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Sex

Wie sich meine Behinderung auf mein Sexleben auswirkt

Oft wirken die Leute überrascht, wenn sie hören, dass auch behinderte Menschen sexuelle Bedürfnisse haben. Ja, die haben wir wirklich. Es ist für uns bloß nicht so leicht, sie auch zu erfüllen.

Der Autor vor seinem Zuhause in Vancouver

Meine Name ist Spencer. Ich bin ein 25-jähriger Musikliebhaber und Teilzeit-Radiomoderator beim Sender der University of British Columbia. Ich leider außerdem an einer körperlichen Krankheit namens Zerebralparese.

Die Ärzte diagnostizierten die Krankheit, als ich gerade mal ein Jahr alt war. Für alle, die es nicht wissen: Zerebralparese ist eine Störung, die sich auf den Muskeltonus, auf den Bewegungsapparat und auf die motorischen Fähigkeiten auswirkt. Verursacht wird sie durch einen Gehirnschaden während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt und sie tritt in verschiedenen Ausprägungsgraden auf. Ich kann zum Beispiel nicht ohne Hilfe stehen oder laufen und meine linke Körperhälfte ist sehr steif. Dazu leide ich noch an einem Hydrocephalus. Das bedeutet, dass sich in meinem Gehirn übermäßig viel Flüssigkeit anstaut, was schlimme Muskelkrämpfe auslöst.

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Meine elektrischer Rollstuhl gibt mir ein wenig meiner Unabhängigkeit zurück, aber für diverse alltägliche Dinge bin ich dennoch auf die Hilfe meiner Eltern oder der Pflegekräfte angewiesen. Dazu gehören Sachen wie Autofahren, vom Bett in den Rollstuhl steigen, Essenszubereitung, Baden, Anziehen, Rasieren und Mundhygiene.

Solche Dinge gelten im Allgemeinen als grundlegende menschliche Bedürfnisse und es ist deswegen kein Problem, dabei um Hilfe zu bitten. Wenn es jedoch um meine Sexualität und die damit einhergehenden Notwendigkeiten geht, dann wird die ganze Sache schon komplizierter.

Die Erforschung der eigenen Sexualität ist selbst für nicht behinderte junge Menschen eine große Herausforderung. Wenn man wie ich an einer Krankheit leidet und deswegen bei alltäglichen Dingen auf Hilfe angewiesen ist, dann wird diese Herausforderung noch viel schwerer.

Viele Mädchen gaben mir im Verlauf meiner Kindheit und Jugend einen Korb. Das tat meinem Selbstbewusstsein natürlich nicht so gut und ich habe deswegen auch jetzt als Erwachsener noch Probleme, Frauen nach einem Date zu fragen. Und wenn es doch zu einer Verabredung kommt, dann geht diese meistens nicht über einen Kaffee hinaus. Ich glaube, dass einige der Damen, für die ich mich interessierte, nicht mit meiner Behinderung klargekommen wären.

Mit 12 habe ich angefangen zu masturbieren. Ich wusste nicht, was ich da machte oder wie man das nannte, aber das war mir auch nicht wichtig. Ich hatte eine neue Beschäftigungsmöglichkeit mit meinem Penis entdeckt. Und es fühlte sich gut an. Ich glaube, dass viele junge Männer auf die gleiche Art und Weise zum ersten Mal mit dem Thema Selbstbefriedigung in Berührung kommen. Sie fangen an, da unten rumzuspielen, wissen dabei nicht, was abgeht, und eines Tages kommt dann weißes Zeug raus. Sie machen alles sauber und leben dann mit der Gewissheit weiter, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Männlichkeit getan zu haben. Dieser Schritt war für mich nicht so leicht.

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Als ich das erste Mal ejakulierte, dachte ich zuerst, ich hätte mir in die Hose gemacht. Ich war bei meinem Vater zu Hause und obwohl ich mich unglaublich schämte, hatte ich keine andere Wahl, als ihm davon zu erzählen. Er half mir beim Saubermachen und versicherte mir danach, dass ich mich nicht eingenässt hatte.

Nein, stattdessen war ich ein Mann geworden. Er klopfte mir auf die Schulter und erklärte mir alles. Seit diesem Tag kann ich viel besser mit meiner Sexualität umgehen und mit meinem Vater über alles reden. Er unterstützt mich, wo er nur kann. Sein Ziel ist es dabei immer, mir ein Leben als normaler Erwachsener zu ermöglichen.

In dieser 'Slutever'-Episode erzählt Spencer noch mehr über seine Sexualität sowie den "Sensual Solutions"-Service

Oftmals wirken die Leute überrascht, wenn sie hören, dass auch behinderte Menschen sexuelle Bedürfnisse haben. Ja, die haben wir wirklich. Es ist für uns bloß nicht so leicht, sie auch zu erfüllen. Aufgrund meiner körperlichen Einschränkungen benötige ich Hilfe—sowohl bei den Vorbereitungen für die Selbstbefriedigung als auch beim "Aufräumen". Die eigentliche Arbeit kann ich zum Glück selbst erledigen.

Viele meiner Pflegekräfte kommen aus meinem Freundeskreis und sind damit ungefähr gleich alt. Sobald sich ein gutes Arbeitsverhältnis zwischen uns entwickelt hat und ich mich wohl fühle, bitte ich ihn oder sie darum, mich bei den Vorbereitungen und beim Saubermachen zu unterstützen. Die meisten zeigen Verständnis für meine Situation und helfen gerne (einmal hat eine weibliche Pflegekraft sogar angeboten, mir einen runterzuholen—ein Angebot, das ich demütig annahm). Ich bin mir aber auch im Klaren darüber, dass jeder Mensch unterschiedliche Moralvorstellungen sowie persönliche Grenzen hat. Außerdem würde ich niemals eine Pflegekraft um etwas bitten, bei dem sie sich nicht wohl fühlt.

Wenn ich mal etwas mehr brauche, als mir die Pflegekräfte bieten können oder wollen, dann greife ich auf einen Service namens Sensual Solutions zurück. Die Angestellten dort bezeichnen sich als "Intimitäts-Coaches" und sie helfen behinderten Menschen dabei, genau dieses Thema zu erforschen. Wie weit sie dabei gehen, entscheidet der Kunde.

Ich nutze diesen Service seit ungefähr zweieinhalb Jahren und in diesem Zeitraum ist meine Selbstsicherheit im Umgang mit Frauen deutlich gestiegen. Die Coaches sind für Leute mit körperlichen Einschränkungen Gold wert. Ich habe durch sie nämlich gelernt, dass ich einer Sexpartnerin genauso viel geben kann wie jeder andere Mann auch. Bei mir sieht das eben nur etwas anders aus.