen. Noch während er regelmäßig im Labor arbeitete, ist er mit seinen gefrorenen Kreation von einer Gastromesse zur nächsten getingelt. So wurde Schritt für Schritt aus dem Hobby ein Beruf.
Eugenios Eis und seine Milchshakes machen fast genauso süchtig, wie die Heisenbergs blaue Kristalle. Aber Eugenio muss sich nicht verstecken:Auf dem „Mercado de Medellín” verkauft er sein Eis ganz legal an Stand 507. Da kann man einfach hingehen und fragen, ob man seine bekannteste Eissorte probieren darf: Eiscreme mit Puddinggeschmack. Aber Vorsicht, das macht wirklich abhängig: „Wer einmal davon probiert hat, kann nicht mehr aufhören.”