G – kurz für GHB oder GBL – ist eine Sex- und Partydroge. Ihre Wirkung lässt sich ein bisschen mit der von Alkohol vergleichen. G ist enthemmend, euphorisierend und aphrodisierend. Kurz gesagt, es macht ausgelassen, glücklich und geil. Und das auch noch ohne unangenehmes Runterkommen oder Kater.
Klingt nach der perfekten Droge? Leider nein. G – früher auch als Liquid Ecstasy bekannt – ist nämlich verdammt gefährlich, also lebensgefährlich. Die Substanz ist berüchtigt für ihre winzige therapeutische Breite. Das heißt, der Mengenunterschied zwischen Rausch und Überdosierung ist minimal. Und so eine Überdosis G sieht nicht nur schrecklich aus – von plötzlichem Wegdämmern über unwillkürliches Rumschreien, Krampfen, Kotzen, Körperzuckungen bis hin zu komaartiger Bewusstlosigkeit kann alles passieren –, sondern sie kann auch tödlich sein.
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Lange Zeit war G vor allem als Vergewaltigungsdroge oder K.O.-Tropfen bekannt und wurde einvernehmlich überwiegend von queeren Männern und in der Chemsex–Szene konsumiert. Zwar gibt es keine präzisen Statistiken zum G-Konsum, aber Expertinnen und Menschen, die regelmäßig in Clubs gehen, sagen, dass G schon längst nicht mehr nur auf queeren Partys und Festivals genommen wird.
Auch von VICE: GHB – Europas tödlichste Partydroge
Die steigende Verbreitung hat dazu geführt, dass seit einigen Jahren auch in Berlin heftig über den Umgang mit G diskutiert wird. Die meisten Clubs fahren eine Nulltoleranzpolitik. Sie wollen nicht, dass ihre Türsteher Gäste mit Herzdruckmassagen wiederbeleben müssen oder Krankenwagen vor dem Eingang parken. Wird man mit der Droge erwischt oder erleidet eine Überdosis, droht ein Hausverbot. Ganz unumstritten ist das nicht.
Das harte Vorgehen hat nämlich in der Vergangenheit dazu geführt, dass Menschen noch völlig neben der Spur vor die Tür gesetzt wurden oder Menschen im Club ihre kollabierenden Freunde liegen lassen haben – aus Angst, selbst ins Visier der Türsteher zu geraten.
Als im August 2021 Angestellte eine 25-jährige Frau bewusstlos auf einer Toilette im Berliner Suicide Circus fanden, die wenige Tage später im Krankenhaus verstarb, startete der Club zusammen mit anderen Initiatoren eine stadtweite Plakatkampagne mit dem Motto “Clubculture against GHB”. Auch die Berliner Clubcommission veröffentlichte im darauffolgenden Oktober ein Statement unter der Überschrift “There’s no G in Club Culture”.
Aber es gibt auch Menschen und Institutionen, die das Problem mit mehr Aufklärung lösen wollen. Dragqueen Pansy veranstaltet in Berlin seit Jahren die Harm-Reduction-Reihe Let’s Talk About Sex and Drugs. “Lange Zeit war G eine Droge, die speziell von schwulen Cis-Männern genommen wurde”, sagt sie. “Das hat sich in den letzten Jahren definitiv geändert. Heutzutage beobachte ich, dass viel mehr Cis-Frauen in Clubs G nehmen, auch queere Menschen verschiedenster Gender.”
Trotzdem richte sich die Harm Reduction zum Thema G häufig noch größtenteils an schwule Männer. “Der große Unterschied ist heute, dass eine Menge jüngerer Menschen G nehmen, die nicht unbedingt wissen, was sie da tun”, sagt Pansy. “Leider gibt es nicht viele an sie gerichtete Informationen, wie sie den Konsum sicherer machen können.” Es gibt nämlich ein paar wichtige Dinge, die man beim G-Konsum unbedingt beachten muss.
GHB oder GBL – Was ist G?
GHB gilt in Deutschland, Österreich und der Schweiz offiziell als Betäubungsmittel, also als illegale Droge. GBL hingegen ist ein Lösungsmittel, das in der chemischen Industrie und als Graffitientferner eingesetzt wird. Obwohl es sich bei beiden Substanzen quasi um dieselbe Droge handelt – GBL wird im Körper zu GHB umgewandelt –, ist der Handel mit GBL weniger stark reguliert und die Substanz weiter verbreitet. Kurz gesagt: Wenn von G die Rede ist, ist fast immer GBL gemeint.
Und was ist der Unterschied? Auch wenn GBL erst vom Körper in GHB umgewandelt wird, wirkt es schneller und ist potenter. Die benötigte Dosis ist erheblich kleiner, aber auch die Menge, die eine gefährliche Überdosierung verursachen kann.
Sehr selten gibt es GHB auch als Pulver oder in Tablettenform, aber in der Regel handelt es sich bei beiden Substanzen um farblose Flüssigkeiten. Um sie zu konsumieren, werden sie mit alkoholfreien Getränken verdünnt, nicht nur um den scheußlichen Geschmack zu übertünchen. Vor allem GBL ist stark ätzend und sollte unter keinen Umständen pur eingenommen werden. Wie gesagt: Graffitientferner.
Kenn die Risiken
Die größte Gefahr ist die Dosierung. Owen Bowden-Jones ist ein beratender Psychiater der Club Drug Clinic. Die Einrichtung gehört zum Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) in Großbritannien und Nordirland und ist auf Partydrogen spezialisiert. “Eine Gefahr von GHB und GBL ist, dass sie in sehr kleinen Dosen wirken. Wenige Milliliter GHB können eine Person stark sedieren.” Bei GBL ist es sogar noch weniger. “Auch wenn manche Menschen lernen, ihre Dosis sorgfältig einzuschätzen, passieren schnell Fehler.”
Selbst mit einer medizinischen Spritze könne etwas schiefgehen, warnt er. “Und selbst kleine Fehler können einen in ernsthafte Gefahr bringen. Wenn jemand G überdosiert und dadurch bewusstlos wird, kann nicht nur die Atmung aussetzen oder man an seinem Erbrochenen ersticken, die Betroffenen sind dann auch anfällig für sexuelle Übergriffe oder Diebstahl.”
Außerdem gibt Bowden-Jones zu bedenken, dass G stark süchtig macht, selbst nach verhältnismäßig kurzen Konsumphasen. “In der Regel dauert es Monate, bis man abhängig von einer Substanz wird, aber ich habe bei Menschen auch schon nach wenigen Wochen intensiven Konsums Entzugserscheinungen beobachtet”, sagt er. “Das ist ungewöhnlich kurz im Vergleich zu den meisten anderen Drogen.”
In der Club Drug Clinic behandelt der Psychiater regelmäßig Menschen, die nicht mehr alleine von G loskommen – in der Regel sind das Leute, die eine starke Abhängigkeit und hohe Toleranz entwickelt haben. Bowden-Jones warnt eindringlich davor, den Entzug auf eigene Faust durchzuführen. “Die Risiken sind Zittern, Krämpfe, Schweißausbrüche, Verwirrung, Herzrasen, Anfälle und Zusammenbrüche.” Schwere G-Entzüge seien medizinische Notfälle. Sie sind potenziell lebensbedrohlich. “Jemand, der unter diesen Symptomen leidet, sollte sofort in die Notaufnahme gebracht werden, oder man ruft einen Krankenwagen.”
Nimm kein G, wenn du Alkohol getrunken oder Downer genommen hast
“Ich empfehle immer, bei nur einer Droge zu bleiben”, sagt Pansy. “Kombinier nichts mit anderen Drogen, solange du nicht genau weißt, was es mit deinem Körper macht. Denn jeder Körper reagiert anders.” Auf gar keinen Fall solltest du G nehmen, wenn du Downer wie Alkohol, Ketamin oder Benzos konsumiert hast. Das ist lebensgefährlich.
Adam ist 25, hetero und arbeitet im Bereich digitales Marketing. G nimmt er auf Partys, dabei ist er in einem Club kollabiert, als er die Droge zum ersten Mal probierte. “Nach einem Drink G zu konsumieren ist gefährlich”, sagt er. “Ruf einen Krankenwagen, wenn jemand das Bewusstsein verliert oder nicht mehr ansprechbar ist.”
Miss deine Dosis sorgfältig ab, halte Abstände ein
Wenn dir jemand anderes einen Shot G abmisst, solltest du dir folgende Frage stellen: Vertraue ich dieser Person mit meinem Leben? Lautet die Antwort Nein, dann mach es lieber selbst. Und zwar sorgfältig. Solltest du dazu nicht mehr in der Lage sein, dann bist du auch nicht mehr in der Lage, weiter G zu nehmen.
Tom ist 30 und auch er nimmt G im Club. Er empfiehlt dringend, langsam anzufangen. “Nimm erst mal nur einen halben Milliliter und schau dann, wie du dich 90 Minuten später fühlst.”
Laut einer Informationsseite des britischen NHS liegt “eine typische Dosis GBL zwischen 0,5 und 1,5 Milliliter”. Aber individuelle Faktoren – Größe, Gewicht, Setting, Toleranz, die Reinheit des Stoffs, wie viel man geschlafen oder gegessen hat und Vieles mehr – spielen eine so große Rolle, dass allgemeine Aussagen zur Verträglichkeit noch schwieriger zu treffen sind als bei anderen Drogen. “Jeder reagiert anders”, heißt es auch weiter auf der Seite des NHS. “Selbst eine geringe Dosis von weniger als einem Milliliter kann ohne Vorwarnung zu einer Überdosis führen.”
Auch Pansy sagt: “Beginne mit einer niedrigeren Dosis und schau, wie du dich fühlst. Bei GHB und GBL ist es wichtig, dass du mindestens 90 Minuten wartest, bevor du die nächste Dosis nimmst.”
Auch Adam, der schon eine G-Überdosis erlebt hat, betont, wie wichtig es ist, den Konsum im Auge zu behalten. Im Gegensatz zu anderen Drogen kann unbedachtes Nachlegen bei G nämlich fatale Folgen haben. “Es ist sehr gut, sich zu notieren, wann man eine Dosis genommen hat”, sagt Adam. “Das hat mir sehr geholfen, Probleme zu vermeiden. Geh nicht einfach davon aus, dass du dich daran erinnern kannst, wann du das letzte Mal was genommen hast.”
Um die Abstände einzuhalten, stellen sich manche einen Handywecker, andere machen sich einen Screenshot von ihrem Startbildschirm mitsamt Uhrzeit oder schreiben die Uhrzeit und die Menge ihrer letzten Dosis in der Notizen-App auf. Tom hat noch eine andere Methode. “Speicher dir eine zufällige Nummer im Handy ab, zum Beispiel 0006. Jedes Mal, wenn du einen Shot nimmst, rufst du die Nummer an. Auf diese Weise behältst du den Überblick.”
Die Dosierung von G mit einer Spritze ist im Club umständlich und nicht immer einfach, aber es gibt keinen Weg drumherum. Bei den winzigen Dosen ist Augenmaß unmöglich. Zum Vergleich: Ein Milliliter passt 20-mal in ein klassisches 2-Zentiliter Schnapsglas.
Pansy empfiehlt, keine Plastikspritzen zu benutzen, da die aufgedruckte Skala mit der Zeit verschwinden kann. “Benutz richtige Pipetten aus Glas mit einer Messskala, die auch chemische Stoffe aushält.”
Außerdem sei es generell ratsam, neue Drogen erstmal außerhalb eines Partysettings zu testen. “Vielleicht mit ein oder zwei Freunden zu Hause. Auf diese Weise kannst du dich etwas mit der Wirkung vertraut machen, bevor du dich in eine Situation begibst, in der du die äußeren Faktoren nicht kontrollieren kannst – wie einer Party.”
Achte auf deine Freunde
Laut Bundeskriminalamt starben 2021 in Deutschland 15 Menschen durch GHB oder GBL – vier durch die Droge allein, elf durch eine Kombination mit anderen Substanzen. Zum Vergleich: Zu Ecstasy führt die Statistik insgesamt 57 Todesfälle auf. Das heißt aber keinesfalls, dass G die sicherere Droge ist. Ecstasy ist viel weiter verbreitet und Drogentote werden nur selten auf GHB oder GBL getestet.
“Es gibt keine genauen Zahlen zu G-Überdosen”, sagt Psychiater Bowden-Jones. “Es wird nicht routinemäßig in britischen Notaufnahmen getestet. Die Daten von Krankenhäusern geben also keine gute Übersicht darüber, wie groß das Problem wirklich ist.”
Wegen des hohen Risikos betonen alle Menschen, mit denen wir für diesen Artikel gesprochen haben, wie wichtig es ist, die Droge nicht zu nehmen, wenn man allein ist, und seine Freunde im Blick zu behalten. Owen Bowden-Jones sagt: “Überdosierungen können lebensgefährlich sein, also riskiere nichts.” Wenn ein Freund oder eine Freundin kollabiert, solltest du wissen, was zu tun ist.
“Zuerst solltest du kontrollieren, ob die Person bei Bewusstsein ist”, sagt er. “Reagiert sie, wenn du sie zu wecken versuchst? Wenn nicht, musst du kontrollieren, ob sie atmet und einen Puls hat. Hat sie das nicht, musst du sofort einen Krankenwagen rufen und mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Falls die Person atmet und einen Puls hat, aber bewusstlos ist, solltest du sie in die stabile Seitenlage bringen und einen Krankenwagen rufen.”
Also fassen wir zusammen: Wenn du G nehmen willst, solltest du dir über die Risiken im Klaren sein. Es ist schwer zu dosieren, du musst dich an bestimmte Zeiten halten, Fehler sind lebensgefährlich, es kann schnell süchtig machen und wenn du damit erwischt wirst, hast du Hausverbot in deinem Lieblingsclub.
“Das ist schon witzig”, sagt G-Konsument Adam. “Du schreibst einen Artikel darüber, wie man es sicher nehmen kann, aber G ist einfach keine sichere Droge.”
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