Dieser Beitrag erschien ursprünglich bei VICE Austria:
Beim Wiener Sportklub und dem First Vienna FC trifft englische Fußballatmosphäre auf politisches Engagement, das nicht an der Stadionkasse aufhört.
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Genau das bekamen wir bei unserem ersten Stadionaufenthalt auf dem Sportclub-Platz und der Hohen Warte sofort zu sehen: Es wurden Transparente gegen Homophobie angebracht und überall waren auf Aufkleber gegen Diskriminierung zu finden.
Für mich war das Szenario aus mehreren Gründen überraschend. Einerseits kenne ich Derbys aus Deutschland eher als wilde Aufeinandertreffen von leidenschaftlich verfeindeten Mannschaften und Fans – mit massivem Polizeiaufgebot und ordentlichen Ausschreitungen. Andererseits sind eingefleischte Fans üblicherweise nicht gerade die sensibelsten im Umgang mit politisch korrekten Themen – und auch nicht dafür bekannt, besonders offen für Kameras und Medien zu sein.
Die Leute hier waren im Gegensatz zu meinem bisherigen Bild nicht nur so harmlos, dass man locker mit Kindern zum Spiel gehen hätte können; sie reagierten auch extrem gut auf unsere Kamera – ich würde sogar sagen, definitiv besser als die meisten, mit denen man im Rahmen einer Doku zusammenarbeitet.
Die Freunde der Friedhofstribüne, dem größten Fanklub des Sportklubs, äußern sich nicht nur – sie handeln. Mit dem von ihnen ins Leben gerufenen Ute-Bock-Cup unterstützen sie verschiedenste Flüchtlingsprojekte. Und das nicht erst seit der Flüchtlingskrise der letzten Jahre; das Benefiz-Turnier findet 2017 bereits zum 9. Mal statt. Sie prägen das Bild des Wieners Sportklub nach außen, ohne interne Handlungen zu vernachlässigen. Fehlverhalten auf der Friedhofstribüne wird nicht überhört oder einfach abgetan.
Im Gegensatz zum Derby zwischen Austria und Rapid Wien, bei dem es immer wieder zu Ausschreitungen kommt, ist das Derby Of Love ein friedliches Miteinander. Auch deshalb ist kaum Polizei vor Ort, gemessen an der Anzahl der Zuschauer. Das geht nur, wenn sich jede Person im Stadion so verhält, wie sie es auch von anderen erwartet.
Wer glaubt, dass deshalb während des Derbys keine Stimmung aufkommt oder zu wenige echte Emotionen im Spiel wären, die den Fußballsport sonst nunmal ausmachen, täuscht sich übrigens. Genau wie bei anderen Derbys unterstützt jeder sein Team intensiv und lautstark über 90 Minuten – aber ohne den Respekt vor dem Gegner zu verlieren.
Das gilt für den Sportklub und die First Vienna in jedem Spiel. Ganz egal, ob im Liga-Alltag, im Cup oder bei einem Freundschaftsspiel. Dieses Jahr findet das Derby am 1. Mai unter besonderen Bedingungen in Hernals statt: Während der Wiener Sportklub an einer Rückführung zum “Sportclub” mit C arbeitet, wurde im März über die First Vienna ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Derzeit schaut es also aus, als müsste das “einzig wahre Wiener Derby” eine Saison aussetzen. Um die Wartezeit bis zum Spiel zu verkürzen, könnt ihr euch unsere Eindrücke vom letzten Derby auf der Hohen Warte anschauen. Und euch überzeugen, dass es für gute Stimmung nicht dummen Hass braucht: