Ari Kivikangas, AKA „Cyberman”
Ari Kivikangas verbringt sein ganzes Leben vor einer Webcam. Aber im Gegensatz zu den meisten Vloggern, die ihr Leben mit Menschen teilen, denen das nicht egaler sein könnte, passiert bei ihm nicht gerade viel. Es gibt keine Kid-Cudi-Ukulele-Cover oder verzweifelte Bitten an Follower.
Das ist die eine Sache, die seinen Stream von anderen unterscheidet. Die zweite ist, dass Ari, oder „Cyberman”, wie er seine Ustream-Show nennt, behauptet, 24/7 online zu sein—abgesehen von den kurzen Unterbrechungen, wenn er seine Epilepsiemedikamente abholen muss oder, wie er mir in einer E-Mail mitteilte, wenn er flachgelegt wird (passiert nicht oft) oder sich einen runterholt.
Das, was Ari macht, nennt sich „Life-Casting”, was an sich eigentlich schon ziemlich selbsterklärend ist, und besteht darin, wirklich alles zu streamen, was man so macht—quasi eine selbstaufgezwungene Truman Show mit einem Bruchteil der Zuschauer. Das Konzept hat schon etwas Faszinierendes an sich—es setzt nun mal eine ganz bestimmte Form von Selbstbewusstsein voraus, sich nicht darum zu scheren, ob dir Fremde beim Schlafen zuschauen. Um also etwas mehr über sein Leben online zu erfahren, habe ich mit Ari in seinem Zuhause in Finnland geskypet.
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VICE: Hi Ari! Wann hast du denn angefangen, dein Leben zu streamen?Ari Kivikangas: Ich habe vor vier Jahren damit angefangen. Ich hing für drei Monate zu Hause fest und hatte viel Zeit, aber nichts zu tun, also machte ich das. Ich bin Epileptiker und arbeite nicht mehr, deswegen bin ich die ganze Zeit zu Hause.
Und du hast seitdem dein ganzes Leben online verbracht?
Ja, ich bin 24/7 online.
Warst du schon immer eine offene Person? Leute derartig an deinem Leben teilnehmen zu lassen, scheint schon ein ziemlich großer Schritt zu sein.
Es ist ein großer Schritt, auf jeden Fall. Ich sage auch pausenlos das, was ich gerade denke. Ich erzähle auch jedem fast alles über mein Leben—nicht alles, aber das meiste.
Ari zeigt seinen Zuschauern sein Setup.
Gib mir eine Kostprobe.
Ich habe zum Beispiel mal meinen Zuschauern erzählt, wie ich einem Mann einen geblasen habe. Ich bin bisexuell, er kam zu Besuch, also habe ich ihm einen geblasen.
Vor der Webcam?
Nein, nicht vor der Webcam. Ich habe zuvor aber schon mal vor der Webcam masturbiert.
Öfter?
Nein, nur einmal vor einem Jahr. Es war nicht cool; es war sogar ziemlich blöd. Die Leute fanden das gar nicht gut.
Warum, glaubst du, ist das so?
Ich kam darauf überhaupt nicht klar, aber ich schere mich nicht mehr darum, was die anderen sagen—ich kann mir selber aussuchen, wann ich masturbiere.
Gehst du jemals offline?
Nur wenn ich meine Medikamente abhole oder wenn ich masturbiere, aber das kann ich auch auf andere Weise machen, in meiner Hose zum Beispiel.
OK. Schaust du dir auch Life-Casts von anderen an oder fokussierst du dich nur auf deinen eigenen?
Ich schaue nicht vielen anderen Leuten zu. Es gibt ein paar andere Life-Caster, die wirklich die Wahrheit sprechen, aber die meisten machen aus der Sache nur einen riesigen Witz. Da steckt sonst nichts hinter.
Auf welche Weise bist du ehrlicher als die anderen?
Ich bin mit allem, was ich sage, total ehrlich. Ich habe nichts zu verlieren, weil ich nichts in meinem Leben habe, das man verlieren könnte—die Menschen lachen über mich, deswegen fühle ich mich beschissen und life-caste mich selber.
Was denkst du über die Überwachung durch die Geheimdienste? Du scheinst ja persönlich kein Problem damit zu haben, dass Leute dir zuschauen. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass es dir viel ausmachen würde, wenn irgendwelche Regierungen dir über die Schulter gucken würden.
Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.
Du weißt doch, die NSA—dieser riesige Überwachungsskandal …
Ach, ja klar, das ist gerade überall. Es wird dich immer jemand beobachten und du wirst davon nichts mitbekommen—tatsächlich ist es sehr, sehr wahrscheinlich, dass du davon nichts mitbekommst.
Und ich nehme mal an, dass dir das nichts ausmacht.
Ich habe nichts zu verlieren.
Glaubst du, dass das Life-Casting dich auf irgendeine Weise verändert hat?
Nein, nicht wirklich—ich bin immer noch der gleiche Typ, der ich schon immer war.
Hast du irgendwelche Stammzuschauer? Fans?
Ja, ich habe ein paar Fans. Ich habe um die 125 Zuschauer, die regelmäßig reinschauen, und 500 Fans auf Facebook. Als ich masturbierte, hatte ich aber um die 1.000 Zuschauer.
Du sagtest eben, dass du kaum das Haus verlässt—ist es für dich schwerer geworden, offline mit den Menschen zu interagieren?
Nein, ich bin sehr sozial—ich unterhalte mich gerne mit Menschen. Ich bin sehr offen und mir gefällt es, offen zu sein—also ja, ich kann sozial sein.
Wie verbringst du die Zeit?
Ich bin immer online, in diversen Chats und so weiter. Ich habe auch meinen eigenen Chat. Und ich bin viel auf YouTube und schaue dort Dokumentationen. Die beste Doku, die ich gesehen habe, ging um Mark Zuckerberg—er ist einer meiner Helden.
Was bewunderst du so sehr an ihm?
Er ist Programmierer und er ist verdammt gut darin. Das, was er mit seinem sozialen Netzwerk erschaffen hat—es ist so interaktiv und so gut. Und er ist verdammt reich und ich bin sehr arm.
Warum bringst du dir nicht selber Programmieren bei? Online gibt es einiges, mit dem du loslegen könntest.
Ich kann HTML, aber ich bin auch etwas dumm und ein bisschen faul. Meine Medikamente sind sehr stark, weswegen ich einfach kein verdammtes Buch lesen kann. Ich habe auch diese Schlaftabletten. Wenn ich also ins Bett gehe, schlafe ich meistens sofort ein.
Klingt plausibel. Zu guter Letzt, hast du Die Truman Show gesehen? Fühlst du dich wie Truman?
Ja, habe ich gesehen; ein sehr guter Film.
Cool. Danke, Ari!
Aris Livestream findet ihr hier.