In der Gastronomie herrscht Personalmangel. Immer mehr Köche arbeiten selbstständig, was für Restaurantbesitzer, die ihr Geschäft am Laufen halten wollen, zu einer echten Herausforderung wird. Der 28-jährige Dennis de Haan vom Restaurant De Haan im niederländischen Groningen hat dieses Problem nicht. In seinem Laden gibt es 16 Plätze, fünf Gänge, eine offene Küche, eine Weinbar und einen Haken: Dennis de Haan schmeißt sein Restaurant komplett allein. Fünf Tage die Woche ist er nicht nur Koch, sondern auch Kellner und Tellerwäscher. Sein Geschäft boomt: Bis Februar sind alle Tische ausgebucht.
Doch wie kann man ein ganzes Restaurant ohne Personal betreiben? Um das herauszufinden, habe ich ihn besucht.
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Sobald man hereinkommt, fragt er einen, ob man Kaffee möchte. Falls ja, muss man ihn sich selbst einschenken. So läuft das im De Haan: Die Gäste müssen sich ihre Getränke selbst besorgen. Zu jedem Gang gibt es einen passenden Wein, die Flaschen stehen in der richtigen Reihenfolge im Kühlschrank. Nach jedem Gang mit Wein schreiben die Gäste auf, was sie gerade gegessen und getrunken haben, daraus wird dann am Ende des Abends die Rechnung.
Während er die Schokopralinen für das Dessert vorbereitet, erzählt er mir: „Vor vier Jahren habe ich die Idee zu diesem Restaurant entwickelt. Ich fragte mich immer, ob man dieses und jenes nicht schneller, effizienter und besser machen könnte. Ich wollte schon immer meinen eigenen Laden haben, aber ein erfolgreicher Start ist mit Personal noch härter als allein.”
Dennis de Haan ist ein wahrer Organisationskünstler. In der glänzenden Küche stehen dieGewürze nummeriert im Regal. „Für jedes Gericht habe ich eine eigene Arbeitsfläche, die Zutaten immer in greifbarer Nähe.” Jeder Quadratzentimeter seines Restaurants ist bis ins kleinste Detail durchgeplant.
„Wenn man ein Restaurant in einem Laden eröffnet, der genau dafür ausgestattet ist, dann ist immer schon eine Küche drin—mit Geräten, die du vielleicht gar nicht willst. Da funktioniert so ein Konzept nicht. Ich wollte einen vollkommen leeren Laden. Ich habe die Küche selbst entworfen und eingerichtet”, erklärt er.
Ich schaue mich um und dabei wird mir klar, dass er wirklich an alles gedacht hat. Der Metallbehälter, in dem der Stabmixer steht, sieht aus wie das Ding, in das ich meine WC-Bürste zu Hause stecke. „Es ist ein Toilettenbürstenhalter”, bestätigt er meine Vermutung lächelnd. „Man kann den Mixer da einfach rausnehmen, das ist weniger umständlich. Das Kabel ist an einem Clip eines Ausweishalters befestigt, damit es nicht auf den Herd fällt.”
Das Besteck ist nach Gängen sortiert, genauso wie die Gläser. „Selbst wenn ich anfangs nicht alles erklärt habe, schaffen es die Gäste trotzdem, das richtige Besteck und die Gläser zu finden”, meint de Haan. Dieses Restaurant ist wirklich eine einzige ausgeklügelte Trickkiste.
„Am Abend selbst ist es nicht so hektisch, wirklich anstrengend ist die Mise en Place”, erklärt er mir. „Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, alles muss fertig sein, bevor die Gäste um 18 Uhr kommen.” Sie können zwischen einem Drei-, Vier- oder Fünf-Gänge-Menü wählen.
Langsam verstehe ich, wie er es schafft, das Restaurant fünf Tage die Woche allein zu betreiben. „Pro Woche habe ich 70 Gäste. Wenn ich also Pralinen mache, dann nicht nur für einen Abend, sondern für die ganze Woche. Wenn möglich, mache ich gleich 300.” Und er hat noch andere Tricks: „Frische Zutaten vakuumiere ich und packe sie in den Kühlschrank. Solange es die Qualität nicht negativ beeinflusst, ist das kein Problem.” So machen es nicht nur Ein-Mann-Restaurants: „Ich habe mit Parkheuvel [einem Sternerestaurant in Rotterdam] gearbeitet, da haben wir manche Sachen drei Monate im Voraus gemacht. Jedes Restaurant muss effizient sein, um ein konstantes Qualitätsniveau halten zu können. Ansonsten wird jeder Tag ein einziges Chaos.”
Das Menü ist immer eine Überraschung für die Gäste. Als ich Dennis besuche, arbeitet er gerade an neuen Gerichten für diesen Monat: Ravioli mit Pilzen für die Vegetarier und Hirschschulter für die Fleischesser. „Meine Art zu kochen ist unverfälscht und immer mit Fokus auf die Saison. Im Januar kann ich erst wieder Rindfleisch bekommen, also koche ich jetzt mit Hirsch.”
Ich frage ihn, ob er den Trubel einer „normalen” Restaurantküche nicht vermisst: „Die Unterhaltungen vermisse ich nicht. Meine Freundin schaut ab und zu gegen 16 Uhr vorbei und dann muss ich ihr oft sagen Gut, jetzt kannst du auch wieder gehen. Beim Kochen braucht man enorm viel Konzentration und muss intensiv denken. Solange ich alleine bin, bin ich sehr ruhig und voll im Flow. ich kann mich auf meine Arbeit konzentrieren, weshalb ich auch so viel schaffe.”
Wenn die Gäste mit dem Essen fertig sind, wäscht der Koch auch noch das komplette Geschirr ab. Er hat genug Gläser und Geschirr, um einen ganzen Abend durchzustehen, ohne zwischendurch abwaschen zu müssen. Pfannen und Geschirr werden eingeweicht, das Besteck kommt in einen speziellen Behälter: „Das war auch ursprünglich ein Toilettenbürstenhalter”, meint Dennis de Haan. Irgendwie komisch, dass er für alles Toilettenbürstenhalter nimmt, aber er meint, dass sie einfach zu reinigen und außerdem aus Edelstahl sind.
All diese Tricks und Kniffe helfen ihm letztendlich dabei, köstliches Essen auf den Tisch bringen zu können: „Man kann ein noch so gutes Konzept haben, wenn den Gästen das Essen nicht schmeckt, wozu dann der ganze Aufwand? Es würde niemand kommen.”
Ist es nicht ärgerlich, das Geschirr waschen zu müssen? „Nein, ich hasse keine meiner Aufgaben. Es stört mich nur, wenn bestimmte Dinge einfach zu lange dauern. Dann versuche ich, mir einen neuen Trick einfallen zu lassen. Aber jetzt kennst du eigentlich die meisten meiner Geheimnisse.”